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Offiziell 2018 bei einer Skitour gestorben: Ist der totgeglaubte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub in Moskau untergetaucht?
Erstmals veröffentlichte Fotos sollen den Manager mehrere Jahre nach seinem offiziellen Tod in einer Moskauer Vorstadt zeigen. Bei den Ermittlungen um seinen Tod ging es auch um Firmenanteile in Milliardenhöhe.
Stand:
Sieben Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden des Tengelmann-Chefs Karl-Erivan Haub gibt es neue Spekulationen über sein Schicksal. Und sie klingen wie ein Hollywood-Thriller. Der Unternehmer wurde zuletzt am 7. April 2018 von einer Überwachungskamera im Skigebiet am Klein Matterhorn erfasst, bevor sich seine Spur verlor.
Trotz einer der aufwendigsten Suchaktionen in der Geschichte der Schweizer Bergrettung wurde seine Leiche nie gefunden. 2021 erklärte ihn das Amtsgericht Köln offiziell für tot. Doch nun hat das „Manager Magazin“ erstmals Bilder veröffentlicht, die Haub im selben Jahr in Moskau zeigen sollen.
Dabei teilte dessen Familie im April 2021 mit, keine Hoffnung mehr zu haben, ihn noch lebend zu finden. Bereits 2020 beantragten Haubs Brüder beim Amtsgericht Köln eine Todeserklärung. Dadurch wurde ein Zerwürfnis zwischen den Brüdern und Haubs Ehefrau öffentlich bekannt: Letztere wollte eine Todeserklärung zunächst vermeiden, um nicht mit ihren Kindern aus dem Gesellschafterkreis des Familienunternehmens ausscheiden zu müssen.
Nach der erfolgten Erklärung wurde Christian Haub neuer Tengelmann-Chef. 2021 einigte er sich mit dem Rest der Familie auf einen Deal, der eine Zahlung von 1,7 Milliarden Euro an die Familie des Verschollenen vorsah. Allerdings hatten diejenigen, die an der These eines Skiunfalls zweifelten, zu diesem Zeitpunkt bereits Privatermittler eingeschaltet, um nach Haub zu fahnden.
Experten sehen bis zu 99 Prozent Übereinstimmung
Diese konnten tatsächlich Informationen zu Haubs mutmaßlichem Aufenthaltsort beschaffen. Zwei Fotos von Überwachungskameras sollen ihn fast drei Jahre nach seinem Verschwinden in zwei verschiedenen Vororten in Moskau zeigen. Die Fotos hatte der israelisch-amerikanische Sicherheitsdienstleister Interfor beschafft – wie genau, bleibt unklar.
Die Aufnahmen sind nicht von sonderlich hoher Qualität, zudem fehlen offenbar die Rohdaten der Fotos, anhand derer sich Ort und Zeitpunkt verifizieren ließen. Dennoch beziffern zwei vom Unternehmen beauftragte Expertengutachten die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der fotografierten Person tatsächlich um Haub handelt, mit 99 beziehungsweise 85 Prozent.
Die nun erstmals veröffentlichten Fotos liegen seit einiger Zeit auch der zuständigen Staatsanwaltschaft vor. Diese ermittelt nun gegen den Bruder Christian Haub – der das Unternehmen übernahm – wegen Verdachts auf eine falsche eidesstattliche Versicherung. Dieser hatte nämlich 2021 versichert, „keine belastbaren Hinweise, geschweige denn Beweise“ dafür zu haben, dass sein Bruder noch leben könnte – allerdings kannte er zu diesem Zeitpunkt bereits die Fotos der Privatdetektive.
Haub unterhielt enge Kontakte nach Russland

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Inzwischen räumt er dies auch ein, lässt aber über seinen Anwalt erklären, dass „die Fotos entweder manipuliert wurden oder eine andere Person zeigen“. Mehr noch, der Anwalt argumentiert, dass sein Mandant gar kein Interesse an einer Todeserklärung gehabt habe, da dessen Firmenanteile deshalb für Hunderte Millionen gekauft werden mussten – anstatt sie einfach einzuziehen.
Würde Christian Haub dennoch verurteilt, drohten ihm bis zu drei Jahre Haft und Tengelmann die nächste Führungskrise. Der Einzelhandelskonzern aus dem 19. Jahrhundert ist heute ein Imperium mit 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und rund 8,5 Milliarden Euro Umsatz, zu dem auch die Baumarktkette Obi und der Textildiscounter Kik gehören.
Warum aber sollte Karl-Erivan Haub seinen eigenen Tod vorgetäuscht und in Moskau untergetaucht sein? Eine enge Verbindung zu dem Land hatte er in jedem Fall. Mindestens seit 2010 unterhielt er zahlreiche geschäftliche Kontakte nach Russland und war immer wieder dort.
Gerüchte über Arbeit mit russischen Geheimdiensten
Er plante, mit seiner Unternehmensgruppe in den russischen Markt einzusteigen. 150 Filialen seiner Discountermarke sollten dort eröffnet werden, Grundstücke waren bereits gekauft, doch eine Eröffnung erfolgte nie. Dennoch sollen viele Millionen Euro aus dem Unternehmen in zweifelhaften Kanälen in Russland versickert sein.
Dabei soll Haub auch enge Kontakte zu mehreren umstrittenen russischen Oligarchen gehabt haben. Zudem gibt es Gerüchte über eine Liebesaffäre mit einer russischen Eventmanagerin, mit der er in den Tagen vor seinem Verschwinden mehrfach telefonierte. Selbst über eine Tätigkeit für den russischen Geheimdienst wird spekuliert. Der bestens vernetzte Tengelmann-Tycoon besaß neben der deutschen offenbar auch die US-amerikanische und russische Staatsbürgerschaft.
Beweise für diese Gerüchte gibt es nicht. Dennoch werden die nun auch an die Öffentlichkeit gelangten Fotos die Debatte um das Schicksal des CEOs wieder anfachen. Doch die Aufnahmen allein haben wohl keine ausreichende Beweiskraft, und zu viele Fragen sind noch offen. Die Staatsanwaltschaft teilt daher mit, bislang „keinen Anlass“ zur Revision der Todeserklärung zu sehen.
Die neueste Wendung im Fall erinnert dennoch an den des früheren Wirecard-Vorstands Jan Marsalek. Dieser tauchte unter, nachdem bekannt wurde, dass Milliardenbeträge in den Bilanzen des Unternehmens fehlten. Nach internationalen Fahndungen wurde er zuletzt in Russland vermutet, wo er mutmaßlich unter dem Schutz russischer Geheimdienste stehen soll. (Trf)
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