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Jerome Boateng kam für den Prozess nach München zurück. Dort hatte er lange für den FC Bayern gespielt.

© Christoph Stache/AFP

Update

Ein Fußballstar und die Frauen: Jerome Boateng wegen Körperverletzung verurteilt

Jerome Boateng hat sich öfter gegen den Vorwurf der Körperverletzung gewehrt. Dass er nun verurteilt worden ist, könnte das Bild von ihm nachhaltig verändern.

Von Katrin Schulze

Es ist nur ein Prozess. Die Richter und Anwälte in München beschäftigt die Frage, ob ein Streit zwischen Jerome Boateng und seiner Ex-Partnerin derart eskaliert ist, dass der Fußballstar handgreiflich geworden ist. Verdacht auf Körperverletzung. So weit, so schlecht. Dass Boateng sich diesem Vorwurf in aller Öffentlichkeit stellen muss, mag für sein Image schlimm genug sein. Doch wenn man sich seine Geschichte genauer ansieht, geht es um mehr.

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Boateng wird am Donnerstag tatsächlich wegen vorsätzlicher Körperverletzung an seiner früheren Lebensgefährtin verurteilt, das Amtsgericht München verhängt eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30.000 Euro, macht insgesamt 1,8 Millionen Euro. Die Entscheidung könnte das Bild, das von Jerome Boateng existiert, nachhaltig verändern.

Zuvor konnte ihm nichts nachgewiesen werden, obwohl er in der jüngeren Vergangenheit – und nicht nur in der – mit einigen heftigen Vorwürfen konfrontiert worden ist. Über den wohl heftigsten hat der „Spiegel“ vor kurzem eine große Story gebracht. Es ging um Machtmissbrauch, Mobbing – und den Suizid seiner Ex- Freundin, dem Model Katarzyna Lenhardt, genannt Kasia. Deren Mutter hat im „Spiegel“ Nachrichten, Videos und Chats offengelegt, die nahelegen, dass Lenhardt sich als Opfer einer Hasskampagne empfunden hat, die Boateng mit steuerte.

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Wenige Tage vor ihrem Tod hatte der Fußballer ihr via „Bild“-Zeitung Erpressung vorgeworfen. Was folgte, waren zig Beleidigungen in den sozialen Medien – ein Shitstorm gegen Lenhardt. Ob er ursächlich oder teilweise ursächlich für ihren Suizid war, lässt sich wahrscheinlich nicht mehr klären. Der „Spiegel“ schreibt: „Lenhardt wurde Opfer eines Systems, das beschrieben werden muss, weil es sich wiederholen kann.“

Boateng und die Frauen: Geschichten darum hat es einige gegeben, über Beziehungen, Trennungen, Affären, mal mehr, mal weniger öffentlich. Doch wie weit ist es gegangen, ist er gegangen: Hat er seine Position und seine Mittel ausgenutzt? Gab es Drohungen? Oder gar mehr?

Nicht nur im aktuellen Fall, auch im Fall von Kasia Lenhardt waren Vorwürfe laut geworden, Boateng solle handgreiflich geworden sein – ein zwischenzeitlich eingestelltes Verfahren wurde wegen „neuer Hinweise“ nach ihrem Tod wieder aufgenommen.

Auch mit dem Model Kasia Lenhardt hatte Boateng eine Beziehung.
Auch mit dem Model Kasia Lenhardt hatte Boateng eine Beziehung.

© imago images/Future Image

Boateng hat gewalttätige Übergriffe stets bestritten. So auch beim Prozess am Donnerstag. Er habe seine frühere Lebensgefährtin nicht geschlagen und verletzt, sagt der 33-Jährige. Der Anklage zufolge soll er sie im Karibikurlaub 2018 geschlagen, geboxt, ihr in den Kopf gebissen, sie auf den Boden geschleudert und dabei heftig beleidigt haben. Seine Ex-Partnerin sagt vor dem Amtsgericht, er habe sie angespuckt. Dann sei sie auf die Knie gefallen, bevor er ihr so stark „in die Niere geboxt“ habe, dass sie keine Luft mehr bekommen habe.

Außerdem – heißt es von der Staatsanwaltschaft – soll Boateng „in voller Wucht“ eine Glaslaterne und eine Kühltasche auf sie geworfen haben. Boatengs Ex-Freundin behauptet, es sei nicht der erste Vorfall dieser Art gewesen, sehr wohl aber der heftigste. Eine Freundin, die damals im Urlaub dabei war, berichtet, sie habe Angst vor Boateng bekommen, weil der auf seine Partnerin eingeschlagen hätte, „mit Fäusten“.

Zwei Versionen einer Geschichte

Boatengs Version geht so: Seine ehemalige Lebensgefährtin sei aggressiv und beleidigend geworden, habe ihn in einem Streit an der Lippe verletzt und auf ihn eingeschlagen. Als er sie dann von sich habe wegschieben wollen, sei sie gestürzt. Er habe auch keine Laterne auf sie geworfen, sondern ein Kissen gegen einen Tisch, dabei sei die Laterne zu Boden gefallen. Ein toller Urlaub sei es gewesen, vor und nach dem Streit, bei dem es unter anderem um die Frage nach der Organisation ihres Lebens gegangen sein soll. Boateng habe vom FC Bayern nach Paris wechseln wollen. Weiteres Streitthema: Treue und andere Partner.

Es ist bisher nicht leicht gewesen, ein schlüssiges Bild von Boateng zu zeichnen. Öffentlich hat er sich immer familiär gezeigt und beispielsweise Fotos seiner 2011 geborenen Zwillingstöchter oder seines kleineren Sohnes gepostet. Überhaupt galt der Junge aus Berlin-Charlottenburg lange als eine Art Idealbild eines Aufsteigers – wie sein Bruder Kevin-Prince. Mit ihren Fußballkünsten haben es beide bis in die Nationalmannschaft gebracht, der eine in die deutsche, der andere in die Ghanas.

Er war Idol und Sympathieträger

Unvergessen, als AfD-Mann Alexander Gauland bemerkte, „einen wie Boateng nicht als Nachbarn haben“ zu wollen und dem mehr als halb Deutschland widersprach. Viele hätten gerne neben Jerome Boateng gewohnt. Das Bild des einstigen Lieblings hat spätestens seit Donnerstag Risse bekommen. Die Schlammschlachten mit seiner Ex-Freundin haben dazu beigetragen. Wie „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten, sollen sich die Frauen, gegen die Boateng juristisch vorgegangen ist, untereinander kontaktiert haben, auch von einer dritten Frau ist die Rede. Ungereimtheiten hatte es nach Angaben der Frauen darüber gegeben, wann welche Beziehung zu Ende ging und wann welche begann.

Boateng spielt mittlerweile bei Olympique Lyon in Frankreich. Auf Instagram teilen seither viele ihren Unmut über das Engagement mit – unter Hashtags wie #boykottboateng und #boatengnoidol (Boateng kein Idol).

[Lesen Sie bei Tagesspiegel-Plus ein Porträt über die Rückkehr von Jeromes Bruder Kevin-Prince Boateng nach Berlin zu Hertha BSC]

Für den Prozess ist Boateng zurück nach München gekommen, wo er jahrelang für den FC Bayern gespielt hat. Ihn begleiten sein Anwalt und Bodyguards. Natürlich ist es Boateng gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen, nur ist ein Gerichtssaal kein Fußballfeld. Trotzdem gibt er sich entspannt. Der Prozess, der ursprünglich nur für einen Tag angelegt ist, zieht sich auch in die Länge, weil Boateng ausführlich von der On-Off-Beziehung der beiden und den Auseinandersetzungen erzählt. Er bleibt bei seiner Aussage, keine Schuld zu haben und sich keiner Schuld bewusst zu sein.

In der großen Story des „Spiegel“ über Jerome Boatengs andere Ex-Freundin Kasia Lenhardt hat das schon vor dem Urteil am Donnerstag ein bisschen anders geklungen. Da wird gleich zu Beginn eine Sprachnachricht von ihm an sie zitiert: „Es tut mir leid, wirklich. Ey, ich mach alles kaputt. Ja, überall wo ich hinkomme ich mache alle kaputt. Alle Leute leiden wegen mir.“ (mit dpa)

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