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Vom Reetdach griffen die Flammen in die Innenräume über.

© Foto: Jens Büttner/dpa

Update

Politischer Hintergrund vermutet: Staatsschutz ermittelt nach Brand in Flüchtlingsunterkunft

Wegen eines Feuers müssen Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern ihre Unterkunft verlassen. Am Tag zuvor wurde der Eingang mit einem Hakenkreuz beschmiert. Das Feuer ist mittlerweile gelöscht.

Nach dem Brand einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete in Groß Strömkendorf bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern vermutet die Polizei einen politischen Hintergrund. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen, teilte das Polizeipräsidium Rostock am Donnerstag mit.

Der Vizepräsident des Polizeipräsidiums Rostock, Michael Peters, erklärte am Donnerstag, er habe deshalb die Ermittlungen dem polizeilichen Staatsschutz übergeben. „Ein solcher Angriff ist erschütternd und nicht hinnehmbar gleichermaßen“, erklärte Peters. Die zuständige Staatsanwaltschaft Schwerin ordnete den Einsatz eines Brandgutachters an.

Jeder Angriff auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte ist auch eine Attacke auf unsere Grundwerte.

Michael Peters, Polizeipräsidium Rostock

Wie ein Polizeisprecher am Donnerstag sagte, mussten die Feuerwehren das große, schilfgedeckte Gebäude bis zum Morgen kontrolliert abbrennen lassen. Ob das Gebäude einsturzgefährdet ist, soll nun ebenfalls ein Sachverständiger klären.

In dem ehemaligen Hotel „Schäfereck“ in Groß Strömkendorf, einer Gemeinde in der Nähe der Ostseeinsel Poel nordöstlich von Wismar, wohnten nach Angaben des Landkreises noch 14 Geflüchtete, die von drei Mitarbeitern betreut wurden. Verletzt wurde niemand.

Unter den 14 Geflüchteten waren auch zwei Kinder, zwei Jugendliche und eine Seniorin, sagte Leiter der Unterkunft Andrej Bondartschuk am Donnerstag in Groß Strömkendorf. Er habe zunächst in Eigenregie versucht, das Feuer am unteren Dachansatz des mit Reet gedeckten ehemaligen Hotels zu löschen. „Es waren keine Glutnester mehr zu sehen“, beschrieb er seinen Eindruck vom Brandabend, als die Feuerwehr eingetroffen sei.

Am Vormittag wollten sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Innenminister Christian Pegel (beide SPD) am Brandort ein Bild von dem Vorfall machen.   

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Hakenkreuz-Schmiererei im Eingangsbereich

Bisher wird wegen des Verdachts der Brandstiftung ermittelt. Wann der Gutachter die Brandruine betreten könne, hänge von der Standfestigkeit der Ruine ab, hieß es.

Am Montag war der Polizei eine Hakenkreuz-Schmiererei im Eingangsbereich gemeldet worden, deren Verursacher noch nicht gefunden werden konnte. Ob es einen Zusammenhang mit dem Brand gibt, war laut Polizei zunächst nicht klar.

120 Feuerwehrleute im Einsatz

Das Feuer war am Mittwochabend ausgebrochen. Ein Brandmelder hatte angeschlagen. Mitarbeiter versuchten noch vergeblich, das zunächst an der Außenseite des Hauses entstandene Feuer zu löschen. Die Flammen griffen aber nach ersten Ermittlungen dann auf das Reetdach auf den gesamten Dachstuhl und die Innenräume über.

Etwa 120 Feuerwehrleute, darunter der Landrat, bekämpften die Flammen, die am Morgen schließlich gelöscht waren.

Durch einen Brand ist eine Unterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine in der Gemeinde Groß Strömkendorf in Mecklenburg-Vorpommern in der Nacht zu Donnerstag fast vollständig zerstört worden.
Durch einen Brand ist eine Unterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine in der Gemeinde Groß Strömkendorf in Mecklenburg-Vorpommern in der Nacht zu Donnerstag fast vollständig zerstört worden.

© dpa / Nicole Buchmann

Im Sommer habe man zusammen mit den Flüchtlingen und dem DRK, dass die Einrichtung betreut, noch ein fröhliches Sommerfest gefeiert. Die Meisten seien vom Kreis inzwischen in andere Unterkünfte gebracht worden. 

Den Sachschaden schätzt die Polizei nach ersten Ermittlungen auf mindestens eine höhere sechsstellige Summe. Es handelt sich beim Hotel um ein Gebäude in Holzständerbauweise.

SPD-Politikerin ruft zu Widerstand gegen Rassismus auf

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, zeigte sich schockiert und sprach von einem „Brandanschlag“. Der Brand erinnere an die rassistischen Anschläge der 1990er Jahre, „an Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Mit rassistischen Parolen, den offenen, aber auch den unterschwelligen, abwertenden Bemerkungen gegenüber Geflüchteten wird der Nährboden für Brandanschläge wie diesen in Groß Strömkendorf gelegt.“

Alabali-Radovan sagt weiter: „Menschen flüchten vor den russischen Bomben und Raketen. Sie kommen nach Deutschland auf der Suche nach Schutz und Sicherheit. Und erleben hier, dass ihre Unterkunft angezündet und mit Hakenkreuzen beschmiert wird“. Die SPD-Politikerin rief zu Widerstand gegen Rassismus auf.

Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete seien eine Zielscheibe von rassistischer Gewalt und Anschlägen

Die Thüringer Opferberatung ezra hat nach dem Brand eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten gefordert. Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete seien eine Zielscheibe von rassistischer Gewalt und Anschlägen, erklärte ezra-Projektkoordinator Franz Zobel am Donnerstag in Erfurt.

Eine dezentrale, menschenwürdige Unterbringung von allen Geflüchteten sei dringend notwendig. Ezra forderte die Thüringer Landesregierung und Kommunen auf, die langjährige Forderung von Betroffenen und solidarischen Initiativen endlich umzusetzen, um die Menschen zu schützen.

Fahrräder der früheren Bewohner steht vor dem abgebrannten Hotelgebäude, in dem Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht waren.
Fahrräder der früheren Bewohner steht vor dem abgebrannten Hotelgebäude, in dem Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht waren.

© Foto: dpa/Jens Büttner

„Es droht eine Eskalation aufgrund der massiven extrem rechten Mobilisierungen in Thüringen“, so Zobel. Dabei verwies er auf einen Brand in der Nähe einer Gemeinschaftsunterkunft in Apolda vor knapp zwei Wochen. Entgegen der Einschätzung der Polizei halte ezra ein rassistisches Tatmotiv weiterhin für möglich. Dafür spreche die Nähe zur Unterkunft, das gesellschaftliche Klima und eine geöffnete Gasflasche mit Acetylen, durch die eine erhebliche Explosion möglich gewesen wäre.

ezra ist in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und unterstützt Menschen, die Opfer rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt geworden sind.

Landesflüchtlingsrat berichtet von „sehr schlechter Stimmung“

Vom Landesflüchtlingsrat hieß es am Donnerstag, es sei bereits seit mehreren Wochen „eine sehr schlechte Stimmung“ zu spüren gewesen. Politik und Verwaltung hätten zunehmend von „Belastung“ und „hohem Migrationsdruck“ gesprochen.

Dem Landesflüchtlingsrat und Geflüchteten seien „anonym oder völlig offen und von der Gesellschaft unkommentiert Hassbotschaften entgegengeschleudert worden“, auch auf Montagsdemos habe es Hassparolen gegeben.

Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds Nord, Ingo Schlüter, bezeichnete die mutmaßliche Brandstiftung als „feige, widerliche und unmenschliche Tat“. Auch die „geistigen Brandstifter“ müssten zur Verantwortung gezogen werden„.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser entsetzt

Mit Entsetzen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf den Brand reagiert. „Menschen, die vor Putins Krieg bei uns in Deutschland Schutz gefunden haben, mussten aus den Flammen gerettet werden“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag in Berlin.

Der Brand in der Flüchtlingsunterkunft in Groß Strömkendorf sei eine furchtbare Nachricht. Faeser sagte: „Die Ermittlungen laufen und müssen jetzt alle Hintergründe klären.“ Sie dankte den Einsatzkräften, dass sie alle Menschen aus dem Haus retten konnten. Es „ist ein großes Glück, dass alle unverletzt blieben“, sagte die Ministerin.

Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist die genaue Ursache des Brandes einer Flüchtlingsunterkunft für ukrainische Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern weiter unbekannt. „Wir wissen im Moment noch nicht, was der Hintergrund ist. Die Vermutung ist da, dass es sich um einen Brandanschlag handeln könnte“, sagte die Ministerin am Donnerstagabend beim Besuch des Brandortes in Groß Strömkendorf bei Wismar.

Sollte sich die Vermutung bestätigen, werde der Rechtsstaat mit allen Mitteln durchgreifen. „Die Tat muss verfolgt werden, es muss zu einer schnellen Anklage kommen und dann auch zu einer Verurteilung“, sagte sie.

Flüchtlingsbeauftragter ist schockiert

Der evangelische Flüchtlingsbeauftragte und Berliner Bischof Christian Stäblein hat sich schockiert über den mutmaßlichen Brandanschlag auf eine Unterkunft für ukrainische Geflüchtete geäußert. „Wer Geflüchtete angreift, greift uns alle an“, schrieb Stäblein am Donnerstag bei Twitter nach dem Feuer in Groß Strömkendorf bei Wismar.

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Die Menschen aus der Ukraine seien dem Schrecken des Krieges entkommen. „Bei uns suchen sie Schutz und Sicherheit. Dafür müssen wir einstehen“, forderte der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) schließt einen politischen Hintergrund des Brandes in einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete bei Wismar nicht aus.

Hetze und Gewalt dulden wir nicht!

Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin

„Eins muss für alle klar sein: Menschen, die vor Krieg flüchten, brauchen unseren Schutz und unsere Unterstützung. Hetze und Gewalt dulden wir nicht!“, twitterte Schwesig am Donnerstag im Zusammenhang mit dem Feuer am späten Mittwochabend. Konkreter wurde sie vor ihrem Besuch vor Ort zunächst nicht.

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Bürgermeister „erschrocken und verärgert“

Bürgermeister Tino Schmidt (SPD) geäußerte sich betroffen. „Ich bin erschrocken und verärgert“, sagte der Bürgermeister von Blowatz, wozu Groß Strömkendorf gehört, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Bisher habe es in der Region keine Anzeichen für rechtsmotivierte Umtriebe gegeben, erklärte Schmidt mit Blick auf die noch ungeklärte Brandursache. Man habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Kriegsflüchtlingen, sagte Schmidt.

So waren in dem Hotel zeitweise bis zu 170 Menschen aus der Ukraine untergebracht. Im Sommer habe man zusammen mit den Flüchtlingen und dem DRK, dass die Einrichtung betreut, noch ein fröhliches Sommerfest gefeiert.

In dem ehemaligen Hotel seien seit dem Frühjahr bereits Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. Die Meisten seien vom Kreis inzwischen in andere Unterkünfte gebracht worden. (dpa,epd,AFP)

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