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Der Ball ist ECKIG: Mit Karacho: Löws Katharsis

Wie die drei Fußball-Trainer Joachim Löw, Raymond Domenech, Fabio Capello bei der WM in Südafrika ihren Ruf als arrogante, kauzige Zeitgenossen verteidigen.

Von Patricia Wolf

Die Wut krabbelt hoch und höher. Tief aus dem Bauch heraus bahnt sie sich ihren Weg hinauf bis in den Hals, wo sie als dicker Kloß stecken bleibt. Welche Leidenschaft, Wut, Trauer, ja Verzweiflung und Ohnmacht waren Bundestrainer Joachim Löw am Freitag nach dem Spiel der deutschen Elf ins Gesicht geschrieben!

Am Abend zuvor hatten wir Raymond Domenech beobachten können, den Trainer des Teams der Grande Nation, der scheinbar von keinerlei Emotion berührt zusah, wie sich seine Mannschaft ins vorzeitige WM-Aus katapultierte. Bizarr, wie über sein Gesicht fast ein Lächeln zog, als die Équipe Tricolore durch einen Elfmeter von Mexiko zehn Minuten vor Schluss 0:2 zurücklag. Und nach dem Deutschlandspiel sahen wir einen Fabio Capello, italienischer (Attenzione: Leidenschaft) Coach des englischen Teams, das nur als blasser Widerschein eines Mythos glomm. Capello schimpfte ein bisschen über das desaströse Schauspiel der Three Lions, aber dabei blieb es denn auch.

Alle drei Trainer haben einen Ruf als arrogante, kauzige Zeitgenossen zu verteidigen. Ein Geschäft, in dem Emotionen in der Tiefe des Raums versteckt bleiben. Und nun das! 22,01 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 84,8 Prozent) wurden im ZDF Zeuge, wie Löw sich nach dem verschossenen Elfmeter vom Spielgeschehen abwendet und sich an die Brüstung lehnt. Ein kurzer Moment, in dem er das Spiel innerlich verlässt, vielleicht um sich zu sammeln, vielleicht auch, um zu vermeiden, der eigenen Wut kurz darauf schon zehn-, ja hundertfach Auge in Auge gegenüberzustehen. So wie Zidane nach seinem Kopfstoß. Nach dem Spiel, um seinen Wuttränen nicht freien Lauf lassen zu müssen, wirft Löw mit Karacho eine Wasserflasche auf den Boden, sodass sie sich auf dem südafrikanischen Rasen ergießt. Ein Bild von wahrhaft kathartischer Wirkung. Für diese Momente liebt man Fernsehen. Solche Bilder sieht man nicht im Stadion, hört man nicht im Radio. Patricia Wolf

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