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Gewechselt von Dazn zum ZDF: Per Mertesacker

© imago images/DeFodi

Fußball-Experten: Zeugen Yeboahs

Man hat sich über die Jahre an sie gewöhnt: die TV-Experten. Warum eigentlich? Und: Was Per Mertesacker als neuem ZDF-Mann zu wünschen ist.

Es gibt Dinge, die es wohl geben muss, weil es sie gibt. Fußball-Experten im Fernsehen zum Beispiel. Das letzte Live-Spiel, das nicht von einem Experten begleitet wurde, gab es tief in den 1980ern, wahrscheinlich war es sogar bei der WM 1978. Das kann aber auch täuschen. Danach kamen sie alle ins Fernsehen, die Fußballwelterklärer, die Günter Netzers, die Mehmet Scholls, die Lothar Matthäus, die Oliver Kahns, irgendwo fand sich immer auch ein kleinerer Sender, der Verwendung für Mario Basler oder Olaf Thon hatte. Mit Per Mertesacker zieht nun beim ZDF ein neues Gesicht in die illustre Galerie all der Weltmeister und Europameister ein, mit der sich die Sender schmücken, an die man sich so gewöhnt hat.

Wozu Experten? Das fragt sich also niemand mehr, außer zuletzt bei der Übertragung des Champions-League-Finals, als sich das ZDF nach dem Abgang von Oliver Kahn Sandro Wagner als Verstärkung holte und einen veritablen Zuschauer-Proteststurm abbekam. Wagner legte mindestens so viel Selbstbewusstsein an den Tag wie der Mann, den man „Torwart-Titan“ nennt.

Thomas Broich hat an der Seite von Jérôme Polenz im Ersten mit Videoclips Maßstäbe gesetzt

© dpa

Per Mertesacker ist da von anderer Sorte. Sein erster ZDF-Einsatz ist für Donnerstag beim Nations-League-Spiel Deutschland gegen Spanien in Stuttgart geplant. Der 35-Jährige soll außerdem Spiele der Fußball-Bundesliga und der Fußball-EM 2021 analysieren. Er sei kompetent, authentisch und passt mit seiner gradlinigen Art ideal zum ZDF-Sport, so ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann. Mertesacker sei ein ausgezeichneter Kenner des nationalen und internationalen Fußballs.

Dieser sagte, er freue sich auf diese neue Herausforderung: „Ich hoffe, die Fußball-Berichterstattung im Zweiten mit meiner Erfahrung und meinem Wissen ein Stück weit bereichern zu können.“ Der gebürtige Hannoveraner hat mehr als 100 Einsätze für die DFB-Auswahl bestritten und wurde 2014 Fußball-Weltmeister.

Von 2011 bis 2018 stand er beim FC Arsenal in der Premier League unter Vertrag. Inzwischen leitet er die Nachwuchsakademie des Londoner Vereins. Zuletzt war er bei Dazn unter Experten-Vertrag und hat dort gezeigt, das TV-Expertise von Ex-Fußballern durchaus mehr sein kann als prominentes Namedropping. Gradlinigkeit muss nicht von oben herab kommen, wie öfters mal bei Oliver Kahn.

Mertesacker ist grundverständig, eher einer vom Schlage Thomas Broich, der, an der Seite von Jérôme Polenz, mit seinen Taktik-Videoclips („Wir sind Zeugen Yeboahs“) im Ersten den schmissigen Kritiker Mehmet Scholl hat fast vergessen lassen. Scholl hat inzwischen übrigens bei „Bild live“ angeheuert.

Nicht mehr beim ZDF: Oliver Kahn

© imago/Agentur 54 Grad

Mertesacker war auch mal schmissig. Nach dem müden Achtelfinalspiel des deutschen Teams bei der WM 2014 gegen Algerien reagierte Mertesacker auf die von ZDF-Reporter Boris Büchler geäußerte Kritik ungehalten. Er kanzelte diesen live ab. Jede Frage nach der Qualität des deutschen Spiels erschien ihm als Majestätsbeleidigung. Als die beiden aus dem Bild waren, brüllte Mertesacker die DFB-Pressesprecher an: „Unfassbar, was der Kerl sich erlaubt. Unfassbar!“ Es folgte ein starkes Echo in sozialen Netzwerken. Eine Ausnahme. Ansonsten blieb Mertesacker lautsprechermäßig erfreulich unauffällig.

Von der ARD später zu "Bild live": Mehmet Scholl

© imago images/ActionPictures

Wozu Experten also? Mindestens auch für diese starken Echos. Außerdem: Die Moderatoren Matthias Opdenhövel (ARD) oder Katrin Müller-Hohenstein (ZDF) können schließlich nicht mit sich selber reden. Zu wünschen wäre von diesen allerdings, über die reine Stichworteingabe hinaus, manches kritische Wort mehr, anstelle der – hochdotierten – Expertenmeinung am Pult gegenüber. Gegen jene Tendenz, die journalistische Distanz durch Identifizierung mit der Mannschaft zu ersetzen. Fußballer, auch Ex-Fußballer, sind keine Journalisten.

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