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Von der Mafia in den Vatikan: Ex-Staatsanwalt Giuseppe Pignatone deckte schon die Machenschaften der sizilianischen und römischen Mafia auf.

© Alessandro di Meo/dpa

Finanzskandal im Vatikan: Mafia-Ermittler soll Betrug aufklären

Ex-Staatsanwalt Giuseppe Pignatone soll den Finanzskandal am Heiligen Stuhl aufklären. Es soll um Geldwäsche und Spendenmissbrauch gehen.

Papst Franziskus greift durch: Zur Aufklärung des jüngsten Skandals im Kirchenstaat holt er sich den 70-jährigen Giuseppe Pignatone an seinen Hof. Der Sizilianer ist einer der profiliertesten und erfolgreichsten Mafia-Jäger Italiens und war im vergangenen August nach jahrzehntelanger Karriere im Dienst der Justiz pensioniert worden. Schlagzeilen machte Pignatone, als er im Jahr 2015 nach intensiven Ermittlungen die Römer „Mafia Capitale“ hatte auffliegen lassen. Jahre zuvor hatte er als Staatsanwalt von Palermo unter anderem den mafiösen Bürgermeister der Stadt überführt und später den damaligen Superpaten der Cosa Nostra, Bernardo Provenzano, zur Strecke gebracht.

Finanzbehörde im Verdacht der Geldwäsche

Nun wird der als äußerst hartnäckig bekannte Pignatone in einem für ihn neuen Umfeld ein ebenfalls mafiös anmutendes Geflecht von Finanzjongleuren im Vatikan unter die Lupe nehmen. Bei einer Großrazzia in den Palazzi des Kirchenstaats hatten Beamte der vatikanischen Gendarmerie am Dienstag die Büros der ersten Abteilung des vatikanischen Staatssekretariats sowie die Räume der Finanzaufsichtsbehörde AIF durchsucht. Dabei wäre die AIF am Heiligen Stuhl eigentlich für die Bekämpfung von Geldwäscherei und trüben Finanzaktionen zuständig. Bei der Razzia beschlagnahmten die Gendarmen Computer, vertrauliche Akten und Bilanzen. Fünf Kurien-Mitarbeiter, darunter der Direktor der AIF, Tommaso di Ruzza, wurden einstweilen vom Dienst suspendiert. Di Ruzza ist von Papst Franziskus erst in diesem Jahr zum AIF-Direktor ernannt worden, als Nachfolger des Schweizer Anti-Geldwäsche-Spezialisten René Brülhart, der zum Präsidenten der AIF befördert wurde. Vorläufig vom Dienst suspendiert wurden auch zwei hohe Funktionäre des Staatssekretariats, der wichtigsten administrativen Behörde im Kirchenstaat. Laut einer eher dürren Mitteilung des vatikanischen Presseamts sind die Ermittlungen Anfang dieses Sommers eingeleitet worden. Der Hinweis auf die Machenschaften war aus der Vatikanbank IOR gekommen, die selbst nicht den besten Ruf genießt.

Auch Spenden sollen missbraucht worden sein

Bei der neuen Affäre geht es um illegale oder zumindest wenig opportune Finanzgeschäfte seitens der fünf Kurien-Mitarbeiter und eventuell weiterer Personen. Unter anderem hätten die Verdächtigen rund 200 Millionen Euro in eine Immobilie in der Londoner Innenstadt investiert; auch von möglicher Geldwäsche ist die Rede. Außerdem kolportieren italienische Vatikan-Spezialisten, dass bei diesen dubiosen Machenschaften auch Mittel des sogenannten Peterspfennigs zweckentfremdet worden seien: Der Peterspfennig wird von den Gläubigen auf der ganzen Welt gespendet und sollte eigentlich die karitative Arbeit des Papstes unterstützen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Spendengelder in andere Kanäle geraten wären.
Die Ermittlungen stehen erst am Anfang. Ob und welche Straftaten begangen wurden, ist derzeit noch nicht klar. Fest steht jedoch bereits jetzt, dass der neue Skandal um dubiose Millionen-Spekulationen wenig kompatibel ist mit der von Franziskus propagierten „armen Kirche für die Armen“. Und es zeigt sich einmal mehr, dass die Bemühungen des Papstes, die vatikanische Güterverwaltung – die eigentliche Schatzkammer des Kirchenstaats mit einem milliardenschweren Immobilienbesitz – und die Vatikanbank IOR aufzuräumen und zu reformieren, bisher wenig gefruchtet haben. „Die Wahrheit ist doch, dass die Reformen von Franziskus gescheitert sind, insbesondere jene im Finanzbereich“, zitiert der „Corriere della Sera“ einen hohen Kurienkardinal. Nun soll der Mafia-Jäger Pignatone ein für alle Mal Licht in das Dunkel bringen.
Bisher hatte Franziskus bei der Besetzung der Schlüsselpositionen in den vatikanischen Finanzorganen nicht immer eine glückliche Hand bewiesen. Der eklatanteste Fall ist der australische Kurienkardinal George Pell, den der Papst zum allmächtigen Finanzchef des Vatikans gemacht hatte und der Anfang dieses Jahres von einem Gericht in Melbourne wegen sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben verurteilt worden ist. Das von Pell geführte Wirtschaftssekretariat ist seither verwaist. Schon im Sommer 2017 musste der Generalrevisor des Vatikans, Libero Milone, sein Amt niederlegen. Auch in der Führung des IOR ist es in der Ära Bergoglio mehrfach zu Wechseln gekommen, deren Gründe zum Teil im Dunkeln geblieben sind. Und seit Dienstag ist nun auch, nach wenigen Monaten im Amt, der Direktor der Anti-Geldwäsche-Behörde AIF beurlaubt.

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