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Türkei: In dunklen Kanälen

Korruptionsvorwürfe in Kulturhauptstadt Istanbul.

Istanbul - Altehrwürdige Kirchen und Moscheen, prächtige Paläste, eine einzigartige Mischung aus Ost und West, eine lebendige moderne Kulturszene – die türkische Metropole Istanbul bringt vieles mit, was eine Europäische Kulturhauptstadt zum Erfolg braucht. Essen und die ungarische Stadt Pecs, die sich in diesem Jahr mit Istanbul den Titel der Kulturhauptstadt teilen, können sich mit der weltgeschichtlichen Bedeutung der Bosporusmetropole kaum messen. Geld ist in Istanbul auch genug da: Mit einem Budget von umgerechnet 170 Millionen Euro plant das Organisationskomitee fast 500 Projekte. Und doch gibt es zu Beginn des Kulturjahres in der Stadt nicht nur Vorfreude, sondern auch einen Riesenärger.

Als „inspirierendste Stadt der Welt“ werde sich Istanbul 2010 auf der globalen Kulturbühne präsentieren, betont Sekib Avdagic, der Vorsitzende der für die Ausrichtung des Kulturjahres verantwortlichen Agentur. Die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer sollen als Leitmotive für das Programm dienen. Die Fremdenverkehrsbranche hofft auf bis zu zehn Millionen Besucher in der Stadt im Verlauf des Jahres, etwa 2,5 Millionen mehr als 2009.

Aus mehr als 2000 Vorschlägen hat Avdagics Team die Projekte für das Kulturjahr ausgewählt. Renovierungsarbeiten an Kulturdenkmälern wie der Hagia Sophia und dem Topkapi-Palast gehören ebenso dazu wie Veranstaltungen mit Musik, Tanz, Theater, Film und Fotografie. Es gibt Ausstellungen, Symposien, eine Regatta historischer Schiffe auf dem Bosporus und das erste Gastspiel der Rockgruppe U2 in der Türkei.

Ein attraktives Angebot, findet Avdagic. Und doch beginnt das Kulturjahr am Bosporus nicht unbeschwert. In den vergangenen Monaten sorgte die KulturAgentur weniger mit ihrer künstlerischen Arbeit für Schlagzeilen als mit öffentlichen Rücktritten und Korruptionsvorwürfen. Laut Medienberichten landete ein Teil der mithilfe eines Aufschlags auf die Mineralölsteuer gesammelten Einnahmen für das Kulturjahr in dunklen Kanälen. Unter anderem wurde demnach eine jedes Jahr für umgerechnet rund 9000 Euro produzierte Tourismusbroschüre für Istanbul diesmal von der Kulturjahr-Agentur in Auftrag gegeben – für 46 000 Euro. Eine Zeitung nannte Istanbul die „Europäische Hauptstadt der Korruption“. Avdagic und seine Leute weisen alle Vorwürfe zurück. Projektauswahl und Geldvergabe liefen transparent ab und würden kontrolliert. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch.

Abschreckend wirken die Probleme am Bosporus aber nicht. Auch andere türkische Städte hoffen darauf, als Europäische Kulturhauptstadt auf sich aufmerksam machen zu können. So kündigte die uralte Stadt Mardin in Südostanatolien eine Bewerbung an. Susanne Güsten

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