zum Hauptinhalt
Der Stacheldrahtzaun an der Außenmauer des Konzentrationslagers ist während der zentralen Gedenkfeier zum 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau zu sehen. (Archiv)

© dpa/Matthias Balk

NS-Vergangenheit der Naturkosmetikfirma: Weleda lieferte laut Studie Creme für KZ-Versuche

Die Firma bezog einem „Spiegel“-Bericht zufolge Heilkräuter aus einer SS-Plantage in Dachau und lieferte offenbar eine Creme, die mutmaßlich bei Menschenversuchen eingesetzt wurde.

Stand:

Die Naturkosmetikfirma Weleda war während der NS-Zeit offenbar enger mit dem Konzentrationslager Dachau verflochten, als bisher angenommen. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf eine neue Studie der Historikerin Anne Sudrow im Auftrag der Gedenkstätte Dachau.

Demnach bezog das Unternehmen Heilkräuter aus einer landwirtschaftlichen Anlage der SS, die von KZ-Häftlingen betrieben wurde. Zudem habe Weleda eine Creme geliefert, die nach Sudrows Recherchen mutmaßlich bei Menschenversuchen im Lager zum Einsatz kam.

Weleda wurde 1921 gegründet und ist bekannt für Naturkosmetik, anthroposophische Heilmittel und Produkte aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft nach Demeter-Richtlinien. Das Unternehmen verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der Gesundheit, Umwelt und soziale Verantwortung verbinden soll. Weleda ist international aktiv und zählt zu den bekanntesten Marken in der Naturkosmetikbranche.

Weleda: Enge Verbindungen zur SS in Dachau

Die Untersuchung zeigt enge Verbindungen zwischen der Anthroposophie-Szene, der biologisch-dynamischen Demeter-Landwirtschaft und der SS. In Dachau betrieb die SS-eigene „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung“ eine „Plantage“, auf der biologische Anbaumethoden erprobt wurden. Weleda bestellte den Angaben zufolge während der NS-Zeit Produkte direkt dort.

Außerdem soll das Unternehmen eine Frostschutzcreme geliefert haben, die der SS-Arzt Sigmund Rascher möglicherweise für Experimente an KZ-Häftlingen nutzte. Rascher, selbst Waldorfschüler und Anthroposoph, führte im Lager Versuche zu Kälte und Unterkühlung durch, bei denen zahlreiche Menschen starben.

Auch personell gab es Überschneidungen, wie Sudrow darlegt: Franz Lippert, zuvor Leiter des Heilpflanzengartens von Weleda, wechselte 1941 zur SS nach Dachau und forschte dort unter Einsatz von Zwangsarbeitern. Der Kontakt zum Unternehmen sei dabei bestehen geblieben.

Weleda bezieht Stellung zu ihrer NS-Vergangenheit

Weleda betonte am Samstag in einem Statement, dass das Unternehmen die Gräueltaten des Nationalsozialismus aufs Schärfste verurteilt. Faschismus, Antisemitismus, Rassismus oder rechtsextremes Gedankengut hätten bei Weleda keinen Platz, das Unternehmen verstehe sich als Ort der Menschlichkeit. Das Unternehmen erklärte, es sei ein großes Anliegen sei, die eigene Historie transparent aufzuarbeiten.

Entsprechend habe Weleda 2023 die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte mit einer wissenschaftlichen Studie beauftragt, die 2024 veröffentlicht wurde. Auch die Leitung des Kräutergartens KZ Dachau sei Teil dieser Untersuchung gewesen. Über mehrere Jahre habe Weleda zudem Historikern vollständigen Zugang zu den Archiven ermöglicht, um eine unabhängige Aufarbeitung sicherzustellen. Das Unternehmen strebe auch nach der neuen Studie eine lückenlose Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit an.

Weleda hatte bisher erklärt, es sei unklar, ob die Frostschutzcreme tatsächlich in Menschenversuchen eingesetzt wurde. Auch die Tätigkeit Lipperts im KZ Dachau habe „in keinerlei Verbindung zu seiner früheren Tätigkeit bei Weleda“ gestanden. (bef)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })