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Hervorragende Quote. Fünf Millionen Zuschauer verfolgten am Sonntag die Talkshow von Günther Jauch.

© dpa

Die Akte Kohl bei "Günther Jauch": Wenn Edmund Stoiber moralisch wird

Wem gehört die Helmut-Kohl-Geschichte? Die Talkrunde bei "Günther Jauch" war sich nur in einem Punkt einig - in der Uneinigkeit. Auch deswegen war der Talk überaus zäh.

Es galt bereits vor Sonntagabend als ausgemacht, dass der "Tatort" mit Ulrich Tukur einer der besten seiner Art sein wird und der Talk mit Günther Jauch mal wieder einmal ein Tiefpunkt des Formats. Immerhin beim "Tatort" stimmte die Prognose. Bei Jauch, in diesem Fall, leider auch.

Es ging um dieses Buch, über das angeblich seit einer Woche Deutschland diskutiert, das Buch mit den so genannten „Kohl-Protokollen“, in dem der Altkanzler seinem Ghostwriter Heribert Schwan vor über zehn Jahren allerlei mittelmäßige Beleidigungen ins Aufnahmegerät diktiert hatte. Am vergangenen Montag machte der „Spiegel“ daraus tatsächlich eine Titelgeschichte – was aber vielleicht mehr über den momentanen Zustand des „Spiegel“ aussagt, als über die tatsächliche Brisanz der so genannten Protokolle. Warum dann also Günther Jauch zu dem Thema eine Talkshow machen wollte, verblüfft – und zwar auf mehreren Ebenen.

Zunächst kann man nach einem so fulminanten „Tatort“, der diesmal vor Jauch lief, nur scheitern. Vor allem dann, wenn es bei Ulrich Matthes und Ulrich Tukur um Rache und um Erinnerungen geht. Wenn es bei Heribert Schwan um Rache geht, dann sieht das sofort klein und jämmerlich aus – und klein und jämmerlich war dann auch der gesamte Talk, der damit begann, dass sich Schwan und der Kohl-Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner juristische Spitzfindigkeiten zuwarfen, auf die nicht einmal Edmund Stoiber große Lust hatte. Der CSU-Politiker argumentierte ausschließlich moralisch, und wenn Stoiber in einer Talkshow der mitreißendste Gast ist, dann hat die Jauch-Redaktion entweder falsch eingeladen – oder eben das Thema taugt nicht. Aber offenbar ging man in der Redaktion tatsächlich davon aus, dass es sich bei den Protokollen um „historische Dokumente“ handeln würde; und man hoffte wohl, dass Nikolaus Blome das unterstreichen könnte. Blome ist Mitglied der Chefredaktion beim „Spiegel“, sein Wechsel von „Bild“ zu dem Nachrichtenmagazin galt vielen als interessant, was jetzt noch defensiv formuliert ist. Blome sollte wohl erklären, warum sein Blatt diese Titelgeschichte gemacht hat, warum das alles wichtig ist – aber Blome betonte, dass da halt ein Publikumsinteresse sei, deshalb habe man die Geschichte gemacht. Nur zart unterstrich er, dass er die Geschichte unbedingt haben wollte, dass sie relevant sei – Blome wirkte seltsam distanziert in dieser Runde, in der vor allem Heribert Schwan verstörte. Ihm kämen die Tränen, wenn er sehen müsste, Kohl bei der Frankfurter Buchmesse „in die Öffentlichkeit gezehrt wurde“. Ach, Gottchen. Was genau, Herr Schwan, haben Sie mit ihrem Buch noch mal gemacht?

Die Frage stellte ihm aber niemand, es schien fast so, als hätte niemand Lust, sich mit Schwan zu unterhalten, Jauch auch nicht so richtig, das machte die Sendung sehr zäh. Das – und die Tatsache, dass man niemanden so wirklich sympathisch finden konnte: Brigitte Seebacher, die Witwe von Willy Brandt, fand und findet alles ganz furchtbar – obwohl sie doch ähnliches in den 90er Jahren mit ihrem Buch über Willy Brandt gemacht hat.

Und Jauch? Der tat gut daran bisweilen so amüsiert zu schauen, dass man seine Verachtung für dieses Theater ahnen konnte. Vielleicht aber war er auch nur froh darüber, dass er am kommenden Sonntag wieder über ein vernünftiges Thema reden kann. Allerdings läuft dann ein "Polizeiruf 110" von Dominik Graf vor ihm. Das Leben kann manchmal sehr ungerecht sein.

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