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Die Werkszufahrt zum nordhessischen Wursthersteller Wilke.

© Uwe Zucchi/dpa

Wilke-Wurst mit Keimen belastet: Die Salami-Taktik

Verdorbene Wurstwaren aus dem hessischen Unternehmen Wilke wurden vermutlich bundesweit vertrieben. Doch Verbraucher warten immer noch auf wichtige Informationen.

Zwei Todesfälle und 37 Krankheitsfälle allein in Hessen – trotzdem geben die Behörden nur scheibchenweise Informationen zum Lebensmittelskandal um die hessische Firma Wilke preis: Während zunächst ausschließlich Wilke-Produkte von einem Rückruf betroffen waren, ist mittlerweile von mehr als 1100 Produkten die Rede, die nicht mehr zuverlässig Wilke zugeschrieben werden können. Dazu gehören Mortadella, Griebenschmalz aber auch vegane Brotaufstriche.

Vergangene Woche war der Betrieb im nordhessischen Twistetal-Berndorf geschlossen worden. Immer wieder konnten Listerien-Keime in Wilke-Produkten nachgewiesen werden. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem können die Keime tödlich sein. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt wegen fahrlässiger Tötung.

Die Wurst wurde bundesweit in allen Bundesländern vertrieben. Am Dienstagabend bestätigte das Verbraucherministerium in Potsdam, dass die Produkte auch nach Brandenburg gelangten.

Den Behörden war der Listerien-Verdacht bekannt

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert, dass der Rückruf der betroffenen Produkte zu spät erfolgt sei. Pressesprecher Dario Sarmadi sagte am Dienstag, dass die Behörden wochenlang von dem Verdacht auf Listerien gewusst hätten. Die Öffentlichkeit sei jedoch erst später informiert worden.

Das geht auch aus einer Antwort des Hessischen Umweltministeriums an Foodwatch hervor: Darin schreibt das Ministerium, dass es bereits am 12. August von dem Listerien-Verdacht erfahren habe. Erst sieben Wochen später erfolgte der bundesweite Rückruf aller Wilke-Produkte aus dem Verkauf. Auch den zuständigen Landkreis Waldeck-Frankenberg und das Regierungspräsidium Kassel informierte das Umweltministerium nicht umgehend über die Datenauswertung des Berliner Robert-Koch-Instituts, die den Verdacht auf Listerien ergeben hatte.

Verschimmelte Würste und verdorbener Leberkäse- ein anonymer Informant hat der örtlichen Tageszeitung Bilder zukommen lassen.
Verschimmelte Würste und verdorbener Leberkäse- ein anonymer Informant hat der örtlichen Tageszeitung Bilder zukommen lassen.

© "Waldeckische Landeszeitung"

Mehr als eine Woche später bat das Ministerium die zuständigen regionalen Institutionen um Unterstützung bei den Ermittlungen und die Übersendung der Lieferlisten. Auch das kritisiert Sarmadi: Nur „scheibchenweise und auf Druck“ würden die Behörden die Öffentlichkeit über Risiken aufklären. Besonders problematisch sei, dass nicht nur mit dem Firmenlogo von Wilke gekennzeichnete Produkte betroffen seien, sondern auch lose Waren. Deshalb fordert Foodwatch eine Liste von Verkaufsstellen. Den meisten Verbrauchern und Verbraucherinnen sei bis heute nicht klar, welche Fleischtheken vom Skandal betroffene Ware verkaufen, sagt Sarmadi. Der Möbelkonzern Ikea stoppte den Verkauf der Waren in seinen Restaurants umgehend, doch auch andere Unternehmen könnten betroffen seien.

Eine unveröffentlichte Lieferantenliste könnte bereits existieren

Darüber hinaus soll die Liste der Verkaufsstellen durch Caterer ergänzt werden, die beispielsweise Schulen und Krankenhäuser beliefern, fordert Foodwatch. Dafür setzte die Organisation dem hessischen Umweltministerium ein Ultimatum von 48 Stunden. Das verstrich am Dienstagnachmittag. Am Montagabend veröffentlichten die hessischen Behörden zwar eine Liste mit den vom Rückruf betroffenen Produkten. Eine Liste der Verkaufsstellen fehlt aber immer noch, kritisiert Sarmadi. Seine Organisation drohte am Dienstag gerichtliche Schritte an, falls die Liste nicht veröffentlicht wird oder unzureichend ausfällt. Foodwatch sei sich sicher, dass das Umweltministerium nicht alle Informationen preisgibt. Eine unveröffentlichte Lieferantenliste existiere längst.

Der öffentliche Druck auf die zuständigen Behörden steigt auch von anderer Seite. So berichtete der frühere Wilke-Abteilungsleiter in einem RTL-Interview von den „katastrophalen Zuständen“ in der Wurst-Produktion. Von diesen hätten die Veterinäre gewusst, so lautet sein Vorwurf. Verschimmelter Darm sei nicht ordnungsgemäß entsorgt worden. Der Informant berichtete weiter, dass die vergammelten Produkte weiterverarbeitet worden sein sollen. Untermauert werden die Vorwürfe durch Fotos, die der "Waldeckischen Landeszeitung“ von einem Informanten zugeschickt wurden. Auf ihnen sind verschimmelte Würste, verschimmelter Leberkäse, schmutzige Rohre neben Produktionsbereichen und auf dem Boden liegende Wurstwaren zu sehen.

Auch andere Bundesländer sind betroffen

Von den verdorbenen Wurstlieferungen ist auch das Universitätsklinikum Köln betroffen: Das Krankenhaus räumte – nach dem Rückruf der Wurstwaren – einen Fehler bei seiner Tochtergesellschaft „UniReha“ ein: Patienten seien noch weiterhin Wilke-Ware angeboten worden. Auch in anderen Bundesländern haben sich Menschen inzwischen mit de„"n Keimen infiziert. Ein Sprecher des Landesgesundheitsamtes Niedersachsen sagte am Dienstag, dass drei Fälle bekannt geworden seien, in denen ein Listerientyp nachgewiesen wurde. Die Keime seien genetisch verwandt mit den Listerien aus dem Wilke-Betrieb.

Außerdem geht das Landesamt für Umwelt- und Naturschutz in Nordrhein-Westfalen davon aus, dass nahezu jeder Bürger Zugang zu den Waren von Wilke gehabt haben soll. Der Skandal um den Wursthersteller könnte also weitreichendere Folgen haben als bisher erwartet. (mit dpa/AFP)

Inga Hofmann

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