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Zugvögel: Den Störchen geht der Nachwuchs aus

In Polen leben zehnmal mehr der Zugvögel als in Deutschland – doch die sind in großer Gefahr.

Storchennester, so weit das Auge reicht. Sie nisten auf dem Pferdestall, auf der Birke im Garten des polnischen Landhauses. Im nahen, von einem Sturm gelichteten Wäldchen nisten gleich ein gutes Dutzend Paare, auf einem Baum sind gar drei Nester zu sehen. „So viele Störche hatten wir hier noch nie“, freut sich Bogdan Toczylowski. 31 Paare nisteten sich im März auf seinem Grundstück ein. Inzwischen haben sie 62 Jungstörche bekommen. Bisher hatten jährlich um die 20 Storchenpaare bei ihm den Sommer verbracht. „Seit dem EU-Beitritt wird auch bei uns in Polen viel mehr gedüngt als früher, deshalb weichen viele Störche hierhin aus“, erklärt Toczylowski, der seit ein paar Jahren nur noch biologischen Landbau betreibt.

Toczylowski führt in vierter Generation einen kleinen Hof im Weiler Kaczorowo unweit des einstigen ostjüdischen Handelsstädtchens Tykocin. In den umliegenden Höfen leben weniger Menschen, als im Sommer Störche gezählt werden. Allein auf Toczylowskis Hof sind es in diesem Sommer fast 100, wenn man all jene Jungstörche mitzählt, die noch auf den Nestern herumhüpfen und erst fliegen und jagen lernen. Eine deutsche Umweltorganisation hat Toczylowskis agrotouristischem Landgut in Pentowo vor neun Jahren das Prädikat „Europäisches Storchendorf“ verliehen. 27 Holzplattformen hat die Bauernfamilie auf ihrem Land für die Störche errichtet, dazu zwei Beobachtungstürme. In diesem Jahr sind diese jedoch nicht zu betreten, denn auch auf ihren Dächern haben die Störche Nester gebaut. „Eigentlich gehörte der Storch in unser Staatswappen und nicht der Adler“, sagt Toczylowski. Nicht nur sei der Adler quasi ausgestorben, der Storch sei doch einfach der bessere Sympathieträger.

„Storchenvater“ Toczylowski zählt in diesem Jahr allein auf seinem Grundstück mehr Störche als in anderen ganzen westpolnischen Gemeinden nisten. Karten über die Storchenpopulation Polens zeigen, dass die Vögel im Westteil des Landes nur noch entlang der Flussläufe anzutreffen sind. Die meisten Weißstörche findet man heute in den Masuren und entlang der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine. Diese Gebiete sind schwach besiedelt, hier ist die Landwirtschaft noch kleinflächig. Bei der letzten Storchenzählung im Jahre 2004 wurden in Polen 52 500 Storchenpaare gezählt. Das entspricht einem Zuwachs von etwa 25 Prozent in nur zehn Jahren. Weltweit gab es 2004 etwa 200 000 Storchenpaare. In Deutschland waren es rund 4500, in Österreich 400 und in der Schweiz 200.

„Jeder vierte Storch ist ein Pole“, sagt Bogdan Toczylowski stolz. In den Magerwiesen und Flussauen rund um seinen Hof finden die 31 Storchenpaare in diesem Jahr wegen der reichlichen Niederschläge im Mai und Juni, die landesweit zum schlimmsten Hochwasser seit 1997 geführt haben, besonders viel Kleingetier und Insekten für ihre Jungen. Toczylowskis Hof liegt nur wenige hundert Meter vom Flusslauf der Narwa entfernt. In den Flussauen weiden kleinwüchsige Pferde und die sogenannte rote Kuh – beides fast ausgestorbene polnische Rassen, die den Störchen die Futtersuche erleichtern. „Bauer und Storch bilden eine symbiotische Gemeinschaft“, unterstreichen Ornithologen, die Pentowo besuchen. Verödetes Ackerland gehört genauso zu den Feinden der Störche wie die intensive Landwirtschaft. Gedüngt wird allerdings immer mehr. „Seit dem EU-Beitritt verliert Polen jedes Jahr vier bis fünf Prozent seiner Störche“, klagt Toczylowski.

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