Panorama: Insel voller Gauner
"In meinen Gottesdiensten sitzen mehr Gläubiger als Gläubige", flachste einmal der katholische Pfarrer der deutschen Gemeinde in Arenal. Und Peter-Christian Hauke, scheidender Konsul Deutschlands in der Inselhauptstadt Palma, bilanzierte: "Ein Großteil unserer deutschen Landsleute hat ihr Unrechtsbewusstsein im Flieger zurückgelassen.
"In meinen Gottesdiensten sitzen mehr Gläubiger als Gläubige", flachste einmal der katholische Pfarrer der deutschen Gemeinde in Arenal. Und Peter-Christian Hauke, scheidender Konsul Deutschlands in der Inselhauptstadt Palma, bilanzierte: "Ein Großteil unserer deutschen Landsleute hat ihr Unrechtsbewusstsein im Flieger zurückgelassen." Mallorca, beklagt die Polizei, werde immer mehr zu einer Insel der Gauner, die Kriminalitätsrate steige, mehr als die Hälfte der Täter seien Ausländer. Und nicht selten, erzählen Kenner der Szene, seien es zwielichtige Gestalten aus deutschsprachigen Staaten, die ihre Landsleute über den Tisch ziehen.
So glauben zum Beispiel Diplomaten, dass kein geringer Teil der annähernd 60 000 deutschen legalen und illegalen Residenten sich nicht ganz freiwillig auf die spanische Trauminsel zurückzog: Schulden im Heimatland, Probleme mit dem Finanzamt, die Justiz auf den Fersen, Flucht vor Unterhaltszahlungen an die Exfrau und an die Kinder. In ihrer Heimat Gescheiterte, die ihr Glück auf der Insel suchen, aber nicht finden und dann "ohne Perspektive hier sitzen". Dies, und die unglaubliche Leichtgläubigkeit vieler Ausländer auf fremdem spanischen Territorium, führe die neuen Mallorca-Gauner in kriminelle Versuchung. "Jeder läßt sich etwas einfallen, um Geld zu verdienen."
Drogenhandel, Diebstähle, Anlagenbetrug, Kreditkarten-Manipulationen, Verschiebung von Autos und Yachten, Geldwäsche sowie besonders Immobilien-Gaunereien stehen hoch im Kurs. So nahm die Polizei einen Österreicher fest, der zu "besonders günstigen Preisen" Ferienwohnungen zum Kauf anbot. Noch vor der Unterschrift kassierte der Mann Anzahlungen in Höhe von jeweils 3000 Euro - und machte sich dann über alle Berge. Allein 20 Betrogene meldeten sich bei der Polizei, die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. "Die meisten ausländischen Opfer gehen nicht zur Polizei", berichtet ein Anwalt in Palma. Weil sie kein Spanisch können oder unangenehme Fragen nach Herkunft des Geldes fürchten.
Den zunehmenden Klagen scheint die Abzocke im Ferienparadies eine Art Volkssport geworden zu sein: Dabei droht die Gefahr gleich von mehreren Seiten: Spanische Schlitzohren ziehen ahnungslose Urlauber über den Tische. Deutschsprachige Glücksritter nutzen den Vertrauen einflößenden gleichen Zungenschlag und nehmen unbedarfte Neuankömmlinge der Heimatländer aus. Und auch die Mafia aus Osteuropa, Nordafrika und Italien breitet sich mit ihrem Netz der organisierten Kriminalität immer weiter aus. Ein Konsulatssprecher: "Wo Menschen eine gewisse Lässigkeit an den Tag legen, da sammelt sich auch eine bestimmte Subkultur."
Um diese "Subkultur" künftig besser im Auge zu haben, sollen auf Mallorcas sündigster Meile, an der Playa de Palma, dort wo die meisten Delikte registriert werden und auch die trinkfreudigen "Ballermänner" zu Hause sind, Dutzende Überwachungskameras installiert werden. Eine alte Forderung des mallorquinischen Hotelverbandes, der schon länger "die wachsende Spirale der Unsicherheit auf Mallorca" beklagt. Und die deutschsprachige Inselpostille "Mallorca-Magazin" warnt die Urlauber: "Auf Mallorca ist die Gefahr, betrogen zu werden, größer als in Deutschland" und spricht von der "Mallorca-Krankheit" - bei dieser scheine "die Sonne jeden Gedanken an Vorsicht aus den Köpfen zu brennen".
Auf Teneriffa hat die spanische Polizei in diesen Tagen den größten Time-Sharing-Betrug aller Zeiten aufgedeckt. Eine internationale Immobilien-Mafia hatte seit Mitte der 90er Jahre Teilzeit-Wohnrechte in nur auf dem Papier existierenden Luxus-Appartements verkauft. Rund 50 000 Touristen, vor allem aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz, Österreich, Frankreich, Belgien und Großbritannien erstatteten in den letzten Jahren Anzeige. Die Zahl der Betrogenen dürfte jedoch um ein Vielfaches höher sein, da diese Immobilien-Wohnrechte nicht selten mit Schwarzgeldern bezahlt wurden und deswegen von den Geschädigten keine Anzeige erstattet wurde.
Die Polizei nahm in einer internationalen Aktion, die bereits im November 2001 anlief, insgesamt 23 Personen fest. Den letzten Schlag versetzten die Fahnder den Betrügern in diesen Tagen: Spaniens prominenter Untersuchungsrichter Baltasar Garzon sprengte die verbliebenen Strukturen der Bande mit der Festnahme von fünf führenden Köpfen und der Sperrung von über einhundert Konten, auf denen die Immobilien-Mafia rund 100 Millionen Euro Gewinn angehäuft hatten. Zudem wurden weit mehr als 100 Luxus-Autos und mehrere Villen der Bandenmitglieder beschlagnahmt.
Als Gehirn der Bande gilt der Brite John Palmer, der wegen Immobilienbetruges an tausenden Touristen in einem britischen Gefängnis eine achtjährige Haftstrafe absitzt. Nach seiner Verurteilung machte seine Bande jedoch munter weiter. Nun angeführt von dem Libanesen Mohamed Derba, der jetzt zusammen mit einem spanischen Ex-Polizisten, einer Algerierin und einem britischen Pärchen eingebuchtet wurde.
Ralph Schulze