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„Ich habe ein starkes Interesse an Menschen, ich bin ein Menschenfresser“: Bilder seines Lebens – zum Tod von Rosa von Praunheim
Wäre die Schwulenbewegung ohne ihn da, wo sie heute ist? Rosa von Praunheim, Filmemacher, Künstler und Vorreiter der queeren Comunity, ist am Mittwoch mit 83 Jahren in Berlin gestorben.
- Anke Dessin
- Claudia Seiring
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Unmöglich, dieses intensive, aktive, umtriebige Leben zu erfassen. Wir würdigen Rosa von Praunheim mit einigen Bildern aus seinem Leben, die viel über einen Menschen erzählen, der schon vor mehr als 60 Jahren mutig und unbeirrt beim Namen nannte, was andere sich nicht zu denken trauten. Und damit Türen aufgestoßen hat wie kaum ein anderer. In einem Interview mit der „taz“ zu seinem 70. Geburtstag sagte von Praunheim im Jahr 2012: Ich finde es ja eher ein Geschenk, wenn Menschen mich lieben. Ich habe ja ein starkes Interesse an Menschen. Ich bin ein Menschenfresser.“

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Immer politisch, immer künstlerisch. „Raus aus den Toiletten, rein in die Strassen“ steht auf dem Plakat im Rücken von Praunheims. „Abfallprodukte der Liebe“ lautete der Titel der Ausstellung im Berlin des Jahres 2018.

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Männer, die sich küssen – im Deutschland der 1970er Jahre ein Tabubruch. Die Szene stammt aus dem Film „Nicht der Homomosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“mit dem Rosa von Praunheim im Jahr 1973 schlagartig bekannt wurde. Mehr als 70 Mal fällt in dem Film das Wort „schwul“ und wird so vom homophoben Schimpfwort zur positiven Selbstbezeichnung umbewertet.

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Mit Charlotte von Mahlsdorf (rechts) demonstriert von Praunheim 1993 am Rande der Berlinale gegen Rassismus.

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Zum Papstbesuch von Benedikt XVI. im September 2011 protestieren seine Gegner in Berlin unter dem Motto „Keine Macht den Dogmen“. Natürlich verkleidet sich Rosa von Praunheim und trägt eine Mitra, die Kopfbedeckung der Bischöfe.

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Geboren 1942 im deutsch besetzten Riga, wuchs der spätere Regisseur als Holger Mischwitzky bei Adoptiveltern auf. Wie er erst mit mehr als 60 Jahren erfuhr, kam er im Zentralgefängnis von Riga zur Welt und verbrachte das erste Jahr im Waisenhaus. Im Dokumentarfilm „Meine Mütter – Spurensuche in Riga“ begab er sich 2007 auf die Suche nach den Wurzeln seines Lebens.

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Als allein wegen seiner diversen Auftritte in diversen Outfits geschätzter Gast war von Praunheim in vielen Talkshows zu Gast. Hier ist er bei der NDR-Talkshow im Jahr 1992 zu sehen, neben ihm saß damals Gerhard Schröder im Anzug und mit gelber Krawatte vor blaßblauem Hemd – ein starker Kontrast zu Praunheims Uniform mit Geglitzer.

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Alfred Biolek – mit Musikerin Annette Humpe im Sommer 1985 – wurde gegen seinen Willen von Rosa von Praunheim geoutet. Genauso wie dem damals 57-jährigen Biolek erging es auch …

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… Hape Kerkeling, der hier im April 1991 als Königin Beatrix der Niederlande vor dem Schloss Bellevue in Berlin seinen Anhängern winkt. Rosa von Praunheim outete die beiden beliebten Fernsehstars gegen ihren Willen 1991 beim „Heißen Stuhl“ von RTL als homosexuell. Das sei als „ein Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aidskrise“ zu verstehen gewesen, erklärte von Praunheim später. Er habe schwule Sympathieträger, die versteckt lebten, zur Solidarität mit der Homosexuellengemeinschaft bewegen wollen.

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Unmöglich, die Zahl der Praunheim-Projekt oder auch der Preise, die er für seine Arbeit erhielt, hier zu dokumentieren. Im bunten Anzug und natürlich mit Hut erhält er im Januar 2020 den Ehrenpreis des 41. Filmfestivals Max Ophüls.

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„Ich bin schwul und das ist auch gut so.“ Hätte Klaus Wowereit, einst Regierender Bürgermeister von Berlin, diesen Satz sagen können? Wenn Menschen wie Rosa von Praunheim nicht das schwule Leben aus den Schmuddelecken bürgerlicher Fantasien in die Mitte der Gesellschaft gerückt hätten?

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Regisseur Tom Tykwer gehört neben Julia von Heinz, Chris Kraus, Axel Ranisch und Robert Thalheim zu den fünf Filmschaffenden, die mit dem semidokumentarischen Film „Rosakinder“ 2012 ihren Mentor und Professor für Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam ehren.

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Hat er nicht gerade geheiratet? Das war am Mittwoch die vielleicht häufigste Reaktion auf die Nachricht vom Tod Rosa von Praunheims. Seit 2008 waren er und Oliver Sechting (links) ein Paar, am Freitag gaben sie sich in Berlin-Schmargendorf das Ja-Wort. Sie trugen Ringe mit einem grünen Frosch: Von Praunheim hatte Sichting gesagt, dass er im nächsten Leben als Frosch wiedergeboren werden möchte.
Rosa von Praunheim ist tot. Der Künstler starb in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 83 Jahren in Berlin – „überraschend, aber völlig friedlich“, wie es aus seinem persönlichen Umfeld heißt. Überraschend – das hätte ihm sicher gefallen.
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