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Wo ist Jütte? Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Schenk (Dietmar Bär) streiten.

© WDR/Thomas Kost

„IM Februar“: Der Kölner „Tatort“ rührt eine Stasi-Geschichte auf

„F... fürs Vaterland, nicht nur, aber vorwiegend.“ Im Kölner „Tatort“ glänzt Ulrike Krumbiegel als Ex-Stasi-Agentin, die Kommissar Schenk entführt.

Der Kölner „Tatort“ blickt am Sonntag nach Osten und mehr als 30 Jahre zurück. Man trifft auf Figuren, die Spitznamen trugen wie „Der schöne Jens“ oder „Porno-Peter“. Man wird an Umweltsünden und Devisenbeschaffung der DDR sowie an die Gier und Selbstbedienungsmentalität westlicher Handelsvertreter erinnert. Bitterfeld – „wo der Dreck vom Himmel fällt“, wie der Volksmund damals reimte und wie eine Kölner Hotelmanagerin heute noch sehr genau weiß.

Sie war „IM Februar“ und horchte bei der Leipziger Messe, was ihr in Hotelbetten so zugetragen wurde. „Ficken fürs Vaterland, nicht nur, aber vorwiegend“, beschreibt Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel) ihr damaliges Tätigkeitsfeld, das sie in den letzten fünf Jahren der DDR nur noch mit viel Wodka ertragen habe.

Nach dem Mauerfall machte Mai Karriere in der Hotelbranche. Der Besuch einer alten Dame in dem von Mai geführten Hotel wirbelt alten Dreck wieder auf. Kathrin Kampe (Eva Weißenborn) bestellt sich teueren Rotwein und verlangt beim Plaudern im Restaurant 300000 Euro von Mai. Im Foyer warten zwei Herren (Bernhard Schütz, Rolf Kanies) darauf, Kampes Forderungen entgegen zu nehmen.

Die baggert einen Fremden an der Bar an und geht auf ihr Zimmer, um sich frisch zu machen. Als der Hotelgast 20 Minuten später das Zimmer aufsucht, baumelt Kathrin Kampe erhängt von der Decke. Hände und Beine sind mit Klebeband gefesselt. Kein Selbstmord, schlussfolgern die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär).

Der rätselhafte Tod der alten Dame ist der Auftakt zu einer wilden Jagd durch deutsch-deutsche Geschichte und das Kölner Umland („Tatort – Der Tod der Anderen“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15). Drehbuch-Autor Wolfgang Stauch, der einige bemerkenswerte „Tatort“-Folgen gedreht hat, trennt hier das verschworene Ermittlerteam.

Es gibt einen Zugang im ständigen Krimi-Ensemble

Ex-Agentin Mai kommt einem Haftbefehl zuvor, indem sie Polizei-Assistent Jütte (Roland Riebeling) in ein Verlies sperrt und Schenk in ihre Gewalt bringt. Dass der Kommissar mit Mai tagelang durch die Gegend fährt, gemeinsam in verschiedenen Hotelzimmern übernachtet und vorm Kollegen Ballauf Reißaus nimmt, ist gewagt konstruiert.

Während die Folge Realismus-Ansprüchen eher weniger genügt, erfreut sie mit erfrischendem Tempo. Mai und Schenk wachsen als Team zusammen, die anfangs hauptverdächtige Ex-Agentin gewinnt das Vertrauen des Kommissars. Oder wickelt sie ihn nur um den Finger? Welche Schuld verbindet sie mit der toten Kathrin Kampe, die ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte, wie Gerichtsmediziner Roth (Joe Bausch) feststellt?

Ulrike Krumbiegel gelingt der Balanceakt ihrer Hauptrolle aus raffinierter und zugleich tragisch verstrickter Ex-Agentin überzeugend. Sympathisch auch, dass bei zwei entführten Polizisten im Rheinland keine Hektik ausbricht und keine Sondereinsatzkommandos durch sämtliche Kellerräume in der näheren Umgebung des Hotels pflügen, in denen sich Jütte mutmaßlich aufhalten müsste.

Die Inszenierung von Torsten C. Fischer will dem Publikum weismachen, dass Jütte zu verdursten droht, aber Spannung will angesichts all der anderen, mäßig glaubwürdigen Handlungs-Pirouetten wenig aufkommen.

Immerhin gibt es noch einen Zugang im ständigen Krimi-Ensemble: Der allein gelassene Ballauf weiht die neue Kriminaltechnikerin Natalie Förster nach einigem Zögern in den Fall mit ein. Die Schauspielerin Tinka Fürst feiert in der Kölner „Tatort“-Reihe ihren Einstieg und wird auch in weiteren Folgen in dieser Rolle zu sehen sein. Der Auftakt mit einer dann doch überraschenden Wendung im Finale lässt hoffen, dass sie dort nicht nur schmückendes Beiwerk fürs gesetzte Herren-Trio sein wird.

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