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Mimi Müller-Westernhagen

© Rick Guest/GQ

Porträt: In ihrem Revier

Mimi Müller-Westernhagen, 22, ist Model, Rocksängerin und hat einen berühmten Vater: Marius. Wir haben sie beim Konzert in ihrer Heimatstadt London getroffen - auf einem roten Plüschpolster.

Von Markus Hesselmann

Die Brewer Street ist eine typische Straße in Soho. Klar, es gibt einige Pubs, vor allem aber liegt hier, in diesem Londoner Kiez, ein Sexshop neben dem anderen.

Es ist spät in dieser Nacht in Soho, die Pubs machen bald zu. Immer noch um 23 Uhr, selbst in dieser Gegend, Touristenfalle und Szenebezirk zugleich. Wer ins „Madame Jojo’s“ kommt, könnte den Laden und die Veranstaltung für kieztypisch halten: Roter Plüsch, rosa schimmerndes Licht, Spiegel, Drinks zu Apothekenpreisen und auf der Bühne ein Stripper mit dickem Bauch, der seinen klobigen Intimschmuck präsentiert.

Im „Madame Jojo’s“ verteilen sich ein paar Dutzend Zuschauer, meist Anfang zwanzig, auf die Polster ringsrum. Einige Tapfere stehen vorn an der Bühne und johlen. Bald wird hier Mimi Müller auftreten. Sie hat sich für die harte Tour entschieden.

„Ich will nicht wegen meines Namens vorankommen und auf die Art Erfolg haben“, sagt Mimi, 22, als sie kurz Zeit findet und sich mit einer Wasserflasche auf die Plüschpolster setzt. „Das wäre doch so, als wenn ich von einem Roman nur die letzte Seite lesen würde.“

Mimi? Müller? Oder Muller, wie man ihren Namen hier schreibt?

Das ist selbst in der britischen Hauptstadt kein besonders ausgefallener Name, bei 60 000 deutschen Wahl-Londonern und noch viel mehr deutschen Einwanderern und Flüchtlingen über die Jahrhunderte. Aber die Sängerin Mimi heißt eigentlich Mimi Müller-Westernhagen und ist die Tochter von Marius Müller-Westernhagen. In England erregt allerdings auch ihr voller Name, den in Deutschland sofort jeder einordnen kann, kein Aufsehen: Hier dürfen selbst deutsche Stadionrocker unbehelligt leben, Herbert Grönemeyer zum Beispiel. Und hier kann Westernhagens Tochter ihren eigenen Weg gehen. Über ihren Vater will sie eh nicht gern reden, lieber über ihre Band, deshalb sitzen auch die drei Jungs mit auf dem Plüschpolster. „Battlekat“, so heißt die Band.

Mimi betritt die kleine Bühne in „Madame Jojo’s“ und legt los. Ihre Stimme heult und kreischt und dröhnt über dem Gitarrengewitter, mit der Kraft eines Jets, der gerade gestartet und bei einem Unwetter durch die Wolkendecke gebrochen ist. Die Kraft in Mimis Stimme kommt auch vom Gesangsunterricht. Bei einer Opernsängerin, wie sie später erzählt, „das hilft mir, richtig zu atmen“. Nina Hagen, die Gesangs-Krawallschachtel, hat ein Fistelstimmchen gegen Mimi.

Battlekat stehen noch am Anfang. Einen Plattenvertrag haben sie nicht. Und Top-ten-kompatibel ist die Musik, die Mimi und ihre drei britischen Bandkollegen an diesem Abend in Soho machen, wohl kaum. Nicht mal für die britischen Charts, in denen wenigstens kein „Schnuffel“ sein Unwesen treibt. Battlekat sind kompromisslos und laut. Schwerer, schmutziger Rock, eher amerikanisch als britisch. Dabei hat sie die gemeinsame Liebe zu einer typisch englischen Band zusammengebracht.

„Wir haben uns über unsere Buttons kennengelernt“, sagt Mimi. Bei einer Party in Richmond, dem gutbürgerlichen Londoner Vorort, aus dem die Battlekats kommen, trug Mimi unter anderem einen Button der Kinks. Das fiel Rob und den anderen auf, denn auch sie mögen die Kinks, Londons Helden aus den sechziger Jahren, Beat-Gründerväter und Urahnen des Britpop. Man kam ins Gespräch, mochte sich und beschloss eine Band zu gründen. Battlekat hat aber jetzt so gar nichts mehr von den Kinks. Kein: You really got me, twang, twang, twang. „Das war am Anfang anders. Wir sind mit der Zeit immer härter geworden“, sagt Rob, 20.

Würden sie sich ändern für den Erfolg, zum Beispiel wenn ein Manager ihnen empfehlen würde, ihren Stil und ihren Sound an einen breiteren Geschmack anzupassen? „Wir würden guten Rat schon annehmen, wenn er uns weiterbringt“, sagt Rob und streicht sich die dunklen, zotteligen Haare aus dem Gesicht. „Aber wir würden keine Kompromisse machen, nur um nach oben zu kommen.“

Müssen sie das überhaupt? Geld jedenfalls dürfte kein Problem sein, in einer Band, deren Sängerin Tochter eines Plattenmillionärs ist.

„Mein Vater ermöglicht mir Unabhängigkeit, aber er unterstützt die Band nicht finanziell“, sagt Mimi. Sie will es allein schaffen, und zwar hier. In London. „England ist meine Heimat“, sagt Mimi, deren britische Mutter von Marius Müller-Westernhagen getrennt lebt. Das Gespräch auf der Couch führt sie lieber auf Englisch. Ihr Deutsch sei nicht so gut, außerdem sollen die Jungs ja alles verstehen.

In Deutschland hat sie längst Erfolg. Als Model. Und dabei hilft ihr Name. Mimi ist im Männermagazin „GQ“ zu sehen und im Otto-Katalog. Sicher keine Low-profile-Auftritte, aber das ist nicht wirklich ihrs. „Das Modeln macht Spaß. Aber es ist ein Job, die Band ist meine Karriere.“ Und eine persönliche Angelegenheit. Bassist Rob ist ihr Freund, mit dem sie auch zusammenwohnt.

Auf der Bühne lieben die beiden den Kontrast. Sie, die eigentlich den bürgerlichen Namen Sarah trägt, gibt die Marlene Dietrich. Elegant und sexy, mit Hut und ihren langen Beinen in Strumpfhosen, wirft sie sich in die Blauer-Engel-Pose. Rob trägt klobige Arbeiterstiefel. Shirt und Jeans sind mit künstlichem Blut verschmiert. Um den Mund hat er sich eine Art Narbengitter gemalt, es erinnert an Hannibal Lecter aus dem „Schweigen der Lämmer“. Wen soll so was noch schocken? Nach Punk und Hardcore und Heavy- und Death- und Speed-Metal? „Es ist alles schon gemacht worden“, sagt Rob. „Das ist doch gut. Wir müssen niemanden mehr schocken. Wir können einfach Spaß haben.“ Mimi lacht. „Manche Leute haben tatsächlich Angst vor ihm“, sagt sie und nimmt Rob in den Arm.

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