
© © Bison Archives Arte
Wer ist Anthony Hopkins?: Der liebenswürdige Bad Guy
Eine Arte-Dokumentation durchleuchtet die vielschichtige Persönlichkeit von Sir Anthony Hopkins.
Stand:
Eigentlich ist er ja nur 16 Minuten im gesamten Film zu sehen. Doch die haben es in sich. Mit seiner Darstellung des kannibalischen Killers in „Das Schweigen der Lämmer“ – dem schlimmsten Bösewicht seit Norman Bates in „Psycho“ – schrieb Anthony Hopkins Filmgeschichte. Über 30 Jahre stand er schon vor der Kamera. Julia und Clara Kuperberg, bekannt für ihre Star-Porträts, blicken zurück auf Leben und Werk eines walisischen Bäckersohns, der es mit Mitte 50 noch zum charismatischen Charakterdarsteller des Hollywoodkinos brachte.
Danach sah es zunächst nicht aus. Der spätere Publikumsliebling hatte keinen guten Start. Er war ein schlechter Schüler: „Ich war einfach dumm. Ich verstand überhaupt nichts.“ Entsprechend steinig verlief der Werdegang des jungen Anthony. Nach dem Militärdienst schaffte er 1961 immerhin die Aufnahme an die Royal Academy of Dramatic Art in London. Vier Jahre später entdeckte ihn der legendäre Sir Lawrence Olivier, dessen Zweitbesetzung am Royal National Theatre er wurde. („Hannibal Hopkins & Sir Anthony“, Arte, Sonntag, 22 Uhr 05)
Das Theater war nicht seine Welt. „Ich wollte kein großer Shakespeare-Schauspieler werden. Ich wollte nicht mein Leben lang in Strumpfhosen auf der Bühne stehen.“ Also wagte er mit 37 noch den Sprung nach Hollywood. Das wäre beinahe schiefgegangen. Seit geraumer Zeit schon war Hopkins schwerer Alkoholiker.
Eine Krankheit, die er überwand – mit der er allerdings noch immer kokettiert: „Ich liebe Trinker, das sind die Besten“, sagte er einmal über Peter O’Toole, der ihm bei seiner Karriere behilflich war.
Zunächst aber geriet Anthony Hopkins in einen destruktiven Sog. Der launische Brite galt als unzuverlässig. Er brach Dreharbeiten ab. Wäre ihm nicht irgendwann der Durchbruch als Schauspieler gelungen, dann „wäre ich kriminell geworden“. Zum Schlüsselfilm wurde der heute eher unbekannte Thriller „Magic – Eine unheimliche Liebesgeschichte“ aus dem Jahr 1978. Hopkins brilliert in der Rolle eines Bauchredners, der Stimmen hört und Angst davor hat, dass andere von seiner Persönlichkeitsstörung erfahren.
Jetzt kann ich auch schlechte Filme machen, egal.
Anthony Hopkins
Erstmals blitzt hier jenes diabolische Funkeln auf, das den Briten so einzigartig macht. Die Rolle des Arztes in David Lynchs Meisterwerk „Der Elefantenmensch“ rückte Hopkins schließlich in den Fokus von Jonathan Demme, der die Rolle des Serienmörders Hannibal Lecter mit ihm besetzte.
Dieser Thriller wurde stilbildend. Hopkins spielte den irren kannibalischen Killer eben nicht als Verrückten. Im Gegenteil, er betonte seine vernünftige, seine zivilisierte – ja distinguierte – Seite. Nur einmal, wenn er dieses fauchende Zischen von sich gibt, bricht das animalische Monster durch.
Hopkins machte diesen Bösewicht mit der Sensibilität eines Psychoanalytikers zur Ikone. Der Academy Award als Bester Hauptdarsteller, mit dem er 1992 für diese Leistung geehrt wurde, war eine große Erleichterung: „Ich nahm den Oscar und dachte: Jetzt kann ich auch schlechte Filme machen, egal.“
Von denen gibt es einige. Für seine Auftritte in mäßigen Filmen, unter anderem in „Jahreszeiten einer Ehe“ von 1981, wurde er mehrfach als schlechtester Schauspieler für die Goldene Himbeere nominiert.
Er war Adolf Hitler in „Der Bunker“ (1981) und Quasimodo in „Der Glöckner von Notre Dame“ (1982). Manche dieser Rollenangebote nahm er nur an, weil er Angst hatte, dass ein anderer die Rolle bekam. In besseren Filmen wie Oliver Stones „Nixon“ von 1995 verlieh er dem gefallenen US-Präsidenten eine unnachahmliche Intensität. Unvergessen ist die Rolle des allzu perfekten Butlers im Drama „Was vom Tage übrig blieb“.
Mit üppigem Archivmaterial sowie zahlreichen Film- und Talkshowausschnitten, in denen der zweifache Oscarpreisträger offen über die Schattenseiten seines Lebens spricht, entwirft die Dokumentation ein komplexes Mosaik über den liebenswürdigen Bad Guy. 1993 adelte die Queen ihn sogar mit dem Ritterschlag. Freunde hat er nicht viele. Wie er die Einsamkeit auf dem Gipfel des Ruhms erträgt? Mit „einem Psychiater und einem Tritt in den Hintern“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: