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Ricardo Lange erinnert Olaf Scholz in einem offenen Brief an dessen Versprechen.

© Muhamad Abdi, Kathrin Schuber

Offener Brief eines Intensivpflegers an Olaf Scholz: „Was ist Ihr Versprechen wert, Herr Bundeskanzler?“

Während der Pandemie sorgten sich alle Politiker um Pflegekräfte. Und nach der Wahl? Hier erinnert Ricardo Lange Olaf Scholz an sein Ehrenwort.

Ohne das Versprechen, dass Olaf Scholz das, was er angekündigt hat, auch umsetzt, wenn er kann, will Ricardo Lange ihn nicht gehen lassen. Vor fast genau einem Jahr war das, im Helmut-Schmidt-Saal der SPD-Zentrale in Berlin.

Ricardo Lange ist damals schon Intensivpfleger in Berlin. Aber Olaf Scholz ist noch nicht Bundeskanzler, seine SPD mitten im Wahlkampf, das Land zwischen zwei großen Corona-Wellen.

Zusammen mit dem Tagesspiegel führte Lange damals Gespräche mit Spitzenpolitikern aller Parteien über das Gesundheitssystem. Die Idee: In Bild, Ton und Schrift zu dokumentieren, was die Parteien versprechen, um nach der Wahl nachvollziehbar zu machen, wie sie dann handelten. Fast alle angefragten Parteien machten mit. Nur die AfD nicht. Und auch die Union, damals noch in der Regierung, Jens Spahn war Gesundheitsminister, war nicht dabei. Nach Spahn sagten auch Armin Laschet, Markus Söder und Friedrich Merz ab.

Olaf Scholz nicht. Und so sitzt er nach 40 Minuten neben Ricardo Lange, der von ihm das Versprechen will, dass er sich nach der Wahl für Pflegekräfte einsetzt. Coronakonform reckt er Scholz die Faust entgegen und sagt: „Von Mann zu Mann.“ Scholz stutzt kurz. Dann schlägt er doch ein. „Von Mann zu Mann!“, sagt er leise und lacht kurz auf.

Was ist seitdem passiert? Wenig, findet Ricardo Lange. (Einen ausführlichen Faktencheck zur Situation der Pflegekräfte finden Sie hier) Deswegen wendet er sich nun in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz:

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Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

wie Sie vielleicht mitbekommen haben, streiken aktuell alle Unikliniken in Nordrhein-Westfalen für den Tarifvertrag Entlastung - und das seit Wochen! Angetrieben von dem Wunsch, den jeder aus dem Gesundheitswesen in sich trägt: nämlich nicht selbst an den Arbeitsbedingungen zu zerbrechen, und wieder eine Pflege leisten zu können, die für die Patienten sicher ist, und vor allem auch ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Dieses Thema ist nicht nur meine persönliche Herzensangelegenheit, sondern ein seit Jahren drängendes Problem, das nachweislich Menschenleben kostet, und daher keinen Aufschub mehr duldet. Bisher warten wir aber vergeblich auf eine klare Positionierung seitens der Politik, die uns den Rücken stärkt und zu deutlich spürbaren Verbesserungen führt.

Aus diesem Grund wende ich mich hilfesuchend an Sie. Erinnern Sie sich an unser gemeinsames Gespräch während des Wahlkampfs im letzten Jahr? Wir haben über den Personalnotstand in der Pflege gesprochen, und obwohl wir nicht in allen Punkten einer Meinung waren, stand auch für Sie ohne Zweifel fest: Es muss eine angemessene Bezahlung und eine deutliche Entlastung der Pflegekräfte geben.

Ich weiß, am Ende des Tages sind viele Wahlkampfaussagen ausschließlich eines: leere Worte. Sie aber hatten mir Ihr Versprechen - wortwörtlich „von Mann zu Mann“ gegeben - sich für uns und somit auch für alle Patienten einzusetzen.

Ein Ehrenwort ist mir heilig, Ihnen auch? In der Hoffnung nicht „gescholzt“ worden zu sein, freue ich mich auf Ihre Antwort. Gern auch bei einem persönlichen Gespräch.

 

Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen 

Ricardo Lange

Doch wie steht es überhaupt um die Versprechen der Politik vor der Wahl? Hier dokumentieren wir, welche Versprechen sie 2021 machten im Wortlaut. Eine Auswahl:

Olaf Scholz, SPD:

– „Wir müssen insgesamt in den Krankenhäusern für gute Bezahlung sorgen.“

– „Ich möchte, dass wir einen anderen Personalbemessungsschlüssel in der Pflege durchsetzen.“

– „Wenn man einen Mangel an Pflegekräften hat, ist ein Weg, die Ausbildungsvergütung zu verbessern.“

Katrin Göring-Eckardt, Grüne:

– „Es muss mehr Geld in dieses System rein – auch Steuergeld.“

– „Die 35-Stunden-Woche in der Pflege steht bei uns im Wahlprogramm und ist eine klare Ansage.“

– „Man muss zur Entlastung der Pfleger mehr Digitalisierung einsetzen. Zum Beispiel, indem man nicht mehr alles mit der Hand aufschreiben muss.“

– „Man braucht eine Bürgerversicherung.“

– „Ganz entscheidend ist, dass wir Investitionen machen – auch ins Gesundheitssystem. Und dafür müssen wir neue Schulden aufnehmen.“

Wolfgang Kubicki, FDP:

– „Pflege ist ja ein körperlich und vor allem ein psychisch anstrengender Beruf. In diesem Fall wäre es auch angemessen, die Arbeitszeit zu verkürzen.“ – „Unsere Überlegung ist, dass jeder selbst entscheiden kann, wann er aufhören will zu arbeiten: zwischen 60 und 70. Sie müssen dann schon Abschläge hinnehmen, können aber dazuverdienen.“

Janine Wissler, Linkspartei:

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– „Wir brauchen 100.000 neue Pflegekräfte. Das man die nicht auf einen Schlag einstellen kann, ist klar. Ich finde, dass man versuchen sollte, ausgeschiedene Pflegekräfte zurückzugewinnen für den Beruf.“

– „Wir brauchen eine höhere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen. In unserem Wahlprogramm stehen 500 Euro pro Pflegekraft drin.“

– „Ich möchte eine Rekommunalisierung von Kliniken.“

– „Ich bin für die Eindämmung, besser das Verbot von Leiharbeit – auch in der Pflege.“

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