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Vier Männer sind am Samstagabend im niederbayerischen Straubing aus einer geschlossenen Klinik entflohen.

© Armin Weigel/dpa

Update

Fahndung nach vier Straftätern in Bayern: Entkommene aus geschlossener Klinik auf Flucht

Seit Samstagabend sucht die Polizei vier entkommene Insassen einer psychiatrischen Einrichtung in Straubing. Es wird wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Die geflohenen Männer gelten als gefährlich.

Stand:

Die Polizei fahndet weiter nach vier aus einer geschlossenen Klinik in Straubing geflohenen Straftätern. Die Gebietsabsuche nach den Männern sei inzwischen eingeschränkt, sagte ein Polizeisprecher am frühen Montagmorgen. Man suche etwa, wenn es entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung gebe. Ferner werde im sozialen Umfeld der Flüchtigen ermittelt, etwa mittels Befragungen oder Durchsuchungen. 

Kripo und Staatsanwaltschaft ermittelten wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung. Die geflohenen Straftäter im Alter von 27, 28 und 31 Jahren gelten laut Polizei als gefährlich. Sie entkamen am Samstagabend aus dem Bezirkskrankenhaus (BKH). 

Die Männer befänden sich aufgrund von Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten im Maßregelvollzug des Bezirksklinikums. Die vier aus einer geschlossenen Einrichtung in Straubing geflüchteten Straftäter sollen einem dortigen Mitarbeiter mit dem Tod gedroht haben.

Die Lage sei „akut lebensbedrohlich“ gewesen, weshalb ein Sicherheitsmitarbeiter die Pforte geöffnet habe, wie der Bezirk Niederbayern als Träger der Klinik mitteilte. Während die Fahndung nach den Männern laut Polizei auf Hochtouren läuft, hat eine politische Diskussion um mögliche Konsequenzen begonnen.

Den Erkenntnissen nach überwältigten und schlugen die vier Männer am Samstagabend einen Mitarbeiter im Bezirkskrankenhaus (BKH) und zwangen ihn, mit ihnen in den Eingangsbereich zu gehen. Aufgrund von vier hintereinander geschalteten Sicherheitstüren hätten die Männer nicht entkommen können. Mit einem spitzen Gegenstand hätten sie dem Mitarbeiter gedroht, ihn zu töten, sollten die Türen nicht geöffnet werden.

Ich kann die Sorgen und die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger in dieser Ausnahmesituation nachvollziehen

Ulrike Scharf, Bayerns Sozialministerin (CSU)

Nachdem der Sicherheitsmitarbeiter die Schleuse geöffnet hatte, hätten die Männer den verletzten Mitarbeiter zurückgelassen und seien zu Fuß geflohen.

Einige Dutzend Polizisten im Einsatz

Im Maßregelvollzug sind Menschen untergebracht, die aufgrund von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit - etwa wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtkrankheit - nicht in den Strafvollzug und somit nicht in ein Gefängnis kommen.

Ein Patient sei wegen Diebstahlsdelikten, ein weiterer wegen Körperverletzung im Drogenmilieu sowie Diebstahlsdelikten und zwei Patienten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzung im Drogenmilieu verurteilt worden. 

Eine Sprecherin des Bezirkes Niederbayern teilte am Sonntagabend mit, dass bei drei der vier Männer geplant war, den Abbruch der Therapie anzuregen. Einer der Männer habe kurz zuvor einen sogenannten Lockerungsmissbrauch begangen: Er sei von einem Freigang nicht zurückgekehrt und habe von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht werden müssen, erläuterte eine Sprecherin.

Einige Dutzend Einsatzkräfte bemühen sich laut Polizei derzeit, die Männer aufzuspüren. Ein Hubschrauber und Suchhunde seien in der Nacht zum Montag - anders als in der vorherigen Nacht - nicht zur Fahndung genutzt worden. Durch Zeugenhinweise habe man zwar noch keinen konkreten Erfolg, aber Ermittlungsansätze generieren können, sagte ein Polizeisprecher. 

Bürgerinnen und Bürger wurden aufgerufen, keine Anhalter mitzunehmen und sich verdächtigen Personen nicht zu nähern. Stattdessen sollten sie den Polizeinotruf 110 wählen. 

BKH-Chefarzt Joachim Nitschke sagte, man sei sich darüber bewusst, dass das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger durch die Vorfälle vom Wochenende gelitten habe. „Dafür habe ich Verständnis und bedauere diesen Umstand. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass das BKH Straubing eine sehr sichere Einrichtung ist, bei der es, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, zu sehr wenigen Lockerungsmissbräuchen kommt.“

Nitschke regte an, Regularien zu erarbeiten, um bei einem empfohlenen Therapieabbruch seitens der Klinik Patienten früher in eine Justizvollzugsanstalt verlegen zu können. In diesem Fall hätten die Mitarbeiter den Sicherheitsbestimmungen entsprechend gehandelt.

Ministerin fordert Konsequenzen

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) forderte am Sonntag eine detaillierte Aufarbeitung des Vorfalls sowie Konsequenzen. „Es kommt alles auf den Prüfstand. Vom Maßregelvollzug darf keine Gefahr für die Bevölkerung und die Mitarbeiter in den forensischen Kliniken ausgehen“, teilte sie mit. „Die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung haben oberste Priorität.“ 

Die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen müssten bayernweit verschärft und verbessert werden, so die Ministerin. Dazu gehöre die Weiterentwicklung von Geisellage-Szenarien und Schulungen für die Mitarbeiter. Es müsse auch geprüft werden, ob in bestimmten Fällen Therapieabbrüche und eine Überstellung in die Justizvollzugsanstalten schneller rechtssicher stattfinden können. „Solche Ausbrüche dürfen nicht wieder passieren.“

Die Ministerin sagte weiter: „Ich kann die Sorgen und die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger in dieser Ausnahmesituation nachvollziehen. Bitte beachten Sie die Hinweise der Polizei und verhalten Sie sich weiter ruhig und besonnen.“

Kritik aus der Landtagsopposition

Deutliche Kritik kam von der Landtags-SPD. Die Ankündigung von Sozialministerin Scharf, nach dem Vorfall alles auf den Prüfstand zu stellen, dürfe nicht „in einem anlassbezogenen Aktionismus verpuffen“, teilte Horst Arnold, SPD-Sprecher für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, mit. Der Fluchtfall müsse schonungslos und selbstkritisch analysiert werden, forderte er und sprach von einem Desaster für die Staatsregierung.

Für zusätzlichen Diskussionsstoff sorgt ein weiterer Fall: Erst am 9. August war ein Insasse des Bezirkskrankenhauses Mainkofen im niederbayerischen Deggendorf geflohen - allerdings während eines begleiteten Freigangs. Insofern seien die Fälle nicht vergleichbar, sagte Nitschke.

Der 24-Jährige aus Mainkofen, der 2022 wegen eines Totschlags verurteilt worden war und als psychisch krank eingestuft ist, entkam seinen Begleitern während eines Kinobesuchs in Plattling. Knapp acht Stunden später wurde er von der Polizei gefasst und in die Klinik zurückgebracht.

Das Bezirkskrankenhaus Straubing ist nach eigenen Angaben eine Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllt den gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzuges unter der Trägerschaft des Bezirkes Niederbayern. Es gibt 230 Therapieplätze. (dpa)

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