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Unter Verdacht. Die Ermittler Bibi Fellner (Adele Neuhauser), Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und die Obdachlose Tina Kranzinger (Maya Unger, rechts).

© ARD Degeto/ORF

Der „Tatort“ aus Wien: Unten empathisch, oben simpel

Horror aus Wien: Ein „Tatort“ im Obdachlosen-Milieu, das von finsteren Mächten heimgesucht wird.

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Zumindest im Film sind Typen, die hinter jedem Baum eine Verschwörung wittern, noch unterhaltsame Figuren. Denn die von allen belächelten Außenseiter, die gegen immense Widerstände kämpfen müssen, erweisen sich in der Fiktion meist als die wahren Helden, weil sie tatsächlich einen Skandal ans Tageslicht bringen. Die Wiener „Tatort“-Folge „Unten“ fußt auf diesem bewährten Konzept, wählt aber die tragische Variante, in der der Außenseiter, der zum Held hätte werden können, leider schon zu Beginn als Leiche geendet ist.

Der obdachlose Gregor Aigner, der da tot in einer alten Gewerbehalle gefunden wird, arbeitete einst als Journalist und war auch Informant von Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser). Bis er anfing zu trinken, Geschichten immer häufiger ausschmückte und irgendwann frei erfand, wie sich die einst dem Alkohol auch nicht abgeneigte Ermittlerin erinnert. Fellner hat ein schlechtes Gewissen, weil sich Aigner kurz vor seinem Tod nach Jahren wieder bei ihr meldete. Aber weil sie in Zeitdruck war und Aigner „wirres Zeug“ erzählte, wimmelte sie ihn ab.

Nun hat ihn also jemand aus großer Höhe in die Tiefe geschubst. In Verdacht gerät die ebenfalls obdachlose Tina (Maya Unger), der Aigner die Lebensversicherung überschrieben hatte und von der Aigners erzürnte Ex-Frau Isabella (Bettina Ratschew) sagt, sie habe ihn um den Finger gewickelt. Tinas aufbrausender Freund Indy (Michael Steinocher) könnte wiederum eifersüchtig geworden sein. Außerdem hatte Aigner Streit mit einem anderen Obdachlosen. Aber vielleicht geht es auch um Drogen oder Medikamenten-Missbrauch, denn in Aigners Unterschlupf (aber nicht in seinem Blut) werden jede Menge Pillen mit Suchtpotenzial gefunden. Das geübte „Tatort“-Publikum weiß natürlich, dass erst einmal eine Reihe falscher Spuren gelegt werden müssen, insofern zieht sich die erste Film-Hälfte ein bisschen.

Fellner und Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) sind diesmal ein Team, das weniger durch ortstypischen Schmäh oder Kabbeleien unter Freunden unterhält, sondern weil es im Gegenteil gut harmoniert. Die Beiden gehen die rotzig-frechen Punker Tina und Indy zum Teil hart an, aber wenn Polizisten eine Aussage nicht ernst nehmen, nur weil die von einer Obdachlosen stammt, können sie auch sehr ungehalten werden. Und so gibt es einige herzerwärmende Szenen, in denen sich Eisner und Fellner als aufmerksame und aufrechte Ermittler erweisen, die denen ein Ohr leihen, die sonst von niemandem gehört werden.

Wie im Fall der „Sackerl-Grete“, einer alten, verwirrt wirkenden Obdachlosen, die eine Entführung beobachtet haben will – eine Figur, die von Inge Maux sehr lebendig und empathisch gespielt wird. Erfrischend dann auch die Szene im Büro des Polizeichefs Ernst Rauter (Hubert Kramar), der gar nicht zu Wort kommt, weil Eisner und Fellner die üblichen Zurechtweisungen einfach selbst formulieren und sich dabei gekonnt die Bälle zuwerfen.

In einer parallelen Handlung bittet eine junge Mutter (Sabrina Reiter) mit ihrem Sohn um Aufnahme in einer Einrichtung namens „Lebensraum“, in der auch Aigner zeitweise ein Zimmer bewohnte und in der Indy Hausverbot hat, weil er dort mit Drogen handelte. Franz Zanger (Michael Pink), der freundliche „Lebensraum“-Leiter, schickt Mutter und Kind zum obligatorischen Bluttest in einer Privatklinik bei der freundlichen Ärztin Dr. Steiner-Reeves (Jutta Fastian).

Was das mit dem Mordfall zu tun hat, bleibt vorerst offen, doch im letzten Drittel nimmt die Geschichte an Fahrt auf. Ein weiterer Toter ist zu beklagen, Aigners „Geheimbüro“ wird gefunden und dessen Behauptungen erweisen sich natürlich keineswegs als abstruses Hirngespinst. So erscheint manche Wendung vorhersehbar, dennoch steigt die Spannung, denn am Ende geht es um Leben und Tod.

Die österreichische „Tatort“-Folge greift ein düsteres Thema auf, das im Thriller- und Horror-Genre schon länger zu Hause ist und durchaus auch reale Bezüge aufweist. Die finsteren Mächte im Hintergrund bleiben jedoch anonym und abstrakt. Zumindest das „Oben“ in „Unten“ ist also konsequenter Weise auf eine Weise gestrickt, die für Verschwörungsmythen typisch ist: simpel.

„Tatort: Unten“, ARD,

Sonntag, 20 Uhr 15

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