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Fotokunst bei der Pressekonferenz: Die Schatten der Protagonisten, die die Leitlinien vorstellen.

© Harald Tittel/dpa

Update

27 Kommissionen für die 27 Bistümer: Katholische Kirche will Missbrauch aufarbeiten

Seit Jahren erschüttern Fälle sexuellen Missbrauchs die katholische Kirche in Deutschland. Jetzt hat die Bischofskonferenz sich zu einer gemeinsamen Erklärung durchgerungen.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz will die Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs in ihren 27 Bistümern einheitlich und verbindlich regeln. Die Aufarbeitung soll außerdem regelmäßig von unabhängiger Seite überprüft werden. 

Darauf haben sich die 27 Bischöfe mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, nach monatelangen Beratungen geeinigt. 

Die zentralen Kriterien der Aufarbeitung seien Unabhängigkeit, Transparenz und die Beteiligung von Betroffenen, heißt es in einer am Dienstag in Bonn veröffentlichten gemeinsamen Erklärung.

Rörig sagte, er sei „sehr froh und erleichtert“ und sprach von einer „historischen Entscheidung“. Transparenz, Einheitlichkeit und Betroffenensensibilität würden jetzt verbindlich. 

Er forderte die Bischöfe aber auf, zügig dafür zu sorgen, dass die Aufarbeitungskommissionen ihre Arbeit aufnehmen können. Wie genau die Aufarbeitung aussehen soll, wurde zunächst nicht mitgeteilt. 

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Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann (Trier), erklärte, er erwarte sich von der gemeinsamen Erklärung einen weiteren Schub für die Aufdeckung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche.

Zu den Maßnahmen zählt die Einrichtung von Kommissionen in den einzelnen Bistümern, die aus sieben Mitgliedern bestehen sollen. Unter den sieben Mitgliedern sollen zwei Betroffene sein. 

Zudem soll es auch Betroffenenbeiräte geben, die die Arbeit der Kommissionen begleiten. Ein Beirat könne aber auch mehrere Kommissionen begleiten, heißt es in dem Papier.

Kritik von Betroffeneninitiative an hoher Zahl der Kommissionen

Die Beteiligung von Missbrauchsopfern war in den Beratungen eine Forderung des Missbrauchsbeauftragten gewesen. 

Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch kritisierte, dass es statt einer nationalen „Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission“ nun 27 Kommissionen geben werde. Das erschwere das Monitoring, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

Justizministerin: "Großer Schritt nach vorn"

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wertete die Vereinbarung als „einen großen Schritt nach vorne“, nachdem die katholische Kirche Missbrauchstaten lange vertuscht habe. 

Auf unabhängige Aufklärung nach einheitlichen Kriterien hätten die Opfer „sehr lange gewartet, manche einen Großteil ihres Lebens“, sagte sie der KNA. Umso wichtiger sei es, dass „die unabhängige und transparente Aufarbeitung der Taten nun rasch in allen Bistümern beginnt und die Stimmen der Opfer gehört werden“.

Sozialpsychologe: Hatte mehr erwartet

Der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp erklärte, die Entscheidung sei „schon ein großer Schritt“, aber er habe sich „mehr erwartet“. 

So sei die Idee eines gemeinsamen institutionellen Dachs für die regional arbeitenden Kommissionen nicht so aufgegriffen worden, wie das wünschenswert gewesen wäre. 

Akteneinsicht, "wenn dies nötig ist"

Der Zugang zu kirchlichen Archiven für die Aufarbeitung war ebenfalls ein wesentlicher Punkt in den Beratungen. 

In dem Dokument ist nun festgehalten, dass sich die Bistümer zu einer Kooperation mit den Aufarbeitungskommissionen verpflichten und deren Mitgliedern auch Akteneinsicht gewährt wird, wenn dies für ihre Arbeit nötig ist. 

Jährlicher Bericht an den Missbrauchsbeauftragten

Gewahrt werden müsse aber das kirchliche Datenschutzgesetz. Die Kommissionen sollen jährlich über ihre Arbeit an den zuständigen Ortsbischof und an den Missbrauchsbeauftragten berichten.

Die Überprüfung des tatsächlichen Willens zur Aufarbeitung finde in der Wirklichkeit statt, erklärte der Eckige Tisch. Dabei gehe es darum, dass tatsächlich die Kommissionen eingesetzt, Betroffene beteiligt, der Zugang zu den Akten ermöglicht und die Ergebnisse veröffentlich würden.

Fast ein Jahr Beratungszeit

Die Bischofskonferenz hatte im September 2018 nach der Veröffentlichung ihrer Missbrauchsstudie beschlossen, für die Aufarbeitung auch enger mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung zusammenzuarbeiten. 

An der Studie hatte es unter anderem deshalb Kritik gegeben, weil die Kirche keinen Zugang zu Originaldokumenten ermöglicht hatte.

Seit Mai 2019 wurde über die gemeinsame Erklärung beraten. Der Ständige Rat der Bischofskonferenz, in dem die 27 Ortsbischöfe vertreten sind, hatte der Erklärung in seiner Sitzung am Montag zugestimmt, heißt es in der Mitteilung.

Evangelische Kirche plant keine vergleichbare Erklärung

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) arbeite eng mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zusammen, teilte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. 

In dem elf Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog der EKD ist der Austausch mit dem Missbrauchsbeauftragten schon vorgesehen. Eine ähnliche Erklärung wie die der Bischofskonferenz sei derzeit nicht in Arbeit. (epd/dpa/KNA)

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