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Kolumne: Was machen wir jetzt?: Auf Vintage verzichten

Magst du Berlins Modeszene? Das fragte vor zwei Wochen Björn Stephan. Unsere Kolumnistin antwortet ihm heute.

Für mich besteht der zu beurteilende harte Kern der Berliner Modewelt aus genau drei Gruppen: Hipster, Schreiber und PR-Macher – die Grenzen sind fließend. Ein Hipster lebt den Modekult exzessiv aus. Das bedeutet, er kleidet sich vorwiegend „Vintage“. Was für mich muffige Lappen sind, die nach Omas Kohlsuppe riechen, ist für den Hipster Ausdruck von Individualität. Egal ob die Größe stimmt, die Preise horrend sind oder man aufgrund der Klamotten verhaftet werden könnte – in Secondhand-Mekkas ist kein Teil zu altbacken, um nicht im Jutebeutel des Hipsters zu landen.

Auch ich versuchte mal mein Glück auf einem Berliner Flohmarkt. Eine alte Posttasche in Weinrot hatte es mir angetan. 90 Euro sollte das zerkratzte Stück kosten. „Ist original Vintage aus den 40ern!“ Danke nein, meine Oma ist auch original aus den 40ern, die Höhe meines Taschengeldes hat diese Tatsache aber nie beeinflusst. Im Gegensatz zu mir wird der Hipster wahrscheinlich ein günstiges Teil ergattert haben und es wenig später auf seinem Blog posten.

Schreiber dagegen sind über das Stadium des Blogs schon hinaus. Sie können durchaus auch gleichzeitig Hipster sein, sind aber leicht an der Anstrengung zu erkennen, doch noch ein bisschen individueller auszusehen. Meistens erscheinen sie auf den roten Teppichen der Modenschauen, tragen schwarze Bobs, haben einen Block unter dem Arm und rote Acetat-Brillen auf der Nase. Sie kombinieren „Vintage“ gerne mit teuren Einzelteilen, um zu signalisieren, dass sie inzwischen mit Mode Geld verdienen. Daraufhin sitzen sie in der Front Row bei einem Newcomer-Designer und beäugen kritisch die abgefahrenen Kollektionen. Zur Modewoche wage auch ich mich regelmäßig auf solches Terrain. Wenn ich gefragt werde „Und, was trägst du?“, sind meine Sachen meist von der Stange und „Vintage“ verlässt selten meinen Mund.

Für die PR-Macher ist Berlins Modewelt knallhartes Business. Sie rotieren 365 Tage im Jahr in ihrer PR-Agentur und sind immer busy. Schließlich müssen sie jeden Tag mit jemandem „lunchen“ (Mittagessen), oder sie müssen „socializen“ (was Trinken gehen) – eine nervenaufreibende Sache. PR-Macher sind zu jedem überkandidelt freundlich, egal ob Erzfeind, beste Freundin oder Unbekannter, inklusive Bussi links, Bussi rechts. Meine Meinung zur Berliner Modewelt? Ein herrlicher Zirkus, der Spaß machen kann, solange man den Aus-Knopf im Blick behält.

Björn, hast du einen Doppelgänger?

Nächste Woche antwortet an dieser Stelle Björn Stephan

Constanze Bilogan

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