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Werksverkauf des Feuerwerkherstellers WECO

© Foto: Roberto Pfeil/dpa

„Privates Knallen brauchen wir nicht“: Deutscher Kulturrat stellt sich gegen Silvester-Böllern

Ist das private Feuerwerk an Silvester ein Brauchtum, das erhaltenswert ist? Der Deutsche Kulturrat verneint, es sollten bessere Alternativen gefunden werden.

Der Deutsche Kulturrat hat sich gegen das individuelle Böllern an Silvester ausgesprochen. „Privates Knallen zu Silvester brauchen wir nicht“, erklärte der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, gegenüber MDR Kultur in Halle. Das Silvester-Böllern, wie es derzeit praktiziert werde, habe nichts mehr mit dem alten Brauchtum aus dem 16. Jahrhundert zu tun und sei unzeitgemäß.

„Ich finde schon, dass sich das private Feuerwerk zu Silvester negativ entwickelt hat“, unterstrich Zimmermann. Es ginge nicht mehr um ein schönes Feuerwerk, sondern um Krawall. Das sei für viele Menschen und auch für Tiere beängstigend.

Zudem müsse man die Umweltbelastung durch Feinstaub bedenken. Er sei der Ansicht, „dass ein solches Brauchtum nicht einfach weitergeführt werden muss ohne, dass wir einmal gemeinsam darüber nachdenken, ob es nicht auch bessere Alternativen gibt“.

Zimmermann plädierte für zentrale Feuerwerke, die zum Jahreswechsel in Städten und ländlichen Regionen gemeinschaftlich organisiert werden: „Das würde die bösen Geister auch vertreiben, vielleicht sogar viel intensiver, als wenn jeder sein kleines Feuerwerk ansteckt.“ Auch Licht- oder Lasershows wären denkbar. Der Deutsche Kulturrat ist der Dachverband der Bundeskulturverbände.

Böller-Verbot: Städte- und Gemeindebund dagegen

Dagegen stellt sich das Städte- und Gemeindebund gegen ein generelles Verbot von Silvesterfeuerwerk. Privates Feuerwerk und Böller zum Jahreswechsel hätten eine lange Tradition und seien ein "Ausdruck von Lebensfreude", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Passauer Neuen Presse" (Montagsausgabe). Daher sollten sie "nicht generell untersagt werden".

Mit pauschalen Verboten und gesetzlichen Einschränkungen "wird man nicht weiterkommen", sagte Landsberg. Jedoch müsse die Bevölkerung für die Belastungen sensibilisiert werden, die durch das Feuerwerk für Mitmenschen, Tiere und das Klima entstünden. Es müsse für einen verantwortungsvollen Umgang mit Böllern und Feuerwerkskörpern geworben werden.

In vielen Kommunen gelten allerdings teilweise oder sogar völlige Verbote von Böllerei und Feuerwerk zu Silvester. In sehr vielen Städten und Gemeinden sei die Böllerei etwa nahe Senioren- und Kinderheimen untersagt, sagte Landsberg. Auch in Berlin gibt es mehrere Zonen, in denen Böller verboten sind.

Laut einer am Freitag von den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) veröffentlichten Umfrage befürwortet mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Bundesbürger allerdings ein generelles Böller-Verbot.

Hohe Feinstaubwerte erwartet

Neben dem Lärm und den Gefahren ist das private Böllern auch wegen des Feinstaubs in der Kritik. Nach Einschätzung des Umweltbundesamts (UBA) wird es vor allem in Städten und Ballungsräumen in Deutschland einen dramatischen Anstieg der Feinstaubwerte geben.

Stundenwerte um 1000 Mikrogramm Feinstaub (PM10) pro Kubikmeter Luft seien in der ersten Stunde des neuen Jahres in Großstädten keine Ausnahme, teilte Stefan Feigenspan von der UBA-Abteilung Beurteilung der Luftqualität in Dessau mit. Normal sind an anderen Tagen extrem viel geringere Werte: 2018 habe die mittlere PM10-Konzentration der städtischen Messstationen in Deutschland bei circa 18 Mikrogramm pro Kubikmeter gelegen.

Wie lange die Luftverschmutzung nach dem Feuerwerk anhält, hängt nach Angaben der Behörden stark vom Wetter ab. „Bei viel Wind und Regen verdünnen und verteilen sich die durch das Feuerwerk erzeugten Partikel schnell“, erklärt Thomsen. So könnten trotz der hohen Mengen erzeugten Feinstaubs die Konzentrationen relativ niedrig sein und gegebenenfalls unter dem Tagesgrenzwert bleiben. Bei anderen Wetterlagen kann Feinstaub laut UBA über Stunden in der Luft bleiben und sich in den unteren Schichten der Atmosphäre anreichern.

Gefahr von chronischen Krankheiten

Das UBA rechnet in einer Broschüre damit, dass pro Jahr rund 4200 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerk ausgestoßen werden, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Die Feuerwerksindustrie kritisierte diese Berechnung kürzlich als zu hoch und verwies auf eigene Messungen beim Abbrennen von Feuerwerk. Die Ergebnisse wolle man im Januar zunächst dem UBA und anschließend der Öffentlichkeit vorstellen, so der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI). Das UBA teilte dazu mit, die VPI-Messwerte würden geprüft.

Bei Feinstaub handelt es sich um kleinste Teilchen. Je nach Größe können diese nicht nur tief in Lunge und Bronchien, sondern auch ins Blut gelangen und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems hervorrufen. Extrem hohe Luftbelastung kann kleinen Kindern, Senioren, aber auch Asthmatikern und chronisch Lungenkranken akute Probleme wie Husten und Atembeschwerden bereiten.

Laut UBA gefährdet das Einatmen von Feinstaub die Gesundheit - „und zwar bei kurzfristig hoher wie auch bei langfristig erhöhter Belastung“. Vermutet werde, dass es bei dem Schadstoff keine Schwelle gebe, unterhalb derer keine schädigende Wirkung mehr zu erwarten ist. (epd, dpa, AFP, Tsp)

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