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Panorama: „Kein leichter Fall“

14-jähriger Deutscher sitzt wegen Mordverdachts in Griechenland in Untersuchungshaft

Völlig aufgelöst sitzt der 14 Jahre alte Deutsche Andreas B. seit Donnerstag im Jugendgefängnis von Avlona bei Athen in Untersuchungshaft. Er soll am Dienstag in einem Dorf auf der griechischen Halbinsel Peloponnes einen 63-jährigen deutschen Sozialarbeiter getötet haben. Die Staatsanwältin Alexandra Chosma ordnete eine psychiatrische Untersuchung des 14-Jährigen an. „Der Junge hat angesichts des Mordvorwurfs völlig die Kontrolle verloren“, berichtete ein Gerichtssprecher.

„Ich kann es immer noch nicht fassen", sagt Maria Papadopoulou. Wie alle Bewohner des kleinen Dorfes Douneika an der Westküste des Peloponnes kannte sie den Sozialarbeiter Rolf Armbruster. „Er war immer freundlich, immer gut aufgelegt“. Etwa 600 Meter außerhalb des Ortes unterhielt der 63-Jährige ein Haus zur Resozialisierung straffällig gewordener Jugendlicher. Etwa 20 bis 30 Kinder betreute er pro Jahr. Der 14-jährige Andreas B. war schon seit etwa 15 Monaten mit einer kurzen Unterbrechung in Douneika. Sein zweiter Aufenthalt endete jetzt in einer Tragödie.

Über den Hergang der Tat und die Motive des Jungen gibt es immer noch kein ganz klares Bild. Nach Ermittlungen der Polizei hat der 14-Jährige den Betreuer hinterrücks mit einem Bolzenschussgerät getötet, als dieser sich gerade bückte, um einen platten Reifen an seinem Auto zu wechseln. Eine Nachbarin war Zeugin, konnte aber nur noch die Polizei alamieren. Als die anrückte, warf der 14-Jährige eine Tränengasgranate und setzte sich eine Luftpistole an die Schläfe, bevor ihn die Beamten zur Aufgabe überreden konnten. In ersten Vernehmungen sagte der Junge, er sei von dem Sozialarbeiter ausgenutzt und „wie ein Laufbursche“ behandelt worden.

Die Ermittlungen der Polizei ergaben aber, dass es vor der Tat offenbar zu einem heftigen Streit zwischen dem Jungen und dem Sozialarbeiter gekommen ist. Dabei sei es um den Wunsch des 14-Jährigen gegangen, einen Freund aus Deutschland nach Douneika einzuladen. Das soll der Sozialarbeiter abgelehnt haben. Der 63-Jährige, der verheiratet war und zwei erwachsene Kinder hatte, betrieb das Resozialisierungshaus seit mehreren Jahren. Dorfbewohner berichteten, er habe in jüngster Zeit über Schwierigkeiten bei der Finanzierung durch die deutschen Behörden berichtet. Manche der betreuten Kinder hätten über schlechte Behandlung geklagt, heißt es. Bereits vor einigen Jahren habe es einen ernsten Zwischenfall gegeben, berichten Anwohner. Damals soll sich einer der in dem Haus betreuten Jugendlichen davongemacht und einen Mord begangen haben. Damals gab es keine Anzeichen und auch dieses Mal deutete nichts auf diese tragische und heimtückische Tat hin.

Der 14-Jährige Andreas B. wurde viele Jahre in einem Heim in Hüfingen im Schwarzwald betreut. Nach Angaben seines griechischen Anwalts Theodoros Antonopoulos war der Junge erst am vergangenen Samstag in das Haus des 63-Jährigen gekommen. Vor seinem Angriff auf den Sozialarbeiter habe der 14-Jährige wahrscheinlich nötige Psychopharmaka nicht genommen, sagte Antonopoulos. Der Junge werde in die Psychiatrie des Hochsicherheitsgefängnisses der Hafenstadt Piräus gebracht, sagte der Anwalt. Antonopoulos will versuchen, dass der Verdächtige in einem Prozess als unzurechnungsfähig eingestuft wird.

Zunächst wird der 14-Jährige im Gefängnis von Sozialarbeitern betreut. Unklar blieb, ob auch Betreuer aus Deutschland nach Griechenland kommen sollen.

Zuständig für den jetzt unter Mordverdacht festgenommenen Jungen ist das Jugendamt München, weil sein Vater in der bayerischen Landeshauptstadt lebt. Das Amt genehmigte und finanzierte den Aufenthalt in Griechenland. Getragen wird das dortige Projekt vom Jugendheim „Haus am Buchberg“ im Schwarzwalddorf Hüfingen. Eine Sprecherin des Münchner Sozialamtes sagte, bisher sei mit der Betreuung des Jungen „alles ganz gut gelaufen“. Sie räumte aber ein, Andreas sei „kein leichter Fall“ gewesen.

Die Ermordung des 63-jährigen Sozialarbeiters hat die Diskussion über die umstrittene Resozialisierung kriminell gewordener Jugendlicher im Ausland neu angefacht. In mehreren Ländern werden straffällig gewordene Jugendliche aus Deutschland pädagogisch betreut, um sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

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