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Wassereinbruch in 375 Metern Tiefe: 18 türkische Bergleute sind ums Leben gekommen.

© dpa

Grubenunglück in der Türkei: "Dann kam uns das Wasser nach"

In der Türkei hat es wieder ein schweres Grubenunglück gegeben. Mindestens 18 Kumpel sind eingeschlossen -für sie schwindet die Hoffnung. Die Regierung bemüht sich, Entschlossenheit bei der Bekämpfung der Ursachen zu demonstrieren.

Die Katastrophe begann in der Mittagspause. Kerim Pinar und seine Kollegen hatten sich in 375 Meter Tiefe zum Essen hingesetzt, als ihnen in einer Kohlegrube im südtürkischen Ermenek ein seltsamer Geruch auffiel – Vorbote eines Wassereinbruchs, der kurz darauf Teile der Grube überschwemmte. Einige Arbeiter riefen Pinar und anderen Bergleuten zu, sie sollten sich in Sicherheit bringen. "Wir stiegen nach oben", berichtete Pinar. "Dann kam uns das Wasser nach."

Insgesamt 18 Kumpel schafften es nicht zum Ausgang. Rund 11 000 Tonnen Wasser füllten die Stollen unter Tage. Dass es mehr als 24 Stunden nach dem Unglück am Mittwoch überhaupt noch Hoffnung für die Eingeschlossenen gab, lag an senkrechten Schächten in der Nähe: Möglicherweise hätten sich seine Kollegen dort in einer Luftblase in Sicherheit bringen können, sagte Pinar. Doch die Sorge um die Eingeschlossenen stieg mit jeder Stunde.

Nur wenige Monate nach dem schweren Grubenunglück im westtürkischen Soma mit 301 Todesopfern wird die Türkei damit erneut von einem schweren Unfall in einem Bergwerk erschüttert. Und wieder wird die Missachtung von Sicherheitsvorkehrungen für das Unglück verantwortlich gemacht. Türkische Medien zitierten Arbeiter in Ermenek mit den Worten, es handele sich um den dritten Wassereinbruch in der Grube. Woher das Wasser kam, weiß niemand. Wie in Soma hatten staatliche Inspektoren auch in Ermenek bei einem Kontrollbesuch keine größeren Sicherheitsmängel erkennen können.

Ermenek ist ein weiteres Beispiel dafür, warum die Türkei in Sachen Arbeitssicherheit in Europa das Schlusslicht ist. Bis Ende September kamen 1414 Arbeiter im Land bei Unfällen ums Leben – das sind fast 40 Tote pro Woche. Trotz teilweise skandalöser Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften geht das Sterben weiter, ohne dass Firmeninhaber oder unfähige Kontrolleure zur Rechenschaft gezogen würden. Nach Presseberichten ist der Besitzer des Bergwerks von Ermenek, Saffet Uyar, ein Vetter des Betreibers der Unglücksmine von Soma und steht der Regierungspartei AKP nahe.

Erdogan will den Unglücksort rasch besuchen

Wie nach jedem schweren Unglück bemühte sich die Regierung darum, Anteilnahme und Entschlossenheit bei der Bekämpfung der Ursachen zu zeigen. Staatschef Recep Tayyip Erdogan sagte die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am Mittwoch ebenso ab wie den geplanten Empfang zur Eröffnung des neuen Präsidentenpalastes in Ankara. Erdogan kündigte zudem einen Besuch an der Unfallstelle an. Die Polizei in Ermenek errichtete bereits vorsorglich Absperrungen – bei Erdogans Besuch in Soma nach dem dortigen Unglück hatte es Tumulte gegeben, weil der damalige Premier schwere Bergwerksunglücke als normal bezeichnete und dies mit Beispielen aus britischen Kohlegruben des 19. Jahrhunderts zu belegen versuchte.

Arbeitsminister Faruk Celik, der nach der Katastrophe von Soma trotz zahlreicher Rücktrittsforderungen im Amt blieb, kritisierte jetzt die veraltete Technik in türkischen Bergwerken, die Unfälle unausweichlich mache – ganz so, als habe er selbst nicht viel mit dem Problem zu tun. Nach dem Unglück von Soma hatte Celiks Regierung im Parlament einen Gesetzentwurf der Opposition abgelehnt, der die Einrichtung von modernen Zufluchtsräumen in Bergwerken zur Pflicht machen sollte.

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