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© BE & W (order@fotex.de)

Panorama: Das Schönheitsdiktat

Maja, 18, hat sich ihre Brüste verkleinern lassen. Das Risiko einer Operation nahm sie einfach in Kauf

Wir treffen uns in einem Café in Moabit. Ihre Blicke wandern, sie mustert jeden, der vorbeiläuft, guckt sich die Menschen ganz genau an. „Die Optik ist mir sehr wichtig, das muss ich schon zugeben“, sagt Maja mit einem Lächeln.

Maja fühlte sich in ihrem Körper schon früh nicht sehr wohl. Mit dem Beginn der Pubertät, so in der 8. oder 9. Klasse fing es an: Irgendetwas passte nicht zu ihr, glaubte sie. Ihre Brüste waren ihrer Meinung nach zu groß, sie wirkten unproportional.

„Inwieweit ich mich auch von anderen unter Druck setzen ließ, weiß ich gar nicht mehr. Das ist wahrscheinlich beides: Selbstwahrnehmung und ein unbewusster Druck von außen.“ Maja weiß, was heute an Schönheitsidealen gilt: „In erster Linie schlank sein. Sehr weibliche Rundungen gelten auch bei vielen Typen nicht mehr als das ultimativ Schönste.“

Und auch bei ihr ging es immer wieder um die Figur. „Gerade für ein Mädchen in der Pubertät ist die Figur eine ganz heikle Sache, sie verändert sich, wird mit einem Mal mehr oder weniger weiblich und dann muss man sich mit seinem Körper abfinden.“

Maja sieht gut aus, ihre Figur ist makellos. Die dunkelblonden Haare fallen sanft auf ihre Schultern, ihre hellblauen Augen strahlen und ihre Lippen sind in einem glänzenden Rot-Ton geschminkt. Warum fühlte sie sich dennoch nicht gut in ihrem Körper? Ist es Einbildung, hat sie sich bloß dem allgemeinen Schönheitswahn unserer Zeit unterworfen? In unserem Alter denken immer mehr Leute über Schönheitsoperationen nach, denn viele haben ein Problem mit ihrem Körper, gerade wenn sie die perfekten Models in den Magazinen sehen. Unterliegen wir dem Diktat des Perfekten?

Maja geht auf ein Gymnasium und macht in einem Jahr ihr Abitur. Sie ist gut in der Schule. Als wir uns zu diesem Gespräch verabredeten, zögerte sie erst und überlegte, ob sie ihre Geschichte wirklich erzählen soll. „Man wird ja schließlich schnell in eine Schublade gesteckt“, sagt sie und trinkt einen Schluck von ihrem Latte macchiato.

Ihr eigener Druck ließ sie schon mit 16 über eine Operation nachdenken. Sie ging zu den zwei besten Ärzten in Berlin, stellte klar, dass sie sich mit ihren Brüsten nicht wohlfühlte und die Ärzte nahmen sie ernst. Aber sie mussten sie vertrösten. „Sie haben mir klargemacht, dass ich warten solle, denn sie erklärten, dass sich nach der Pubertät das Körpergefühl radikal ändert.“

Maja war enttäuscht, gerne hätte sie ihre Brüste schon zu diesem Zeitpunkt verkleinern lassen. „Das war kurz vor den Sommerferien und ich wollte nach Griechenland fahren und ich hoffte so, dass die OP vorher stattfinden würde.“ Sie fuhr dennoch und mochte sich im Bikini nicht zeigen. „Auch sexuell hat mich das eingeschränkt, ich konnte mich den Jungs im Bett nicht wirklich öffnen, fühlte mich immer etwas unfrei oder verkrampft.“ Ihr Unwohlsein hat sich auch auf ihren Gang, ihre Kleidung ausgewirkt. Sie trug eher weitere Sachen, wenn sie sich schlecht fühlte und beugte die Schultern meist leicht nach vorne, um das Dekolleté etwas zu pressen und kleiner aussehen zu lassen. Sie gab nicht auf, auch wenn sie die Ärzte auf die Zeit nach dem 18. Geburtstag vertrösteten. „Ich behielt es die ganze Zeit im Kopf und wusste, dass ich es sofort machen würde“, erklärt sie. Und so kam es dann auch, kurz nach ihrem Geburtstag im Dezember ging sie zu einer erfahrenen Ärztin in Berlin, die dann auch sofort zu einer Operation bereit war. „Mir fiel ein Stein vom Herzen.“ 5000 Euro, ihr gesamtes Erspartes, musste sie zahlen. Und sie nahm das Risiko einer Vollnarkose in Kauf – nur für die kleineren Brüste, für ihre Schönheit.

Silvester fiel dafür aus, sie konnte nicht feiern, sondern begab sich in die Klinik und wurde gleich zu Beginn des neuen Jahres operiert. „Ich habe große Schmerzen erwartet, war aufgeregt und ich hoffte natürlich nur, dass alles so aussehen würde, wie ich es mir vorstellte.“

Die Operation dauerte gerade mal zwei Stunden, als sie aufwachte, hatte sie Schmerzen. „Und ich dachte natürlich sofort, wie sehen meine Brüste jetzt aus?“ Sie schlief aber erst einmal ein. Den ganzen Tag und die ganze darauffolgende Nacht döste sie und war erschöpft.

„Aber am nächsten Tag bin ich aufgewacht und sagte meiner Ärztin nur ,Ich will sie sehen‘“ Die Ärztin öffnete den Verband und Maja schaute in den ihr gereichten Spiegel: „Ich war so erleichtert, das kann man sich kaum vorstellen.“

Der Unterschied nach der OP war nicht extrem – von Körbchengröße D ging es runter auf C.

Aber für Maja selbst änderte sich vieles: Sie fühlte sich endlich eins mit ihrem Körper, „richtig befreit“, wie sie sagt. Beim Sex fühlte sie sich besser und in der Umkleide war es für sie plötzlich kein Problem mehr, sich auszuziehen.

Hat sie jemand auf die kleineren Brüste angesprochen? „Nein, es haben nur viele gefragt, ob ich abgenommen habe.“ Sie hielt die OP geheim, nur ihre engsten Vertrauten wissen Bescheid. Doch lohnte sich der gefährliche Eingriff? Maja sagt eindeutig: „Ja, klar.“ Aber das sagt sie, weil sie weiß, dass alles gut verlief.

Bis heute bereue sie die Entscheidung nicht. Doch bei ihr ging es nur ums Wohlfühlen, denn die Operation war zu keinem Zeitpunkt medizinisch notwendig. Es war eine rein ästhetische Entscheidung. Und eine psychologische.

In diesem Sommer wird Maja mit Freundinnen wieder nach Griechenland fahren: Diesmal ist sie zufrieden mit sich. Und den Bikini hat sie auch schon.

Ric Graf

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