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Wie öffentlich-rechtlich ist ein Fernsehen, das Krimi auf Krimi ausstrahlt?

© imago/Panthermedia

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Inflation von Krimis ist kein Mehrwert

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht dringend eine Reform, eine Revolution braucht er nicht. Ein Gastbeitrag.

Bald soll die Entscheidung über eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fallen. Damit besteht die Chance, das Gleichgewicht im dualen System wiederherzustellen und den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar zu definieren.
Unser duales Rundfunksystem ist in Europa, wenn nicht sogar weltweit, einzigartig. Beide Säulen, Öffentlich-Rechtliche wie Private, leisten ihren Beitrag zu unserer vielfältigen und qualitativ hochwertigen Rundfunklandschaft. Das ist - zumindest in weiten Teilen unserer Gesellschaft - glücklicherweise Konsens. Leider nimmt aber auch bei uns die Akzeptanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab. Wir sollten den Wert des dualen Systems, um das uns viele Länder beneiden, wieder stärker herausstellen und zukunftsfähig machen.
Das funktioniert aber nur, wenn beide Säulen für die Zukunft in der konvergenten Medienwelt gut aufgestellt sind. Schließlich setzen mächtige globale Player Öffentlich-Rechtliche wie Private gehörig unter Druck. Nur mit einem inhaltlich klar unterscheidbaren Profil werden öffentlich-rechtliche wie private Sender in diesem Wettbewerb bestehen. Deshalb muss der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen präziser gefasst werden. Erst nach einer Profilschärfung kann über die finanzielle Ausgestaltung des Auftrags gesprochen werden.
Gesetzlich festgelegt ist: die Öffentlich-Rechtlichen haben der "Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung" zu dienen. Die Reihenfolge bei dieser Auftragsbeschreibung ist wohl nicht willkürlich gewählt. Die Privaten sind ebenfalls dem Gemeinwohl verpflichtet, haben jedoch eine abgeschwächte Verantwortung, da sie dem freien Markt unterworfen sind. Aber auch sie müssen einen angemessenen Anteil an Information, Kultur und Bildung leisten. Vielfalt und Qualität von Angeboten im Fernsehen, im Radio und im Internet - von privaten Sendern wie Verlagen - kann es aber nur geben, wenn sie Raum haben, diese Angebote auch zu refinanzieren.
Das öffentlich-rechtliche Angebot in seiner heutigen Form verzerrt vielfach den Wettbewerb und beeinträchtigt damit auch die Medienvielfalt. Im Sinne der Chancengleichheit in unserem dualen Rundfunksystem müssen die Öffentlich-Rechtlichen ihren Erfolg weniger an Einschaltquoten und mehr an der Relevanz ihrer Inhalte messen. Das heißt nicht, Unterhaltung oder Sport ganz aus den öffentlich-rechtlichen Programmen zu streichen. Sie dürfen aber nicht bloß Mittel zum Zweck höherer Quoten sein. Nur ein Beispiel dafür ist die Inflation von Krimis im Vorabend von ARD und ZDF, die keinen Mehrwert zu den Angeboten privater Sender bringen.

Vorbild kann die Schweizer SRG sein

Zielführend scheinen Größenordnungen für die Bereiche Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung zu sein. Hier könnte man sich an den Reformen des Schweizer Rundfunks orientieren, die die SRG als Konsequenz nach "No Billag" angestoßen hat. So will die SRG nicht nur 100 Millionen Franken einsparen. Das Programm soll auch künftig stärker den Grundversorgungsauftrag widerspiegeln. 50 Prozent der Gebühren sollen in Information fließen. Online soll es keine Textbeiträge ohne Programmbezug mehr geben. Bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind für mich die wichtigsten Punkte: Im Fernsehen muss auf die Auftragserfüllung in den Hauptprogrammen und auch zu den Hauptsendezeiten geachtet werden. Ein Nachmachen, gar Abkupfern privater Erfolgsformate und eine immer weitere Fragmentierung (das aktuelle Portfolio der Öffentlich-Rechtlichen umfasst mehr als 200 TV-, Radio und Digitalangebote) widerspricht diesem Anliegen. Die Dritten Programme sollten sich auf ihren länderspezifischen Auftrag konzentrieren. Auch sollte ein Gesamtetat für Sport festgelegt und eingehalten werden. Davon sollten nicht ausschließlich Mainstream-Angebote wie Fußball oder Wintersport finanziert, sondern auch über Randsportarten und vor allem den Breitensport berichtet werden.

Siegfried Schneider ist Präsident der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien.
Siegfried Schneider ist Präsident der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien.

© promo

Ebenfalls sind das Ausmaß der kommerziellen Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Töchter und damit verbundene Eingriffe ins freie Marktgeschehen zu diskutieren. Beim Telemedienauftrag von ARD und ZDF muss nachgebessert werden. Die Einigung von 2018 verstärkt die Schieflage im dualen System. Zwar ist es gut, dass im Sinne der Verleger "presseähnliche" Angebote untersagt wurden. Die Interessen anderer Marktteilnehmer, wie der privaten Sender oder der TV-Produzenten, wurden aber nicht berücksichtigt. Vertreter des privaten Rundfunks waren zu den Verhandlungen auch nicht eingeladen. Zudem ist die Frage zu klären, welche Rolle Unterhaltung und Lizenzware beim öffentlich-rechtlichen Telemedienangebot grundsätzlich spielen dürfen. Die Produktion für Drittplattformen wie YouTube oder Facebook ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Denn diese Praxis stärkt die großen Wettbewerber der privaten Anbieter mit Beitragsgeldern. Es sollte daher festgeschrieben werden: Wenn ARD und ZDF auf diesen jugendaffinen Plattformen junge Zuschauer mit "Appetithäppchen" abholen, dann müssen sie diese Nutzer wieder auf die eigenen öffentlich-rechtlichen zurückführen. Ganz wesentlich ist darüber hinaus: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss - gerade in Zeiten von Fake News - in seinen Hauptprogrammen die junge Generation erreichen. Status Quo momentan ist: Junge Menschen sind, wenn sie klassisches TV einschalten, vor allem bei den Privaten zu finden. Deshalb brauchen wir mehr Wettbewerb um gute Formate für junge Menschen. Um das zu erreichen, sollte ein gewisser Prozentsatz des Rundfunkbeitrags beispielsweise für junge, politische Informationsformate festgesetzt und im Sinne des Grundversorgungsauftrags ausgeschrieben werden ( nur ein Prozent von den insgesamt acht Milliarden aus der Haushaltsabgabe wären schon 80 Millionen). Alle Sender, öffentlich-rechtliche und private, aber auch freie Produzenten sollten sich um Fördermittel bewerben können. Darüber entscheiden würde - ähnlich wie bei der Filmförderung - ein unabhängiges, plural besetztes Gremium.

Erst der Auftrag, dann der Beitrag

Erst wenn der Auftrag im Sinne der beschriebenen Profilschärfung gefasst ist, kann über die Höhe des Rundfunkbeitrags entschieden werden. Grundsätzlich sollten die Öffentlich-Rechtlichen finanziell auch so ausgestattet sein, dass sie ihren Auftrag gut erfüllen können. Im Gegenzug könnte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf Werbung und Sponsoring komplett verzichtet werden. Die Privaten hätten so mehr Luft, mit den Mehreinnahmen ihrerseits zusätzlich in Public Value zu investieren.
Im öffentlich-rechtlichen Hörfunk ist eine Werbezeitbegrenzung nach dem Beispiel des NDR - also maximal 60 Minuten Werbung pro Tag und pro Programm - geboten. Sie ist für den Erhalt der Vielfalt gerade auf der lokalen und regionalen Ebene und für die Zukunftssicherung des privaten Hörfunks unerlässlich.
Die Herausforderungen der Konvergenz und das veränderte Nutzungsverhalten sprechen für mehr Gestaltungsfreiraum bei der Erfüllung des Auftrags. Budgetierung und Indexierung sind daher aus meiner Sicht zielführender als das jetzige Procedere. Ganz praktisch würde das heißen: Die Politik legt auf Vorschlag der KEF einmal einen Basiswert für den Beitrag fest. Dieser Basiswert könnte dann regelmäßig um den Wert beispielsweise der Inflations- oder Kaufkraftentwicklung erhöht werden. Die Anknüpfung an einem solchen Wert ist objektiv, transparent und entspricht dem Ziel der relativen Beitragsstabilität. Aufgabe der KEF wäre künftig die Evaluierung der Mittelverwendung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Diese Schritte in Richtung einer notwendigen Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind überfällig. Aber sie bedeuten keine Revolution. Das duale System würde - weder durch eine Profilschärfung beim Auftrag noch durch das Budget-Index-Modell - auf den Kopf gestellt. Es würde aber wieder auf gesunde Beine gestellt.

Siegfried Schneider ist Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien.

Bisherige Beiträge zur „Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“: Patricia Schlesinger (15. April), Hans Demmel (25. April), Christoph Palmer (7. Mai), Rainer Robra (11. Mai), Norbert Schneider (21. Mai), Tabea Rößner (25. Mai), Thomas Bellut (10. Juni), Frauke Gerlach (22. Juni), Ulrich Wilhelm (5. August), Heike Raab (2. September), Hans-Günter Henneke (15. September), Christine Horz (20. Januar)

Siegfried Schneider

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