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 Die Schauspielerin, Chansonsängerin, Synchron- und Hörspielsprecherin Judy Winter (eigentlich Beate Marie Richard; geboren am 4. Januar 1944 in Friedland/Oberschlesien) begann ihre Karriere am Theater Ulm und am Theater Bremen unter der Regie von Kurt Hübner beziehungsweise Peter Zadek. Ihren Durchbruch hatte sie 1971 in den Johannes-Mario-Simmel-Verfilmungen „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ und „Liebe ist nur ein Wort“. Seit 1998 stand sie als Marlene Dietrich mehr als 600 Mal auf der Bühne. Nun gibt sie bereits zum siebten Mal die flotte Oma Susanne in der Reihe „Familie Bundschuh“. Der Film läuft am Donnerstag um 20 Uhr 15 im zweiten Programm.

© picture alliance/dpa

Judy Winter im Interview: „Ich kann nicht mit rechten Leuten“

Sie gab den Simmel-Dreh auf, spielte die Dietrich, synchronisierte die Ullmann: Interview mit Judy Winter.

Frau Winter, Ihr neuer Fernsehfilm „Unter Verschluss“ ist bereits die siebte Episode der „Familie Bundschuh“. Wie sehr ist Ihnen die von Andrea Sawatzki erdachte Komödienreihe ans Herz gewachsen?
Es ist schön, dass man sich einfach trifft und keine Basis-Erklärungen mehr abgeben muss. Und dass man vom anderen weiß, ich meine jetzt innerhalb der Rolle. Es ist für mich wie nach Hause kommen. Ich mag auch meine Rolle der ständig angetrunkenen Susanne gern. (lacht) Es ist einfach soooo… (spricht gewollt lallend) Ich weiß nicht, warum ich seit geraumer Zeit in jeder Rolle, die mir angeboten wird, eine Alkoholikerin spielen soll. Aber na ja…

Vielleicht können Sie das einfach gut spielen!?
Ja, natürlich. Ab 40 geht es doch bergab mit der sexuellen Ausstrahlung. Natürlich macht sich das auch in den Rollen bemerkbar. Und dann erhält man weniger Angebote. Ist man so alt geworden, wie ich es jetzt bin, ist man entweder Komikerin oder spielt im Charakterfach. Und letzteres ist gar nicht so oft gewünscht. Das ist ja meistens so ernst… Wenn man Glück hat, rutscht man in die Komik. Und wenn die Leute lachen können, ist das nicht ganz verkehrt.

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Machen wir einen Zeitsprung von einem halben Jahrhundert. Zu Beginn Ihrer Filmkarriere stehen zwei Johannes-Mario-Simmel-Adaptionen, die beide im Jahr 1971 für Aufsehen gesorgt haben: „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ und „Liebe ist nur ein Wort“, die deutsche Antwort auf die „Love Story“. Was haben Sie zuerst gedreht?
Zuerst den „Jimmy“, dann „Liebe“. Doch zuvor ebenfalls unter der Regie von Alfred Vohrer einen Krimi fürs Kino, der Underground-Kult-Status hat: „Perrak“ mit Horst Tappert als Kommissar, eine Art Vorläufer von „Derrick“.

Die Simmel-Filme waren seinerzeit kommerziell sehr erfolgreich. Warum waren Sie nur in zweien dabei?
Ich wollte danach einfach nicht mehr unter Produzent Luggi Waldleitner drehen.

Gab es denn ein Zerwürfnis?
Es war aus politischen Gründen. Ich kann nicht mit rechten Leuten. Und er war sehr rechts, Halleluja!

Sie waren danach in zwei Meisterwerken der Krimireihe „Tatort“ dabei: „Tod eines Einbrechers“ und „Reifezeugnis“ dabei, wo Sie an der Seite von Dietmar Schönherr und Werner Bruhns beziehungsweise Christian Quadflieg und Nastassja Kinski spielten.
Komisch, aber „Reifezeugnis“ kann man heute immer noch sehen, oder?

Absolut!
Das liegt nicht nur an unserem Spiel, sondern auch an der einfühlsamen Regie von Wolfgang Petersen. Dieser Fernsehfilm war berechtigterweise sein Sprungbrett nach Hollywood.

Sie wissen ihre leicht rauchige Stimme bei Musikaufnahmen, Hörspielen und Synchron einzusetzen. Hat es Ihnen viel bedeutet, dass Sie 1976 die Goldene Kamera für ihre Synchronisation von Liv Ullmann in „Szenen einer Ehe“ bekamen?
Darüber bin ich bis heute wirklich sehr stolz. Es war eine einmalige Auszeichnung. So eine Selbstanalyse mit Flüstern und Schreien für die deutsche Fassung begleiten zu dürfen, war schon toll. Liv Ullmann habe ich damals auch kennengelernt. Eine wunderbare Frau. Genauso wie Vanessa Redgrave und Shirley MacLaine, deren deutsche Altersstimme ich bin – zuletzt als erst furchterregender, dann weiser Drache Frau Mahlzahn in „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ und „Jim Knopf und die Wilde 13“.

Es gibt viele Ansätze, Schauspielerin werden zu wollen. Was war es bei Ihnen?
Ich wollte Tänzerin werden, und zwar im klassischen Ballett in Heidelberg, war aber dann zu hochgewachsen. Mit 13 war ich so groß wie heute, nämlich 175 cm. Auf der Spitze tanzend hätte ich nie einen Partner haben können. Und etwas anderes als klassisches Ballett kam für mich überhaupt nicht in Frage. Doch plötzlich habe ich mich unheimlich in einen Theaterschauspieler verliebt, der in Heidelberg engagiert war.

Wer ist denn das gewesen?

Es war der im Juni verstorbene deutsch-österreichische Schauspieler Frank Hoffmann. Bloß, er hat das damals nie gemerkt… Wenn er bei der Generalprobe war, lag ich irgendwo und wollte ihm zusehen und zuhören. Ich war völlig hin und weg! Dadurch wollte ich selbst Schauspielerin werden, einfach um mal mit ihm gemeinsam zu arbeiten. Das ist natürlich nie passiert, aber es war mein Hauptgrund! Die Schauspielerei hat mir sehr geholfen, denn ich habe darunter gelitten, mit dem Tanzen aufzuhören.

Begegnung mit Zadek

In den 1960er Jahren waren Sie mit Theaterregisseur Peter Zadek liiert. Wie haben Sie ihn kennengelernt?
Schon bei meinem ersten Engagement überhaupt in Ulm. Es hat gleich gefunkt. Und dann waren wir sieben Jahre zusammen.

Stimmt es, dass Sie sich auch um seine zwei Kinder gekümmert haben, weil er aufgrund seiner Theatertätigkeit, sich außerstande sah, diese zu erziehen?
Sie waren mehr oder weniger ein halbes Jahr bei ihrer Mutter in London und den Rest bei uns in Deutschland. Es waren wunderbare Zeiten. Auch Peter Zadeks Vater, der ebenfalls bei uns lebte, war ein wunderbarer Mensch. Mit allen zusammen war ich damals sehr glücklich.

Aufregende Jahre

War das nicht aufregend, gleich am Anfang Ihrer Karriere, mit Zadek zu arbeiten und zu leben?
Wie aufregend das alles wirklich war, habe ich damals gar nicht bewusst wahrgenommen. Das konnte ich noch gar nicht. Da war ich noch viel zu jung für. Mir waren die Kinder am wichtigsten und der Opa. Die wirkliche Kunst habe ich gar nicht so mitgekriegt. Es war etwas „Normales“ für mich. Ich habe damals nicht zu mir selbst gesagt: „Peter Zadek, das ist ein toller Mann!“ Ich hatte keine Vergleichsmöglichkeit. Es war einfach eine wunderschöne, aber auch schwere Zeit.

Warum ist das mit Ihnen und Zadek auseinandergegangen?
Das lag an mir. Ich wollte eigenständig werden. Das war blöd von mir im Nachhinein…

Das Interview führte Marc Hairapetian.

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