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Jörg Drews, Geschäftsführer der Hentschke Bau GmbH, sponsert Plattformen, die Verschwörungsmythen verbreiten.

© imago/xcitepress

Unbeholfene Abmahnversuche: Wie kritische Berichterstattung verhindert werden soll

Ihre Anwälte drohen mit Klagen, auch wenn es gar nichts zu klagen gibt. Das ist nervig für Journalisten. Manchmal aber auch urkomisch.

Vielleicht bin ich dieses Mal zu weit gegangen? Die Vorwürfe wiegen schwer. Falls stimmt, was die „Hentschke Bau GmbH“ in ihrer öffentlichen Stellungnahme auf der Homepage behauptet, war mein Artikel nicht bloß ein „Schlag ins Gesicht“ des Unternehmens, sondern auch ein „Versuch der gezielten Diskreditierung und Geschäftsschädigung“. Dagegen werde sich Hentschke Bau juristisch wehren – mit allen „zur Verfügung stehenden Mitteln“. Gegen den Tagesspiegel, der diesen Text gedruckt hat. Und gegen den Autor.

In einer Reportage über rechte Proteste an der B96 in Sachsen hatte ich die Verhältnisse in Bautzen erwähnt – und zwei Männer, die in der Stadt großen Einfluss haben. Einer davon ist Jörg Drews, Geschäftsführer der Hentschke Bau GmbH, die zu den größten Arbeitgebern der Stadt zählt. Ich schrieb, Drews sponsere Plattformen, die im Internet Verschwörungsmythen verbreiten.

Außerdem organisiert er sogenannte „Bürgerforen“ mit, bei denen Referenten wie Christoph Hörstel sprechen dürfen. Hörstel ist regelmäßiger Redner auf dem antisemitischen Al-Quds-Marsch in Berlin. Er glaubt, Angela Merkel sei jüdisch. Er behauptet, Hitler sei durch die geheime Hilfe von Zionisten an die Macht gekommen.

Ein anderer von Drews geladener Referent ist für seine Aussage bekannt, der Weg in den Ersten Weltkrieg sei „gekennzeichnet gewesen durch jüdische Interessen“.

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Jörg Drews selbst sagt, in einer multikulturellen Gesellschaft gingen Werte verloren. Dagegen engagiere er sich. Auf einer asylkritischen Demonstration erklärte er, es könne nicht der richtige Weg sein, „unser Volk einfach zu überschwemmen“.

So weit, so korrekt wiedergegeben. Umso gespannter war ich, was genau die Firma mit „gezielter Diskreditierung und Geschäftsschädigung“ meint. In ihrer Stellungnahme klagt Hentschke Bau über „falsche Sachzusammenhänge“, mit denen ich versucht hätte, das Unternehmen sowie „einzelne Repräsentanten zu diskreditieren“.

Hentschke Bau spendete an die AFD

Hatte ich etwa geschlampt? Ich ging noch einmal das Recherchematerial durch, und tatsächlich: In dem Artikel hatte ich einige Fakten weggelassen. Etwa die Spende, mit der Hentschke Bau die AfD bedachte. Die Tatsache, dass die Firma damit einer der beiden größten AfD-Spender im Bundestagswahljahr 2017 war. Oder dass Jörg Drews zu dem Referenten, der glaubt, der Weg in den Ersten Weltkrieg sei „gekennzeichnet gewesen durch jüdische Interessen“, eine enge, freundschaftliche Bindung unterhält.

Ob die Hentschke Bau GmbH wohl diese Versäumnisse im Sinn hatte, als sie über unseriöse Berichterstattung klagte?

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Der Anwalt der Firma hat sich tatsächlich beim Tagesspiegel gemeldet. In einem Fax fordert er Unterlassung und Schadenersatz. Der zentrale Vorwurf, den Hentschke Bau erhebt, wird auf mehreren Seiten ausgebreitet, mehrfach wiederholt, intensiv begründet. Er lautet ernsthaft: In meinem Artikel werde verschwiegen, dass die Firma neben Jörg Drews noch einen zweiten Geschäftsführer habe.

Natürlich kommt der Tagesspiegel diesen Forderungen nicht nach. Sie sind aber ein anschauliches Beispiel für eine um sich greifende Unsitte.

Marcel Polte beim erfolglosen Versuch, ein Stück Alufolie per Gedankenkraft zu bewegen.
Marcel Polte beim erfolglosen Versuch, ein Stück Alufolie per Gedankenkraft zu bewegen.

© Sebastian Leber

Im April berichtete ich über das von Xavier Naidoo verbreitete Verschwörungsmärchen, weltweit würden Kinder gefoltert, um in ihren Körpern das Stoffwechselprodukt Adrenochrom zu produzieren. Dieses diene „Satanisten“ wie Hillary Clinton als Verjüngungselixier. Ein Anhänger des Kinderquäl-Märchens ist der Bad Homburger Buchautor Marcel Polte. Der Mann glaubt auch an Ufo-Entführungen. Um zu untermauern, wie ernstzunehmen Polte ist, erinnerte ich an seine Behauptung, er besitze übersinnliche Kräfte. Zum Beweis versuchte Polte 2017 in einem Test vor Wissenschaftlern an der Universität Würzburg, durch bloße Gedankenkraft ein Stück Alufolie zu bewegen. Marcel Polte scheiterte krachend, hatte aber anschließend eine plausible Erklärung parat: Er habe zu Hause nicht richtig geübt.

Er wollte nicht Hypnosecoach genannt werden

Nach Erscheinen des Artikels meldete sich Marcel Polte beim Tagesspiegel und verlangte eine Gegendarstellung, drohte auch, sein Anliegen notfalls per einstweiliger Verfügung durchzusetzen. Was ihn störte, war nicht etwa die Anekdote, wie er sich bei seinem Gedankenkraft-Test blamierte. Dafür gibt es ja reichlich Zeugen. Nein, was ihn störte, war, dass ich ihn korrekterweise als „Hypnosecoach“ bezeichnet hatte.

Das Versprechen, vor Gericht zu gehen, hat Polte nicht gehalten. Vielleicht ist ihm in der Zwischenzeit eingefallen, dass er sich auf seiner eigenen Homepage selbst als Hypnosecoach bezeichnete. Oder dass im Werbetext zu einem seiner Bücher eben genau dies steht: dass Marcel Polte Hypnosecoach ist.

War das etwa eine Presseanfrage?

Unbeholfene Versuche, durch offensichtlich ungerechtfertigte Forderungen kritische Berichterstattung zu verhindern, kennen auch Kollegen anderer Redaktionen. Da war der Pressesprecher, der sich über ein Zitat von ihm beschwerte und behauptete, er habe die offizielle Anfrage des Journalisten ja gar nicht für seinen Arbeitgeber, sondern als Privatperson beantwortet. Da war der Unternehmer, der für die rechtsextreme Identitäre Bewegung eine Immobilie anmieten, die Berichterstattung darüber aber unbedingt stoppen wollte, weil er als Geschäftsmann ja per se unpolitisch sei. Da war der Glückscoach, der sich für einen TV-Beitrag vor der Kamera um Kopf und Kragen redete und hinterher der Journalistin vorwarf, sie habe ihn absichtlich schlecht dargestellt, das sei unfair.

Oft sind es Nebensächlichkeiten, gegen die Anwälte vorgehen. Oft sind es leere Drohungen, die einschüchtern und von einer Folgeberichterstattung abhalten sollen. Weil man weiß: da kommt nur Ärger auf einen zu.

Die Kollegen berichten allerdings auch von viel Rückhalt, den sie in ihren Reaktionen erfahren. Dass Gerichtsverfahren nicht mehr aus dem Weg gegangen wird, auch wenn diese lästig sind. Vielleicht ist das eine Reaktion auf die Lügenpresse-Schreier, die seit Jahren Stimmung machen gegen die verhassten „Mainstream-Medien“. Nicht die Drohgebärden entscheiden, was geschrieben werden darf, sondern der Rechtsstaat und das deutsche Presserecht.

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Von vielen, die drohen, hört man anschließend sowieso nichts mehr. Als der Berliner Senat am 14. März wegen Corona die sofortige Schließung der Gaststätten anordnete, hielten sich einige Läden nicht daran. Unter anderem das „Tier“ in der Neuköllner Weserstraße. Dort wurde weiter gefeiert, die Gäste saßen und standen eng beieinander. So berichtete ich es wahrheitsgemäß.

Ein paar Tage später schrieb der Anwalt des Inhabers, unsere Berichterstattung sei „schlichtweg falsch und entspricht nicht der Wahrheit“. Er verlangte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sowie eine Gegendarstellung – mit einer atemberaubenden Argumentation: Im „Tier“ sei gar nicht gefeiert worden, es seien „lediglich Cocktails und andere Getränke getrunken worden“. Außerdem sei die Bar „kaum gefüllt“ gewesen.

Blöd für das „Tier“ war allerdings, dass ein Video von dem Abend existiert. Es zeigt etwas anderes.

Marcel Polte, den Hypnosecoach, der nicht „Hypnosecoach“ genannt werden möchte, habe ich kürzlich noch einmal angemailt. Seine Ankündigung rechtlicher Schritte ist schließlich schon mehr als zwei Monate alt. Ich fragte Polte, ob da noch etwas komme und ob er diese Masche – mit rechtlichen Schritten drohen und es dann doch sein lassen – öfters praktiziere. Er hat nicht geantwortet.

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