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Auch Gewässer wie die Lahn wurden abgesucht.

© dpa/Christian Lademann

„Sehr besorgt um das Schicksal des Jungen“: Vom sechsjährigen Pawlos aus Hessen fehlt weiter jede Spur

Die Suche nach einem Jungen in Weilburg läuft auf Hochtouren. Das Kind ist autistisch veranlagt. Pawlos könnte sich in der Stadt versteckt halten, aber auch einen Zug oder Bus genommen haben.

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Wo ist Pawlos? Der Sechsjährige hatte am Dienstagmittag die Schule in Weilburg in Hessen verlassen. Bis jetzt wurde der autistische Junge nicht gefunden. Am Donnerstag, dem dritten Tag, ist es in der Stadt deutlich ruhiger, es sind weniger Polizeiautos und -beamte zu sehen, kein Rattern des Polizeihubschraubers ist mehr zu hören, wie die Agentur dpa berichtet.

Zwischenzeitlich suchten in Weilburg suchen bis zu 600 Einsatzkräfte nach dem Kind. Man ändere die Taktik, hieß es demnach. Eine hohe zweistellige Zahl an Einsatzkräften sei weiterhin mit der Suche befasst, erklärte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Westhessen. Man suche „neuralgische Punkte in und um Weilburg ab“. 

Wir haben jeden Stein umgedreht.

Johannes Hanisch, Bürgermeister von Weilburg (CDU)

Bei dem Großeinsatz am Mittwoch kamen ein Polizeihubschrauber, 33 Suchhunde und die Wasserschutzpolizei zum Einsatz. Auch die Reiterstaffel der Polizei wurde hinzugezogen. Zugleich setze man weiter auf die wichtige Hilfe der Bevölkerung, so das Polizeipräsidium Westhessen.

Der Sechsjährige war am Dienstagmittag ohne erkennbaren Grund aus seiner Förderschule gelaufen, wo er die erste Klasse besuchte. Am wenige hundert Meter entfernten Bahnhof wurde er zuletzt gesehen. Dort ende auch die von den Spürhunden aufgenommene Spur, erklärte eine Polizeisprecherin.

Hinweise auf ein Gewaltverbrechen hätten sich weiterhin nicht ergeben. Die Polizei gehe zahlreichen Hinweisen nach, auch Videomaterial aus öffentlichen Verkehrsmitteln werde ausgewertet. Pawlos ist nach Einschätzung der Einsatzkräfte vermutlich in einer hilflosen Lage. Das autistisch veranlagte Kind sei räumlich nicht orientiert, sagte ein Polizeisprecher.

Wer den Jungen sieht, sollte den Jungen nicht direkt ansprechen oder rufen, da er sehr schreckhaft sei, und stattdessen den Polizeinotruf 110 wählen oder sich an eine Polizeidienststelle wenden.

Weilburgs Bürgermeister Johannes Hanisch (CDU) erklärte: „Wir haben jeden Stein umgedreht.“ Das Stadtgebiet in einem Radius von drei Kilometern sei abgesucht worden. „Wir sind sehr besorgt um das Schicksal des Jungen.“ 

Am Dienstagabend hatte ein Einsatzwagen der Feuerwehr eine Bandansage per Lautsprecher abgespielt, auf der die Mutter ihr Kind direkt ansprach, wie RTL berichtete. „Pawlos, hier ist deine Mutter. Komm raus und versteck dich bitte nicht. Wir vermissen dich“, soll sie nach Angaben des Senders sinngemäß auf eritreisch gesagt haben. Auch eines der liebsten Kinderlieder des Jungen war demnach zu hören.

Luftballons sollen den kleinen Jungen neugierig machen.

© dpa/Thomas Frey

In Weilburg wurden inzwischen an vielen Orten Luftballons angebracht, um das Interesse des Jungen zu wecken. Die Polizeistreifen fuhren bei der Suche in der Nacht zu Donnerstag mit Blaulicht, um das Kind eventuell anzulocken.

Auch bundesweit wird nach dem Sechsjährigen gesucht

Hanisch und die Polizei hatten von zwei möglichen Szenarien gesprochen, wie auch die Hessenschau berichtete. Im ersten Fall wird davon ausgegangen, dass sich das Kind im Stadtgebiet versteckt hält. Die Stadt liegt an der Lahn, zwischen Taunus und Westerwald. Sie hat rund 13.000 Einwohner.

Im zweiten Szenario wird davon ausgegangen, dass der Junge mit einem Bus oder Zug aus Weilburg weggefahren sein könnte. Deshalb werde auch bundesweit mit einem Foto nach dem Jungen gesucht, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Dafür würden beispielsweise auch Videos aus öffentlichen Verkehrsmitteln ausgewertet. Das Stadtgebiet von Weilburg wurde am Donnerstag nicht erneut durchsucht.

Ein Mitglied einer Rettungshundestaffel geht mit seinem Hund auf einem Weg an einem Waldstück entlang.

© dpa/Christian Lademann

Ob der Junge noch in Weilburg ist, sei schwer einzuschätzen, wie der Polizeisprecher sagte. „Als Sechsjähriger ist man sehr gut zu Fuß. Wir haben den Nahbereich abgesucht, können aber auch nicht ausschließen, dass er mit Bus und Bahn unterwegs ist. Entsprechend suchen wir auch in dem Bereich.“

Erinnerungen an den Fall des autistischen Arian

Der kleine, zweigleisige Bahnhof in der mittelhessischen Stadt befindet sich in unmittelbarer Nähe des Flusses Lahn. Doch ein Einsatz von Tauchern sei aktuell nicht geplant, hieß es von der Polizei. Am Vortag waren Rettungskräfte mit Booten unterwegs gewesen und hatten nach dem Jungen Ausschau gehalten.

Der Fall Pawlos erinnert an das Verschwinden des sechsjährigen Arian aus dem niedersächsischen Bremervörde. Der ebenfalls autistische Junge wurde zuletzt am 22. April 2024 gesehen. Die Polizei ging davon aus, dass das Kind das Elternhaus selbstständig verließ und leitete eine große Suche ein. Zeitweise waren bis zu 1.200 Helfer beteiligt.

In einem Interview mit dem Tagesspiegel hatte der Psychologe und Autismusexperte Anas Nashef damals deutlich gemacht, wo die besonderen Schwierigkeiten für die Einsatzkräfte in solchen Fällen liegen. „Im Umgang mit autistischen Menschen ist eines entscheidend: Kreativität. Das gilt sowohl für die Therapie als auch für den alltäglichen Kontakt. Insofern ist es großartig, dass die Einsatzkräfte hier so kreativ vorgehen“, sagte Nashef unter anderem.

Der Fall Arian verlief tragisch, Ende Juni gab es die traurige Gewissheit: Bei einer gefundenen Leiche handelte es sich um Arian. Die rechtsmedizinische Untersuchung ergab keine Hinweise auf ein Verbrechen. Die Todesursache nannten die Ermittler zum Schutz der Familie nicht.

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