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Panorama: Gehen Sie direkt ins Paradies!

Ein türkischer Verleger hat das islamische Gegenspiel zu Monopoly auf den Markt gebracht – nur verkauft es sich eher schlecht

Viel ist an dem Kapitalismus-Spiel Monopoly schon kritisiert worden – aber dass es zu christlich sei, das zählte bisher nicht dazu. Zu Unrecht, findet der türkische Verleger Hakan Sarihan: Monopoly vermittele die Werte des Kapitalismus, und die seien nun einmal christlichen Ursprungs. Um türkische Kinder vor dieser Indoktrination zu bewahren und sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, entwickelte Sarihan ein islamisches Gegenspiel zu dem kapitalistischen Klassiker unter den Brettspielen. Beim „Frömmigkeitswettkampf“, wie das nach Monopoly-Muster angelegte Spiel heißt, geht es um Tugend statt um Geld. Und wer gewinnt, der kommt ins Paradies.

Ein paar Änderungen musste Sarihan am Monopoly-Muster schon vornehmen, um es gottgefällig zu halten. Statt Geld und Immobilien sammeln die Spieler Gummipunkte beim lieben Gott, um ans Ziel zu kommen. Und statt Würfeln, die zu sehr ans Glücksspiel gemahnen, wird im „Frömmigkeitswettkampf“ ein Kreisel verwendet, um weiterzukommen. Ansonsten sieht das Spielbrett der Vorlage des 75-jährigen Klassikers sehr ähnlich – vom Inhalt einmal abgesehen. „Sie haben im Koran gelesen“ heißt es auf einem Spielfeld zum Beispiel, und das gibt 100 Frömmigkeitspunkte. Eine Pilgerfahrt nach Mekka bringt 200 Frömmigkeitspunkte sowie eine Pilgerurkunde, die Einhaltung der Fastenzeit 150 Punkte und das Abendgebet immerhin noch 120 Punkte.

Damit es auf dem Weg ins Jenseits nicht langweilig wird, gibt es zwischendrin Wissensfragen zu beantworten. Wer zum Beispiel weiß, dass die islamische Zeitrechnung mit der Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina im Jahr 622 beginnt, der ist dem Paradies wieder um 40 Frömmigkeitspunkte näher gekommen. Rückschläge gibt es auf dem Pfad der Tugend natürlich auch zu verzeichnen, etwa durch den Genuss einer Zigarette, der mit einem Abzug von 80 Frömmigkeitspunkten zu Buche schlägt. In die Hölle kommen Verlierer aber nicht, worauf Erfinder Sarihan ausdrücklichen Wert legt: Anders als der Kapitalismus, der Verlierertypen bei Monopoly in den Bankrott treibt, ist der Islam eben nicht unbarmherzig.

Gedacht hat Sarihan den „Frömmigkeitswettkampf“ eigentlich vor allem für die Kinder von Auslandstürken in Westeuropa, die kaum in die Moschee kämen und von christlichen Werten umgeben seien. Allerdings ist sein Spiel auch bei frommen Moslems nicht unumstritten. „Ein Kind, das dieses Spiel spielt, wird seinen Großvater nach dem Besuch der Moschee mit Sicherheit fragen, wieviele Punkte es dafür bekommen hat“, wandte ein Kritiker bei einer türkischen Diskussionsrunde ein. „Im übrigen steht es laut Koran niemandem zu, andere Menschen zu bewerten“, wandte ein anderer Diskussionsteilehmer ein. „Dieses Recht hat Allah alleine.“

Kein Wunder ist es vor diesem Hintergrund, dass der Vertrieb des „Frömmigkeitswettkampfes“ unerwartete Probleme bereitet: Obwohl das Spiel qualitativ hochwertig hergestellt und mit umgerechnet 15 Euro auch relativ günstig sei, weigerten sich die großen Spielzeughandlungen in der Türkei, es in ihre Sortimente aufzunehmen, klagt Sarihan. „Monopoly verkaufen sie doch auch - soll denn das eine Propaganda sein und das andere nicht?“

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