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Winternacht in Rom. Kinder bauen Schneemänner vor dem Kolosseum.

© AFP

Winter in Europa: Die Römer hat es kalt erwischt

Rom liegt unter einer Schneedecke wie seit 27 Jahren nicht mehr – Stille macht sich breit.

Sie balgen sich im Schnee, kichern und schnattern, bewerfen einander mit Schnee, der glitzert und in Wolken herumstaubt, als wäre er Puderzucker. Junge indische Nonnen genießen auf dem Petersplatz ein Spektakel, das sie noch nie erlebt haben. Ein paar Meter weiter, Richtung Obelisk, geht’s schon härter zur Sache: Da liefert sich eine Gruppe Priester – spanisch-, portugiesisch-, englischsprachig, alles durcheinander – eine Schneeballschlacht nach allen Regeln der Kunst. Eine Italienerin in grauen Dauerwellen, die sich als Haushälterin eines greisen Kardinals vorstellt, aber mit dem Fan-Schirm des AC Mailand durch die Gegend zieht, dirigiert so aufgeregt den Bau eines Schneemanns, als wäre sie ein halbes Jahrhundert jünger. Mindestens. Dann steckt sie der frisch geschaffenen Kreatur noch drei Zwei-Euro-Stücke und einen Kugelschreiber in den Kopf. Für Augen, Mund und Nase. Und fürs Foto natürlich, mit ihr selbst dahinter.

Rom ist am Wochenende unter einer Schneedecke aufgewacht, wie es eine solche seit 27 Jahren nicht mehr erlebt hat. Oder seit 56 Jahren? Oder seit 1939? Die Erinnerungen gehen durcheinander, bei den Leuten ebenso wie in den Zeitungen. So außergewöhnlich ist dieses Ereignis, dass alle Maßstäbe versagen.

An den meist einfach verglasten Fenstern der Wohnungen sind Eisblumen aufgeblüht. Berninis marmorne Engel auf der Brücke zur Engelsburg tragen weiße Polster auf ihren Flügeln; das Kolosseum liegt malerisch im Schnee; die nackten Dioskuren-Statuen vor dem Kapitol kleidet ein flockiges Lätzchen sogar dort, wo man eher ein Feigenblatt vermuten würde. Oleander- und Lorbeerbüsche biegen sich unter der ungewohnten Last zu Boden; die riesigen Schirmpinien gar, überall in der Stadt, erweisen sich als komplett untauglich für ein Wetter wie dieses: Zentnerschwere Äste krachen von jeder zweiten oder dritten herab – zu Lasten der Autos darunter. Weil die Autos nicht fahren, liegt eine Stille über der Stadt wie sonst nur am heißesten Tag der Sommerferien.

Stadt in Weiß. Blick auf den Petersplatz.
Stadt in Weiß. Blick auf den Petersplatz.

© dpa

Dieser Winter hat die Römer kalt erwischt. Mit gewaltigen Schneefällen ist er hereingebrochen; anfangs bildeten sich Staus auf den Straßen. Und während sich die seit der vergangenen Woche schneeerprobten norditalienischen Städte lustig machen über das Chaos in Rom, streitet Bürgermeister Gianni Alemanno mit dem nationalen Katastrophenschutz über die mangelnde Vorbereitung. 15 bis 35 Millimeter Niederschläge, sagt Alemanno, habe ihm der Katastrophenschutz vorhergesagt – und die bis zu zwanzigfache Menge sei es geworden. 30 bis 60 Zentimeter, je nach Stadtteil. „Dieser Bürgermeister ist nicht imstande, einen simplen Wetterbericht zu lesen“, blafft Franco Gabrielli als oberster Zivilschützer zurück. Meteorologen gäben Niederschlagsmengen immer in Millimetern an, und jeder wisse, dass Wassertropfen, einmal zu Schneeflocken aufgeplustert, mindestens den zehnfachen Raum beanspruchten.

Die Leute verdrießt’s nicht. Im Circus Maximus fahren sie Schlitten oder ziehen mit Langlaufskiern ihre Bahnen. Die Kinder hatten schon am Freitag schulfrei, am Montag werden sie es gleich wieder haben. Der Bürgermeister hat sogar, wenn auch erst nach 36 Stunden, die Anordnung erlassen, dass Privatleute die Gehsteige vor ihren Häusern gefälligst von Schnee und Eis zu befreien hätten. So etwas muss in Rom eigens befohlen werden.

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