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Eine Frau zündet auf dem Hauptplatz in Graz eine Kerze an, nach dem Amoklauf in einer Schule, in der ein ehemaliger Schüler zwei Tage zuvor das Feuer eröffnet hatte.

© dpa/Darko Bandic

Update

Als psychisch untauglich eingestuft: Amokläufer von Graz fiel bei Musterung durch den Test

Zwei Tage nach dem Amoklauf von Graz gibt die Polizei weitere Details über den Täter bekannt. Das Motiv ist weiter unklar. Auch das Bundesheer äußert sich.

Stand:

Der Amokschütze von Graz ist 2021 beim österreichischen Bundesheer durch die psychische Tauglichkeits-Prüfung gefallen. Er sei bei der Musterung als psychisch untauglich für den Wehrdienst befunden worden, bestätigte der Sprecher des Bundesheers, Michael Bauer, auf der Plattform X. Zuerst hatte der Sender ServusTV darüber berichtet. Eine Weitergabe dieser Daten von der Musterung an Dritte sei dem Bundesheer nicht erlaubt, so Bauer weiter.

Der 21-jährige frühere Schüler eines Oberstufenrealgymnasium in Graz hatte am Dienstagmorgen in der Schule neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin getötet und elf weitere Menschen schwer verletzt. Anschließend beging er auf einer Schultoilette Suizid.

Der 21-Jährige hatte laut Polizei seit dem Frühjahr eine Waffenbesitzkarte, die für den Kauf einer Pistole nötig ist. Für die Waffenbesitzkarte musste der junge Mann wiederum vorher einen Test auf seine psychische Eignung machen, den er bestand.

Am Donnerstag hatte die Polizei bereits neue Details zum Täter veröffentlicht. Der Amokläufer sei ein sehr introvertierter Mensch gewesen, der sehr zurückgezogen gelebt habe, sagte der Leiter des Landeskriminalamts Steiermark, Michael Lohnegger. Er hatte laut Polizei zudem eine Leidenschaft für Ego-Shooter-Spiele. Alle bisher ausgewerteten Unterlagen gäben dennoch weiterhin keinen Hinweis auf ein Motiv.

Zu den meisten Opfern habe der Täter keine Beziehung aus seiner Schulzeit gehabt. Nur die getötete Lehrerin habe ihn unterrichtet, hieß es. Der Amokschütze hatte die 5. und 6. Klasse des Gymnasiums besucht, den Schulbesuch aber abgebrochen.

Der 21-jährige Täter sei bei dem siebenminütigen Amoklauf, der bis ins Detail geplant gewesen sei, in seiner ehemaligen Schule mit einer Pistole der Marke Glock, einer am Schaft abgesägten Doppelflinte und einem Jagdmesser bewaffnet gewesen, hieß es. Er habe die Waffen in der Toilette der Schule aus seinem Rucksack genommen.

Wahllos auf Opfer geschossen

Zunächst habe er im 2. Stock des Gebäudes wahllos auf Menschen geschossen, sagte Lohnegger. Danach sei er in den 3. Stock gegangen und habe die inzwischen von innen verriegelte Tür aufgeschossen. Praktisch zeitgleich mit dem Eintreffen der Polizei habe er sich mit einem Schuss in den Kopf selbst getötet. Der 21-Jährige habe noch genügend Munition gehabt, seinen Amoklauf fortzusetzen, sagte Lohnegger.

Bei einer Hausdurchsuchung am Wohnort des Angreifers entdeckten Ermittler auch eine Rohrbombe, die allerdings nicht funktionstüchtig war. Aus den gefundenen Dokumenten gehe hervor, dass dem 21-Jährigen die Zeit fehlte, die Bombe funktionstüchtig zu machen, so der LKA-Leiter.

Zehn Todesopfer, elf Verletzte

Bei dem Amoklauf starben neun Jugendliche vor Ort. Sie waren nach Angaben der Polizei zwischen 14 und 17 Jahre alt. Eine Lehrerin starb Stunden nach der Tat in einem Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen.

Elf Personen wurden verletzt. Die meisten von ihnen mussten auf Intensivstationen betreut werden, doch ihr Gesundheitszustand sei stabil, hieß es vom Krankenhausbetreiber Kages.

Deutschland: Gewerkschaft der Polizei für strengeres Waffenrecht

Nach einer ersten Phase des Schocks und der Trauer kommt in Österreich eine Diskussion über das relativ liberale Waffenrecht in Gang. Bislang haben sich Kommunisten und Grüne für eine Verschärfung ausgesprochen, die rechte FPÖ ist dagegen.

In Deutschland fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dagegen strengere Regeln im deutschen Waffengesetz. Deren Vorsitzender Jochen Kopelke sagte der „Rheinischen Post“ vom Donnerstag, nötig sei ein „einfacheres und strengeres Waffenrecht, um Schusswaffen und Messer aus der Öffentlichkeit zu verbannen“. Insgesamt sei das deutsche Waffenrecht zu komplex und unverständlich.

„Insbesondere bei Schreckschusspistolen, bei Anscheinswaffen, aber auch bei Messern und anderen Waffen brauchen wir ein viel strengeres Waffengesetz“, sagte Kopelke der Zeitung weiter. Schon für den Besitz von Schreckschusswaffen müsse künftig ein Waffenschein nötig sein, forderte er.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, erteilte unterdessen Forderungen nach mehr Kontrollen an deutschen Schulen eine Absage. „Forderungen nach Türkontrollen und Sicherheitspersonal gehen an der Schulrealität in Deutschland vorbei“, sagte er dem „Focus“. Solche Taten seien lange geplant und die Täter griffen zu anderen Methoden – schließlich gebe es auch „den Raum außerhalb des Schulgebäudes“.

Düll, der selbst ein Gymnasium in Bayern leitet, mahnte, mehr in die Betreuung von Schülerinnen und Schülern zu investieren, die zu versagen drohten. „Ein gutes Monitoring von Schülern durch Lehrer sowie Sozialpädagogen, Jugendarbeiter und Schulpsychologen, die rechtzeitig eingreifen können, wenn Schüler drohen abzudriften, ist der beste Schutz vor möglichen Amokläufen.“

Menschen und Rettungskräfte versammeln sich neben Kerzen und Blumen vor dem Gymnasium in Graz.

© dpa/Darko Bandic

Die Tat in Graz hat ganz Österreich erschüttert. Die Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer bis Freitag ausgerufen. Am Abend werden zu einem Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom die Staats- und Regierungsspitze erwartet.

Sicherheitsbehörden sorgen sich wegen Trittbrettfahrern

Die Sicherheitsbehörden berichteten indessen von weiteren vereinzelten Drohungen gegen Schulen. Es habe Trittbrettfahrer gegeben, heiß es beim Innenministerium. Die Polizei habe jeweils Maßnahmen ergriffen. Im ganzen Land sind die rund 400 Mitglieder der Spezialeinheit Cobra in erhöhter Alarmbereitschaft.

Unterdessen hat auch der britische König Charles III. den Angehörigen der Opfer und allen weiteren Betroffenen des Amoklaufs in Graz sein tiefes Beileid ausgesprochen. Er und seine Frau, Königin Camilla, seien geschockt und zutiefst traurig, schrieb der 76-Jährige in einer Stellungnahme auf der Plattform X. Das Königspaar sende allen Österreicherinnen und Österreichern „unser tiefstes Mitgefühl in dieser äußerst schmerzlichen Zeit“. (dpa/AFP)

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