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Deutsch-amerikanische Zusammenarbeit: Die Berliner Kommissarin Elsie Garten (Nina Hoss) will zusammen mit dem New Yorker Cop Max McLaughlin (Taylor Kitsch) der Gangsterbande des „Engelmachers“ das Handwerk legen.

© ZDF/Stanislav Honzik

ZDF-Vierteiler „Schatten der Mörder – Shadowplay“: Menschen im Zwielicht

Der Thriller „Schatten der Mörder – Shadowplay“ mit Nina Hoss und Sebastian Koch erzählt zugleich vom Berlin des Nachkriegsjahres 1946.

Berlin im Jahr 1946. Eine Stadt in Anarchie, 200 000 Vergewaltigungen, 3000 Morde, und das, wo Berlin mit Militär vollgestopft ist: Amerikaner, Briten, Franzosen und Russen haben die Stadt viergeteilt. Jede Besatzungsmacht hat ihre eigenen Interessen, da nimmt es nicht Wunder, dass der amerikanische Vizekonsul Tom Franklin (Michael C. Hall) Altnazis unterstützt, um im Gegengeschäft gestohlene Kunstgegenstände zu kassieren. Franklins offizieller Auftrag ist es, die Sowjets zu kontrollieren.

Deren Statthalter Alexander Izosimov (Ivan Gvera) tut nichts anderes, dabei wirft er ein scharfes Auge auf den Plan der Amerikaner, eine deutsche Polizei nach dem Vorbild des NYPD aufzubauen. Das ist die Aufgabe des New Yorker Cops Max McLaughlin (Taylor Kitsch), der die Sache erst mit Idealismus, dann mit deutlichem Realismus angeht. Die prospektive Polizeitruppe ist unausgebildet, kämpft mit Tischbeinen, weil die Deutschen keine Waffen besitzen dürfen. Angeführt wird sie von Kommissarin Elsie Garten (Nina Hoss). Die Polizistin hat wie so viele andere im Nachkriegs-Berlin eine private Agenda laufen: Sie will ihren Mann Leopold (Benjamin Sadler) aus einem sowjetischen Internierungslager herausholen.

[„Schatten der Mörder – Shadowplay“, Freitag, ZDF, 20 Uhr 15]

Jeder der Protagonisten in der vierteilig ausgestrahlten Thrillerserie „Schatten der Mörder – Shadowplay“, eine internationale Produktion mit Beteiligung des ZDF und des französischen Canal+, hat Schatten, die ihn jagen. Max hat einen Bruder, Moritz (Logan Marshall-Green), der Naziverbrecher erbarmungslos zur Strecke bringt. Quasi nach dem Vorbild des Kinderbuchs verübt er einen tödlichen Streich nach dem anderen. Max will Moritz stoppen, Moritz erinnert ihn an ein Versprechen aus gemeinsamen Kindheitstagen – Max soll mit ihm auf Rachefeldzug gehen. Max vs. Moritz – nicht das einzige Duell im Spiel der Mächte und Kräfte.

Erzählte Zeitgeschichte

Da ist noch der „Engelmacher“ (Sebastian Koch), ein skrupellosen Gynäkologe, der vergewaltigten Frauen hilft und sie damit für seine Gangsterbande im Untergrund rekrutiert. Ihn wollen Max und die deutsche Kommissarin stellen. Die Kämpfe, Zweikämpfe, Grabenkämpfe treiben die Geschichte nach dem Drehbuch von Måns Mårlind („Die Brücke“) voran, der zusammen mit Björn Stein auch Regie führt. Aber es ist längst nicht die Story aus Blut, Schweiß und Tränen, die die achtmal 60 Minuten zum Primetime-Highlight machen. Es ist die Zeitgeschichte, die miterzählt wird, die Geschichte der großen, zerstörten Stadt Berlin, gleichermaßen Terrain und Symbol unversöhnlicher, widerstreitender Interessen und Wertesysteme. „Shadowplay“ entwickelt da eine farbige Eindringlichkeit, wie sie 1949 „Der dritte Mann“ in Schwarz-Weiß ausstrahlte. Szenenbild (Niels Sejer/Martin Vackár) und Kostümbild (Michaela Horáckova-Horejši) imprägnieren das Geschehen in der Stunde eins mit auffälliger Authentizität.

Die Hauptfiguren sind sorgfältig konturiert, mehrfach rücken Kamera und Regie ihnen auf den Leib, illustrieren ihre Gedankenwelt. Der Zuschauer soll Max und Moritz und Elsie verstehen, er muss nicht billigen, was sie tun, aber als Grundlage für das eigene Urteil im Pro und Contra begreifen. Die Dramaturgie schiebt die Handlung mächtig an, doch in der Inszenierung von Innenräumen und Innenwelten bekommt das Ensemble alle Möglichkeiten, die Figuren in Licht und Schatten zu bereichern, zu sättigen.

„Schatten der Mörder – Shadowplay“ setzt auf Action und Thrill, keine Frage, im Kern aber wird die Frage verhandelt, was vom Krieg übrig bleibt, was er aus Menschen macht. Ob sie für sich und andere eine Zukunft aufbauen können, quasi auferstanden aus Ruinen, oder ob die Vergangenheit sie für immer beherrschen und damit weiter zerstören wird. Menschen im Schatten, Menschen im Licht – Menschen im Halbschatten, Menschen im Zwielicht.

Prägnanz und Präzision

Die Regisseure Marlind und Stein suchen Prägnanz und Präzision, während zugleich Figuren und Handlung nicht übertunt wirken. Die Fragen, die sich ergeben, werden bei aller Actionbetonung seriös bearbeitet. Kein Geschichts-Pop, keine Fiktion im Superschwergewicht: Nicht Batman gegen Superman, sondern Max und Elsie gegen Moritz und den „Engelmacher“, so lautet die Spielaufstellung.

Dieser Zug zum Wahren im Wahrscheinlichen zeigt sich auch in der Besetzung. Cop Max und Nazijäger Moritz werden von den amerikanischen Schauspielern Taylor Kitsch und Logan Marshall-Green, die Kommissarin Elsie und „Al Capone“ Gladow von Nina Hoss und Sebastian Koch verkörpert; eine weitere gelungene Maßnahme, um Nähe zu stimulieren.

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Die Produktion stößt in eine Lücke. Die Jahre nach dem Kriegsende und bis zur Gründung von Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik 1949 sind vom Bildermedium sehr selten unter einer kritischen Perspektive behandelt worden. „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte 1946 blieb mehr oder weniger ein Unikat, vielleicht war den Deutschen die Gegenwart zu nahe und zu bedrängend, als dass sie sie nochmals im Film gespiegelt sehen wollten.

Dabei steckt in diesen Jahren die vielfach und individuell gestellte Frage, was die nächsten Jahre bringen sollen: einen Neuanfang, eine bessere Welt oder den bloßen Profit aus der untergegangenen? Das gibt dem Thriller packende Momente von Spannung und Überraschung. Und Berlin, das kriegszerstörte Berlin mit seinen verstörten und verstörenden Bewohnern, drückt dem Geschehen jene Emblematik auf, die Kennzeichen der Stadt im überhitzten Sommer 1946 war.

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