zum Hauptinhalt
Ein mit einer Drohne aufgenommenes Foto zeigt die überflutete niederschlesische Kleinstadt Klodzko (Glatz) im Südwesten Polens. Nach dem Bruch eines Staudamms im Schneegebirge an Polens Grenze zu Tschechien hat sich die Situation in Klodzko weiter verschärft.

© dpa/Maciej Kulczynski

„Ich traue meinen Augen nicht“: Staudamm in Polen gebrochen – Wassermassen spülen Wohnhäuser weg

Nach dem Bruch eines Staudamms ist der Süden Polens durch Hochwasser bedroht. Die Situation ist nach heftigen Regenfällen angespannt, es gibt mindestens ein Todesopfer.

Von Jacek Lepiarz

Stand:

Mehr als ein Vierteljahrhundert nach der katastrophalen Flut von 1997 ist der Süden Polens erneut durch das Hochwasser in der Oderregion bedroht.

Nach heftigen Regenfällen ist die Situation vor allem in den Woiwodschaften Dolny Śląsk (Niederschlesien) und Opolskie (Oppeln) angespannt. Polens Regierungschef Donald Tusk will den Katastrophenalarm auslösen. 

Nach dem Bruch eines Staudamms am Fluss Biała Lądecka in Stronie Śląskie wurden am Sonntag mehrere Ortschaften in Kotlina Kłodzka (Glatzer Kessel) überflutet. Der Fernsehsender TVN zeigte dramatische Bilder, wie die Wassermassen ganze Wohnhäuser in Stronie Śląskie wegspülen. 

„Ich traue meinen Augen nicht“, sagte der aus dem Ort stammende Sportjournalist Sebastian Szczęsny. Nach seinen Angaben wurde der Staudamm vor fast 120 Jahren von den Deutschen errichtet. 1997 hatte er der Flut standgehalten, diesmal brachen die Seitendämme.  

Ein Mann steht in hüfthohem Wasser in Klodzko (Glatz).

© dpa/Krzysztof Zatycki

Die gefährlichste Situation herrschte am Nachmittag in der Kleinstadt Kłodzko (Glatz). Unter Wasser standen dort zehn Straßen. Im Stadtzentrum erreichte das Wasser zwischen 0,5 und 1,5 Meter. 

Die Glatzer Neiße, ein Nebenfluss der Oder, hat einen Pegelstand von fast sieben Metern. Üblich ist ein Wasserstand von etwa einem Meter. Mehrere Ortschaften, darunter Kurort Lądek Zdrój, sind durch Wassermassen von der Außenwelt abgeschnitten. „Die Lage ist im Hochwassergebiet dramatisch“, sagte Polens Premier Donald Tusk beim Besuch in Kłodzko. 

Die Lage ist im Hochwassergebiet dramatisch.

Donald Tusk, Ministerpräsident Polen

Auch in der benachbarten Woiwodschaft Oppeln hat sich die Lage verschärft. In der Stadt Nysa wurden mehrere Straßen überflutet. An der Rettungsaktion beteiligen sich mehrere hundert Feuerwehrleute.

Der Bürgermeister der Stadt, Kordian Kolbiarz, rief Einwohner zur Evakuierung oder zum Umzug in die höheren Stockwerke auf. Am Nachmittag drang das Wasser in ein Krankenhaus ein. „Die Lage ist sehr ernst“, sagte ein Polizeisprecher der Polnischen Presse-Agentur PAP.  

Evakuierungen mit Helikoptern

Die Soldaten und Feuerwehrleute retten die Einwohner bedrohter Gebiete. Das Verteidigungsministerium schickte nach Stronie Śląskie einen Hubschrauber Mi-17. Die Polizei stellte drei weitere Hubschrauber zur Verfügung. „Möglich ist nur noch Evakuierung aus der Luft“, sagte Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz nach einem Krisentreffen am Sonntagnachmittag in Kattowitz.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk (M) und der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemioniak (Mitte links) nehmen an einer Sitzung des Krisenstabs zur Überwachung der Lage in den Regionen teil, für die eine Hochwasserwarnung gilt.

© dpa/Maciej Kulczynski

Unterwegs sind auch Gebirgsjäger mit Booten. Mehr als 70.000 Haushalte hatten am Sonntag keinen Strom. Auch Wasserversorgung und Gaslieferungen sind vielerorts zusammengebrochen. An vielen Orten wird in der kommenden Woche kein Schulunterricht stattfinden.   

Polens Regierungschef Donald Tusk informierte über den ersten bestätigten Tod durch Ertrinken im Bezirk Kłodzko. Das Opfer konnte bisher nicht geborgen werden. Tusk sowie Vertreter der Polizei und Feuerwehr appellierten an die Einwohner, die Aufrufe zur Evakuierung zu befolgen. Aus Medienberichten geht aber hervor, dass viele Menschen bis zum letzten Moment zögern, weil sie sich um ihr Hab und Gut sorgen. 

Innenminister Tomasz Siemoniak versicherte, dass alle durch die Flut zerstörten Objekte wieder aufgebaut werden. „Nach der Zeit der Rettung kommt die Zeit des Wiederaufbaus“, versprach der Politiker der Regierungspartei Bürgerplattform (PO). Finanzminister Andrzej Domański versicherte, das Geld werde „blitzschnell“ an Bedürftige ausbezahlt. Tusk teilte am Abend mit, dass er die Regierung beauftragt habe, eine Verordnung über die Auslösung des Katastrophenalarms zu erarbeiten. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })