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Ein Interview wollte Gregor Gysi den Doku-Machern nicht geben. Foto: dpa

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Nach Klage: Neue Doku über Gregor Gysi und die Stasi

Gegen die erste ARD-Doku über Gysi und die Stasi wurde geklagt – jetzt folgt der zweite Teil in der ARD. Auf ein Interview mit dem Politiker mussten die Macher allerdings verzichten.

In seinem früheren Leben war Gregor Gysi ein prominenter Anwalt in der DDR. Er verteidigte unter anderem Systemkritiker wie Rudolf Bahro und Robert Havemann. Dass sein Name in einer Vielzahl von Stasi-Akten auftaucht, ist also kein Wunder. Über die Frage, wie weit seine Kontakte reichten, ob man von einer Kooperation zwischen Anwalt und Staatssicherheit oder gar von Mandantenverrat sprechen könne, darüber gibt es mittlerweile einen Berg von Gerichtsakten. Doch weder die Gutachten der Stasi-Unterlagenbehörde noch der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestags, der 1998 eine inoffizielle Stasi-Tätigkeit Gysis „als erwiesen“ ansah, konnten seiner Karriere etwas anhaben. Gerichte bescheinigten ihm, dass es an ausreichenden Beweisen für eine IM-Tätigkeit fehle. Und seit das ZDF vor zwei Jahren wegen eines Beitrags im „Heute-Journal“ vom Mai 2008 durch mehrere Instanzen gegen Gysi verlor, schien für den Fraktionsvorsitzenden der Linken das lästige Thema durch zu sein.

Im Fernsehen macht Gysi eine gute Figur

In seinem jetzigen Leben ist Gregor Gysi ein prominenter Politiker, der im Fernsehen eine gute Figur abgibt. Doch nicht jedem mag er ein Interview geben. Die NDR-Autoren Hans-Jürgen Börner und Silke König, die hier wegen ihrer Hartnäckigkeit zu loben sind, zählen nicht zu Gysis bevorzugten Gesprächspartnern. Im Januar 2011 wurde ihr Film „Die Akte Gysi“ in der ARD ausgestrahlt. Nun legen sie nach, zeigen die aktualisierte, in der Kernaussage kaum veränderte Version „Gysi und die Stasi“ – in beiden Fällen ohne Gysi-Interview und nur mit einigen Fundstücken aus dem Archiv. Hier wie dort zeichnen Börner und König das Bild eines vor allem auf seine Karriere bedachten Mannes und „Erfüllungsgehilfen“. Nun haben sie allerdings Gelegenheit, aus der Klageschrift des Gysi-Anwalts gegen ihren ersten Film zu zitieren – und haben auf diese Weise doch einige Stellungnahmen zu den gezeigten Fallbeispielen erhalten. Man könnte das eine clevere Art nennen, aus der Not eine Tugend zu machen.

Der erste Rechtsstreit endete mit einem Vergleich

Der Rechtsstreit um den ersten Film endete mit einem Vergleich, weshalb der NDR ihn nicht mehr zeigt. Weil Gysi aber in diesem Rechtsstreit die eidesstattliche Versicherung abgab, „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet“ zu haben, ist er das lästige Thema doch noch nicht los. Denn die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt und prüft nun, ob Gysi eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Auch Börner und König finden diese Gysi-Aussage so bemerkenswert, dass sie sie in „Gysi und die Stasi“ gleich dreimal zitieren.

Als möglichen Gegenbeleg nennen sie den Fall des ehemaligen „Spiegel“-Redakteurs Ulrich Schwarz, der im Februar 1989 ein Interview mit dem damaligen Vorsitzenden des Kollegiums der DDR-Rechtsanwälte führte. In einer Stasi-Akte wird von einem anschließenden Gespräch Gysis mit zwei MfS-Offizieren berichtet, in dem der Anwalt über die Vorgehensweise Schwarz’ klagte. Er habe ihn mit seinen Fragen immerzu in Fallen locken wollen. „Charakterlos“ nennt das Schwarz heute. „Nach Aktenlage hat Gregor Gysi wohl doch mit der Stasi geredet“, kommentieren die Autoren und nennen ein weiteres Beispiel: Den Anwalt und Bürgerrechtler Rolf Henrich habe Gysi „vor der Wende bei der Stasi denunziert“. Und Klaus Richter, ehemals bei der Stasi-Unterlagenbehörde beschäftigt, erklärt: „Nicht so sehr das isolierte einzelne Aktenstück, sondern die Gesamtsicht der inneren Zusammenhänge dieser Aktenstücke“ bringe zum Vorschein, dass Gysi „kooperiert haben muss“. Und zwar „von 1978 angefangen bis zum Ende des MfS“. Thomas Gehringer

„Geschichte im Ersten: Gysi und die Stasi“, ARD, Montag, 23 Uhr 55

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