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Kölner Spötter. Der Comedian und Musiker Marius Jung will mit seinem satirischen „Handbuch für Negerfreunde“ Vorurteile aufspießen.

© dpa

Rassismus: Lieber Neger als Afrogermane

Der Kölner Marius Jung macht sich über Rassismus lustig – und ist damit erfolgreich. Auf diese Idee ist der Amerikaner Baratunde Thurston schon zwei Jahre vorher gekommen. Zwei Wege zu einem Ziel.

Wer will schon Afrogermane, Afroafrikaner oder Maximalpigmentierter genannt werden? Dann schon lieber trotzig zum „bösen N-Wort“ – „Neger“ – greifen. Meint Marius Jung, schwarzer Comedian aus Köln. Er spottet provozierend und amüsant über Vorurteile, Rassismus, aber auch übertrieben-krampfige politische Korrektheit bei der Wortwahl.

Gerade hat Jung das Buch „Singen können die alle! Handbuch für Negerfreunde“ vorgelegt. Der Titel könnte die Debatte um das Streichen diskriminierender Begriffe aus Kinderbüchern neu entfachen. „Wenn humorlose Sprachpolizisten fordern, Worte wie Neger ganz aus der Sprache zu tilgen und zu verbieten, ist das Fundamentalismus. Und alles, was wir tabuisieren, bearbeiten wir inhaltlich nicht“, sagt Jung.

Der Soul-Comedian ist ein gefragter Interviewpartner, seit sein Büchlein vor einigen Tagen auf den Markt gekommen ist. Als Studiogast haben ihn zahlreiche Fernseh- und Radiosender eingeplant, um ihn über sein anekdotenreiches autobiografisches Werk plaudern zu lassen.

„Lachen gegen Rassismus“ könne ein guter Weg sein, glaubt der Kabarettist, Sänger und Moderator. „Wenn wir mit Humor drangehen, ist das ein Türöffner für ernste Diskussionen. Wir müssen unbedingt über unsere Haltung und über mehr gegenseitigen Respekt reden. Das darf auch Spaß machen, das muss kein schmerzhaftes, großes Ding werden.“ Jung jammert also nicht, er juxt. Sein Buch enthält auch „interaktive Übungen, mit denen Sie Ihr Negerverständnis überprüfen können“ – und es versteht sich als „humoristischer Ratgeber“.

Kostprobe: „Ganz wichtig ist es (...), nicht einfach davonzulaufen, wenn Sie des schwarzen Mannes ansichtig werden.“ Oder auch: „Begrüßungsformeln wie ,Die Putzmaterialien stehen im Besenschrank’ können das Gespräch von Anfang an belasten.“ Zu einem weltoffenen „Uga Uga?“ rät der Autor nur dann, wenn die Kommunikation auf Deutsch, Englisch oder Französisch vorher nicht geglückt ist.

Geboren in Trier als Sohn weißer Eltern, aber mit krausem Haar und „milchkaffeefarbener Haut“ lernt der „kleine Bastard“ Häme und Feindseligkeit kennen. Bei Castings hat er später oft keine Chance auf die ersehnten Rollen. „Sein Sarkasmus ist nicht aufgesetzt, da steckt Lebenserfahrung hinter“, sagt der Schriftsteller Günter Wallraff. Vor einigen Jahren war Wallraff mit geschwärztem Gesicht und Perücke als Afrikaner bundesweit unterwegs und hat erlebte Ressentiments und offene Ablehnung im Fernsehfilm „Schwarz auf Weiß“ dokumentiert. „Wir haben es noch immer mit massivem Rassismus und fehlender Normalität zu tun“, betont der Kölner Autor.

Jungs Buch sei „ein großartiger satirischer Beitrag“, der die jüngste „verkrampfte Scheindebatte“ um Themen wie politisch korrekte Wortwahl wieder „vom Kopf auf die Füße“ stelle, meint Wallraff: „Er hat die Legitimation, in alle Richtungen auszuteilen. Und sein Spott trifft die Richtigen.“ Rassistisch nennt Marius Jung neben den „Neonazi-Würstchen“ auch Dauerbetroffene, die „uns nur als Opfer tolerieren“. Überall seien Schwarze konfrontiert mit Alltagsrassismus, der häufig aus Unsicherheit, Acht- und Respektlosigkeit resultiere, sagt der Comedian. „Bratzendumme Sprüche“ kursierten weiter im Internet auf Facebook und Co. Und für seinen Job gelte: „In Deutschland als Schwarzer eine Rolle als Schauspieler zu bekommen, ist sauschwierig.“ Statt also zu streiten, ob man das Wort „Negerlein“ aus Kinderbüchern entfernt, wie es einige Verlage schon getan haben oder derzeit prüfen, solle man lieber über diskriminierende Einstellungen reden. Auch mit dem Nachwuchs, rät Jung, der gerade Vater geworden ist.

Vom „Gesellschaftskritiker“ Jung werde man hoffentlich noch mehr hören, meint Wallraff. Der Carlsen Verlag nennt keine Verkaufszahlen, spricht aber von großem Interesse an dem Buch und einem positiven Markt-Start. In den kommenden Wochen solle nachgedruckt werden, sagt eine Sprecherin. Jung betont: „Je mehr ich es schaffe, dass die Leute sich selbst hinterfragen, dabei aber auch lachen können, desto mehr wäre das Buch ein Erfolg.“

Marius Jung hat ein Vorbild in den USA. Baratunde Thurston ist ein schwarzer Comedian, der schon vor knapp zwei Jahren einen ganz ähnlichen Leitfaden veröffentlicht hat: "how to be black". Thurston hat nigerianische Wurzeln und an amerikanischen Eliteuniversitäten studiert. Dort traf er auf jede Art von Verkrampftheit und Vorurteilen, die der weiße Teil der amerikanischen Bevölkerung noch mit sich herumträgt. Seinen Bestseller hat er mit Überschriften versehen wie: „Wie man ein schwarzer Freund ist“, oder was man einen schwarzen Freund besser nicht fragen sollte. Er macht sich lustig über die Stereotype wie jenes, dass Schwarze immer die besseren Tänzer seien. Auf Betriebsfeiern rät er Schwarzen ab, sich darauf einzulassen, auf die Tanzfläche zu gehen. Sie müssten damit rechnen, von ihren weißen Kollegen umringt zu werden, die eine außergewöhnliche Tanzdarbietung von ihnen erwarteten. Baratunde Thurston hat aus dem Erfolg seines Buches eine Homepage gemacht, auf der er weiter über Schwarz und Weiß bloggt.

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