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Noch kein eingespieltes Team. Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler, l.) und Anais Schmitz (Florence Kasumba) haben auch privat ein Problem.

© NDR/Frizzi Kurkhaus

„Tatort“ mit Maria Furtwängler: Weiblich, jung, rassistisch

Die Neue Rechte und die Frauen – der neue „Tatort“ mit Maria Furtwängler und Florence Kasumba versucht sich als Polit-Krimi.

Im Göttinger Stadtwald wird die Leiche einer jungen Frau gefunden: Marie Jäger (Emilia Schüle) war eine Aktivistin der „Jungen Bewegung“, wetterte im Videoblog „National feminin“ gegen Einwanderer und den „alten Feminismus mit seinem Gender-Irrsinn“. Nun wurde sie mit einem Messer getötet, und weil sie vor Wochen bei der Polizei einen unbekannten Stalker angezeigt hatte, hat die rechte Szene neues Futter für ihre Verschwörungs-Hetze im Netz.

Am Abend des turbulenten „Scheiß-Tags“, den Kommissarin Anais Schmitz (eindrucksvoll: Florence Kasumba) schon am Morgen kommen sah, summiert sich die Schreckensbilanz auf: zwei Tote, ein Verletzter und eine aufgeheizte Stimmung. Obendrein entzieht der Generalstaatsanwalt den Kommissarinnen Schmitz und Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) den Fall. Daheim ist auch Lindholms kleiner Sohn besorgt: „Diese Faschos, die kriegt ihr doch in den Griff, oder?“ „Ich hoffe es“, antwortet Lindholm, klingt aber nicht wirklich überzeugt.

Der „Tatort“ widmet sich nicht zum ersten Mal der Neuen Rechten. Anja Kling etwa spielte 2017 in „Dunkle Zeit“ die Vorsitzende einer rechtspopulistischen Partei. In „National feminin“ greift das Drehbuch von Florian Oeller (nach einer Vorlage von Daniela Baumgärtl) noch differenzierter die Rolle von Frauen in der Szene auf.

Die selbstbewusste, eloquente Marie ist eine modern wirkende junge Frau, die in einer WG mit gleichaltrigen Gesinnungsgenossen lebt – allesamt keine tumben Neonazis, sondern Studenten mit besten Kenntnissen im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit.

Marie arbeitete außerdem als persönliche Assistentin für die prominente Jura-Professorin Sophie Behrens (Jenny Schily), die von einer „Ikone der Frauenbewegung“ (Lindholm) zum Vorbild der „Jungen Bewegung“ geworden ist, weil sie feministische Thesen kritisiert, die Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen und Quotenregelungen anzweifelt.

„Dieser Film gehört den Frauen“

Nun soll Behrens Richterin am Bundesverfassungsgericht werden, weshalb sie bei einer Diskussion an der Uni von ihrem Professoren-Kollegen Bernhard Noll (Stephan Bissmeier) als „Gefahr für die Demokratie“ bezeichnet wird. Marie Jäger vereitelt im voll besetzten Hörsaal am Vorabend ihrer Ermordung einen Farbbeutel-Anschlag, der linke Aktivist flüchtet.

„Dieser Film gehört den Frauen“, sagt die Schauspielerin Maria Furtwängler und nennt es „schön, dass sich alle Frauen einer eindeutigen Zuschreibung entziehen“. Das trifft insbesondere auf die von Jenny Schily großartig gespielte Professorin zu. Eine eigenwillige, auch etwas widersprüchliche Figur, intelligent, ironisch, selbstbewusst.

Eine Frau, zu der es nicht passt, sich vereinnahmen zu lassen. Überdies ist Sophie Behrens mit Eva (Heike Trinker), ihrer Anwältin, verheiratet, was Assoziationen in Bezug auf eine führende AfD-Politikerin weckt, aber Jenny Schily spielt die Professorin ganz und gar ohne jede Alice-Weidel-Attitüde. Kontrovers und konzentriert sind die klasse Dialog-Szenen mit Maria Furtwängler (Regie: Franziska Buch).

Während es dabei um Emanzipation und das Selbstbild der Frauen geht, schlägt Kommissarin Schmitz purer Rassismus entgegen. Sie lässt sich nicht provozieren, verbittet sich auch die Einmischung ihrer Kollegin und kontert den Hass mit einem Zitat des 2007 ermordeten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink („Wenn du deine Identität nur durch ein Feindbild aufrechterhalten kannst, ist die Identität eine Krankheit“).

Die beiden Kommissarinnen wachsen in ihrem dritten gemeinsamen Film zu einem Team zusammen. So waren sich aber in der erst kürzlich ausgestrahlten vorigen Folge Lindholm und Schmitz’ Ehemann, Rechtsmediziner Nick (Daniel Donskoy), nahegekommen.

Nun kämpft die Kommissarin mit Liebeskummer. Die polizeiliche Dreiecksgeschichte bleibt in diesem aufwühlenden und spannenden Fall über Männergewalt und die weibliche Seite der Neuen Rechten nur eine Randnotiz. Die Handlung nimmt allerdings eine etwas simple, nahezu kitschige Wende („Tatort – National feminin“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15).

Aber vielleicht braucht es jetzt die naive Hoffnung, dass die Liebe den Hass mit wenigen Sätzen und einem einzigen Lächeln überwinden kann.

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