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Panorama: Latex oder Lederhose?

Wie man als Politiker modische Akzente setzt – und wie nicht

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Kleider machen Leute, sagt eine Binse. Kleider minimieren Karrieren, heißt die aktuelle Variante davon. Die CSU-Politikerin Gabriele Pauli, seit ihrem aktuellem Posing für das Magazin „Park Avenue“ als „Latex-Landrätin“ teils verschrien, teils belächelt, kann dafür einstehen. Die Politikerin mit der Ambition nach Höherem erlebt gerade ein Desaster zwischen PR und Politik, das eigentlich unverständlich ist. Ihre eigene Doktorarbeit von 1986 trägt den Titel: „Polit-PR. Strategische Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien“.

Gabriele Pauli ist nicht die Erste, die erfahren muss, dass für Politikerinnen und Politiker der Grat zwischen Auffallen und Fallen ein ganz schmaler ist. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hielt es im Bundestagswahlkampf 2002 für eine gute Idee, sich die Zahl „18“ auf die Schuhsohle prägen zu lassen und in die Kameras zu halten. Die Zahl sollte für Selbstbewusstsein, Spaß und souveräne 18 Prozent bei der Wahl stehen. Die FDP landete bei 7,4 Prozent und „Kanzlerkandidat“ Westerwelle musste lange strampeln, bis er nicht mehr als der „Spaß-Guido“ in Öffentlichkeit und Politik verlacht wurde. Merke: Der Wähler sitzt auf der Couch und nimmt schwer übel, wenn der Politiker die Probleme der Wähler der Spaßfraktion zur Lösung überantwortet. Doch nicht nur der. Auch politische Gegner sind für modische Missgriffe dankbar. Als Rudolf Scharping (SPD) 2002 als Verteidigungsminister zurücktreten musste, lag das auch an der „Mallorca-Affäre“: Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Gräfin Pilati-Borggreve, hatte Scharping im Beisein der „Bunten“ im Pool geplanscht („Total verliebt auf Mallorca“) – bekleidet mit nichts als einer Badehose. Seine Soldaten bereiteten sich derweil in voller Kampfmontur auf ihren Einsatz in Mazedonien vor.

Nicht weniger schrill, aber wenigstens konstant seltsam angezogen, ist die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth. Ihre mitunter mehrfarbigen Frisuren und der meist knatschbunte Kleidermix, provozieren regelmäßig Hohn und Spott. Der Satiriker Wiglaf Droste, zu dessen Lieblingsopfern Roth seit Jahren zählt, schrieb einmal: „An Claudia Roth stimmt wahrhaft nichts. (...) Die Bayreuther Wagner-Festspiele besuchte sie in so heillos aufgemaschelter Garderobe, dass im Umkreis von 30 Kilometern die Blindenhunde knurrten.“ Der Unterschied zwischen Frau Roth und Frau Pauli ist der, dass die eine mehr als einmal negativ auffiel (und dadurch irgendwann nicht mehr) und die andere das erste Mal. Zudem ist eine Partei wie die Grünen modische Entgleisungen eher gewohnt ist als die konservative CSU.

Wer als Politiker erfolgreich modische Akzente setzen will, muss auf drei Grundregeln achten. Erstens: Kontinuität. Hans-Dietrich Genscher (FDP) trug seinen legendären gelben Pullunder jahrein, jahraus. Mit der Zeit kann so aus einem eigentlich albernen Spleen eine liebenswerte Marotte werden. Zweitens: Kompatibilität. Passt der Auftritt – siehe Pauli – zu Partei und Amt? Genschers Pullunder war nicht nur grell, sondern auch in der Farbe seiner Partei gehalten. Wie der rote Schal, den der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Walter Momper (SPD) so gerne trägt. Oder die Lederhosen, die der von Frau Pauli mitgestürzte bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ab und zu zur Traditionspflege trägt – sein Amtskollege Klaus Wowereit würde den „Lederhosenmann“ im preußischen Berlin nie wagen, zumindest nicht öffentlich.

Die dritte Regel heißt Timing. Wenn sich eine modische Auffälligkeit mit einem Amtsantritt oder mit einem historischen Ereignis verbindet, kann das Accessoire selbst zum politischen Symbol aufsteigen. Wie die weißen Turnschuhe, die Joschka Fischer 1985 bei seiner Vereidigung als erster grüner Minister im hessischen Landtag trug. Die stehen heute im Ledermuseum in Offenbach. Ob sich die Latexhandschuhe der Landrätin auch als Ausstellungsstücke eignen? Vielleicht ja im Deutschen Kunststoff-Museum. Neben dem elektrischen „Transformator-Schweinchen“.

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