
© dpa/Oliver Berg/Bearbeitung Tagesspiegel
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk unter Druck: Muss der WDR bei Reformen vorangehen?
Onlinedienste haben die Medienwelt revolutioniert. ARD, ZDF und Deutschlandradio müssen sich neu aufstellen, wenn sie ihre Akzeptanz bei den Beitragszahlern sichern wollen.
- Sabine Schiffer
 - Stephan Russ-Mohl
 - Leonard Novy
 
Stand:
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist unter großem Reformdruck. Ob ARD, ZDF und Deutschlandradio, die Sender müssen sich neu aufstellen, wenn sie ihre Reichweite, Attraktivität und Akzeptanz bei den Beitragszahlern sichern wollen. Katrin Vernau hat es mit dem Willen zu Reformen ins Amt der neun Intendantin des Westdeutschen Rundfunks geschafft. Der WDR ist als größte und mächtigste Anstalt der Ansager im ARD-Verbund. Kann der Sender zum Motor für Reformen werden?
In unserer Rubrik „Was kommt“ beantworten Fachleute aktuelle Fragen – alle Folgen finden Sie hier.
In der Amtszeit der neuen Intendantin könnte sich die Zukunft von ARD und ZDF entscheiden
Mit dem Vorangehen ist das bei den Öffentlich-Rechtlichen im Allgemeinen und beim WDR im Besonderen so eine Sache. Alles hängt mit allem zusammen, und das kölsche und das Newtonsche Trägheitsgesetz meinen bekanntermaßen nicht dasselbe – sofern man unter „Bewegung“ mehr versteht als eine Reise zum Hamburger Übersee-Club. Deswegen ist die Wahl Vernaus bemerkenswert – und am Ende möglicherweise eine historische. So dürfte sich in ihrer Amtszeit die Zukunft von ARD & ZDF entscheiden: abgehängt von Netflix, tiktok & Co und von den Nutzern, ihren Auftraggebern, links liegen gelassen wie ein altes Möbelstück. Oder als gesellschaftlich breit verankerte und technisch innovative Informations- und Diskursanbieter, die den öffentlich-rechtlichen Grundgedanken unter sich verändernden Vorzeichen fortwährend neue Geltung verschaffen. Dafür muss der WDR als größte ARD-Anstalt tatsächlich vorangehen und im besten Sinne des Föderalismus Impulse für das gesamte System liefern, statt nur darüber zu reden.
Nur ein Gebührenboykott würde wohl Bewegung ins System bringen
Wenn sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Schubkraft etwas bewegen soll, müssen sich die großen Tanker, also der WDR, der NDR oder auch das ZDF bewegen – auch wenn die kleineren Beiboote wie der RBB oder der Saarländische Rundfunk mitunter beweglicher sind. Ob sich der WDR bewegen lässt, ist allerdings eher fraglich: Bewegungsrhetorik allein hilft wenig, egal ob sich der alte Intendant Tom Buhrow oder die dank ihrer Interims-Intendanz beim RBB sturmerprobte neue Intendantin Katrin Vernau ihrer bedienen. Die Medienpolitik in Deutschland sowie ARD und ZDF sind leider so konstruiert, dass der Selbstblockade kaum zu entrinnen ist. Auch das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung bisher eher die Selbstgefälligkeit als die Beweglichkeit des ÖRR befördert. Helfen würde wohl nur ziviler Ungehorsam, sprich: ein Gebührenboykott, den alle mittragen, die den ÖRR an seinen Programmauftrag erinnern möchten. Leider droht dieser ja in der Aufmerksamkeitsökonomie und im Kampf um kulturelle Hegemonie verlorenzugehen.
Die privilegierten Sonnendecks abbauen
Was soll eine Reform des WDR für die notwendige Strukturreform aller ARD-Anstalten, ZDF und Deutschlandradio bewirken? Wie Regionalität wahren, aber Dopplungen reduzieren? Können ZDF und DRadio gemeinsam verwaltet werden? Von Gremienreform und mehr Staatsferne ganz zu schweigen. Auch der WDR kann als größte ARD-Anstalt, dessen neue Intendantin Katrin Vernau mit Mut zu umfassenden Veränderungen den Rundfunkrat bei der Wahl überzeugt hat, nicht allein den Durchbruch erzielen. Tom Buhrows vorzeitiger Abgang, nach seiner unerfüllten Rede beim Hamburger Übersee-Club, zeugt von Schwierigkeiten. SWR und MDR gehen voran mit Umschichtungen, die nicht den Eindruck erwecken, den kritischen Journalismus fördern zu wollen.
Katrin Vernau gilt als erfolgreiche Saniererin des skandalgeschüttelten RBB. Gerne wird ihre nicht-journalistische Herkunft betont, aber aus der Verwaltung heraus lässt sich Unternehmenslogik durchschauen. Und Strukturreformen stehen an: Synergieeffekte nutzen, Outsourcing evaluieren, Programmmachen durch sichere Arbeitsverhältnisse stärken, die privilegierten Sonnendecks abbauen, Qualitätskontrolle stärken.
- showPaywall:
 - false
 - isSubscriber:
 - false
 - isPaid: