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Abgelenkt: Verkehrsminister Ramsauer warnt vor Kopfhörern im Straßenverkehr.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

Akustische Berieselung: Ramsauer warnt vor Kopfhörern im Straßenverkehr

Ramsauer beklagt, dass Fußgänger und Radler sich mit lauter Musik ablenken. Dies erhöhe das Unfallrisiko. Die Berliner Polizei stimmt ihm zu. Das Gesetz will der Minister aber nicht verschärfen.

Autofahrer, die wegen des Telefons in der Hand nicht mehr blinken können, Radler und Fußgänger, die sich mit Kopfhörern und lauter Musik vom Geschehen abkapseln. Allein von Januar bis Oktober 2011 stoppte die Polizei 17.481 Autofahrer und 1012 Radfahrer, weil sie ein Telefon in der Hand hatten. Die Moral und das Verantwortungsbewusstsein im Straßenverkehr nehmen ab.

Dies hat nach der Polizei auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erkannt und den grassierenden Leichtsinn auf den Straßen kritisiert. Gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“ nannte er beispielsweise das Tragen von Kopfhörern, Telefonieren oder SMS schreiben während der Fahrt. „Mit lauter Musik schlafwandeln sie über Straßen und Bahnsteige“, kritisierte der Minister. Herannahende Autos oder Bahnen würden dadurch überhört. „Unaufmerksamkeit ist ein hohes Unfallrisiko“, sagte Ramsauer und verwies auf steigende Opferzahlen.

In Berlin und auch im Bundesgebiet die Zahl der Verkehrstoten 2011 deutlich gestiegen. 54 Menschen starben nach Polizeiangaben in Berlin bei Unfällen, die Mehrzahl, nämlich 29, waren Fußgänger. Auch sonst wurden vor allem schwächere Verkehrsteilnehmer Opfer, je elf Menschen kamen auf Fahrrädern oder Motorrädern ums Leben. Bundesweit nahm die Zahl der Verkehrstoten im abgelaufenen Jahr erstmals seit 20 Jahren wieder zu, und zwar deutlich um etwa sieben Prozent. Es starben nach Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes 3900 Menschen, exakte Angaben liegen noch nicht vor. Die Zahl der getöteten Fußgänger sei sogar um 25 Prozent gestiegen sein.

„Kopfhörer erhöhen das Unfallrisiko“, bestätigt auch Berlins Polizei. Doch das Tragen von Kopfhörern ist nicht verboten, nicht einmal für „Fahrzeugführer“ Gefordert sei also der Verkehrsminister, hieß es bei der Polizei. Das Bundesverkehrsministerium will es aber beim Appell belassen. Eine Gesetzesinitiative sei nicht geplant, sagte ein Sprecher Ramsauers am Freitag.

Die Straßenverkehrsordnung bleibt bei diesem Thema eher allgemein: In Paragraf 23 heißt es: „Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht beeinträchtigt werden.“ Fußgänger dürfen Musik dagegen so laut hören wie sie wollen. Solcher Leichtsinn kann tödlich enden. Auch eine junge Frau, die vor einigen Jahren von einer Straßenbahn erfasst worden ist, trug Kopfhörer. Ob sie zum Unfallzeitpunkt von Musik abgelenkt war, blieb eine Vermutung der Verkehrspolizei, beweisen ließ sie sich nicht.

Zu laute Musik als Unfallursache sei „schwer nachweisbar“, sagte der Chef der Verkehrspolizei, Markus van Stegen. Auch Statistiken gebe es dazu nicht. Ein Polizist würde bei einem Radfahrer mit Kopfhörern höchstens dann einschreiten, wenn dieser nicht mehr auf Ansprache reagiere, hieß es im Präsidium.

Statistiken zur Unfallgefahr durch Kopfhörer gebe es nicht, sagte van Stegen. Lange belegt ist dagegen die Gefahr durch Mobiltelefone. Seit 2001 ist das Telefonieren am Steuer und am Lenker verboten. Diverse Studien zeigten, dass die Zahl der „Fahrunsicherheiten“ (Abkommen von der Spur, falsches Bremsen) beim Mobiltelefonieren um den Faktor 15 steigt, auch bei Verwendung einer – erlaubten – Freisprecheinrichtung noch um den Faktor 6.

Auch in diesem Jahr plant die Polizei zwei Schwerpunktaktionen gegen Telefonierer und Gurtmuffel. Vor zwei Wochen hatte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers für 2012 verstärkte stadtweite Kontrollen angekündigt, verbunden mit der Drohung, mehr Bußgelder gegen Verkehrssünder zu erheben. Denn: „Etwas anderes hilft nicht.“

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