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Klaus Bertoluzzi

© privat

Nachruf auf Klaus Bertoluzzi: Hatte sie die Idee oder er?

Groß war er, doch man nahm ihn nicht allzu schnell wahr. Dabei war er es, der die Fäden zog

Der „Sommernachtstraum“ war schuld. Denise sollte die Kostüme anfertigen, Klaus die Bühnenfotografie übernehmen. Es war eine dieser kleinen Berliner Theaterproduktionen, viel Herz und Ehrgeiz, wenig Geld und Ehre. Zusammen fuhren die beiden mit dem Fahrrad auf den Flohmarkt und suchten nach Kostümen und Requisiten. Wenn er auf Proben fotografierte, begleitete sie ihn. Leicht und ungezwungen fühlte sich das zwischen ihnen an. Klaus war groß und schlank und auf eine Art ruhig und besonnen. Ganz anders als sie, die auch mal laut und dramatisch werden konnte. Da entwickelte sich etwas, das spürte Denise. Vor 30 Jahren war das.

Heute steht Denise alleine in ihren Laden, eine Mischung aus Büro, Werkstatt und Kunstgalerie, mitten in Neukölln. Sie hat ihren Schreibtisch rechts, Klaus hatte seinen auf der linken Seite, gleich am Fenster. Nachbarn grüßten, Kinder winkten und drückten ihre Nasen an die Fensterscheibe. Manchmal traute sich eins herein und fragte, ob es auf seinem blauen Sitzball hüpfen durfte. Klaus nahm die Pakete für alle Nachbarn entgegen. Er wechselte die kaputten Glühbirnen im Flur und kümmerte sich um die Hoffeste. Er fehlt.

„Die ersten sieben Jahre stritten wir viel, über Politik, Kunst, Persönliches“, sagt Denise. „Aber eigentlich stritt ich mit ihm.“ Sie musste herausfinden, testen, ob sie ihm vertrauen konnte. „Bis ich wusste, dass Klaus nicht versuchen würde, mich zu verändern.“

Ausstellungen in New York

Klaus hatte ewig studiert, war Taxi gefahren, hatte sich mit seiner ersten Liebe in die Berliner Theaterszene gestürzt. Anfang der 90er war er endlich Landschaftsarchitekt und Mitglied der Architektenkammer. Wenn er sich an Wettbewerben beteiligte oder für Zeitschriften Bilder von Gärten entwarf, kolorierte Denise seine Zeichnungen. Wenn sie wiederum Kunstprojekte hatte, half er ihr. Baute, organisierte und transportierte. Einmal gruben sie zwei bereits gekürzte Bäume aus, stellten sie verkehrt herum auf, mit den Wurzeln in die Luft, hängten einen Stein in die Mitte, es sah aus wie ein Herz. Sie nannten es „die Umarmung“. Seine Straßenfotos druckte sie auf Tischtücher und stickte kleine Figuren hinein. Dreimal waren seine Fotos in New York ausgestellt. Gemeinsam fuhren sie hin. All das brachte nur wenig Geld, doch gemeinsam hielten sie sich über Wasser.

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Hatte sie die Idee oder er? Neukölln war billig, Läden standen leer. Wie wäre es, wenn sie Ladenlokale anmieteten, dort Künstler ausstellen ließen und Führungen von Schau zu Schau organisierten? Anfang 2000 war das, es gab Fördertöpfe. Hunderte kamen, Zeitungen schrieben. Schließlich machten die beiden ihre eigene Galerie auf, die auch ihr Büro wurde.

Eine Freundin beschreibt es so: Immer war es Denise, die man als erstes sah, offen und lebendig. Erst nach einer Weile nahm man dann auch den spargellangen Klaus hinter seinen Computerbildschirmen wahr, die Brille auf der Nasenspitze, die blaugrauen Augen, die Schmunzelfalten. Irgendwann verstand man, dass er es war, der da im Hintergrund die Fäden zog.

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Klar fuhr er Künstlern das Material für die Installation auch mal nach Hamburg. Klar half er beim Videoschnitt oder bei der Plakatgestaltung. Einmal sollte ein Beatles-Stück aufgeführt werden, Klaus bestand darauf, bei Sony nach den Rechten zu fragen, sekundengenau. „Wenn man mauschelt, verliert man die Kontrolle!“ Sie bekamen die Erlaubnis. Er war ziemlich anders als die Künstler, für die er arbeitete. Für den Verband Deutscher Puppentheater übernahm er die Büroarbeit, erklärte Förderrichtlinien und Betriebswirtschaft. Natürlich war Klaus auch im Bürgerrat des Quartiersmanagements, im Kulturnetzwerk Neukölln und im Verein des Puppentheatermuseums.

Es schmerzte ihn, dass es mit der Landschaftsarchitektur nie so richtig geklappt hatte. Das Geld für derlei war schon immer knapp, Corona und der Lockdown machten es nicht besser. Aber er hatte ja Denise, und Denise hatte ihn, und dann ging das Leben ja wieder los. Doch eine Leukämie mischte sich ein. Drei Monate hielt sich Klaus am Leben. Seinen letzten wachen Moment erlebte er im Mai bei sich zu Hause, in den Armen von Denise. „Das Gefühl, nicht mehr mit ihm reden zu können. Ihn nicht mehr riechen zu können, dass sein Körper nicht mehr da ist, ist schwer auszuhalten“, sagt sie.

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