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Panorama: "Saubere Hände": Das Geheimnis von Portofino

Das Verschwinden der Gräfin Vacca Agusta ruft in Italien die wilden Jahre der Schmiergeldrepublik wieder ins Gedächtnis. Die "wahrscheinlichste Erklärung" sei Selbstmord, sagt die federführende Staatanwältin Margherita Ravera, es könne sich allerdings auch um einen Unfall handeln, und auch ein Verbrechen sei nicht ganz auszuschließen.

Das Verschwinden der Gräfin Vacca Agusta ruft in Italien die wilden Jahre der Schmiergeldrepublik wieder ins Gedächtnis. Die "wahrscheinlichste Erklärung" sei Selbstmord, sagt die federführende Staatanwältin Margherita Ravera, es könne sich allerdings auch um einen Unfall handeln, und auch ein Verbrechen sei nicht ganz auszuschließen. Die Behörden Genuas haben keinerlei Ahnung, was mit Francesca Vacca, verwitwete Gräfin Agusta, in der Nacht vom vergangenen Montag auf Dienstag geschehen ist. Fest steht nur, dass die 58-Jährige seither verschwunden ist. Zuletzt wurde sie gesehen, als sie, in Pantoffeln und Morgenrock, ihre 40-Zimmer-Villa im Nobel-Badeort Portofino über die Verandatür verließ. Am Donnerstagnachmittag wurden Morgenrock und Schlappen im Meer gefunden.

Doch was an sicheren Erkenntnissen fehlt, wächst sich im legenden- und komplottfreudigen Italien bereits wieder zu einer ansehnlichen Spekulation aus. Denn: ist Francesca Vacca Agusta nicht jene Frau, die in den neunziger Jahren von den Ermittlern der Antikorruptionskommission "Saubere Hände" als eine der Geldwäscherinnen für die Schmiergelder ausgemacht wurde, die der frühere sozialistische Parteichef und zweimalige Ministerpräsident Bettino Craxi an Schmiergelder beiseite geschafft hatte? Und war die Firma Agusta mit ihrer Waffenschmiede nicht in mehrere unappettitliche Affären verwickelt, bis hin zu unaufgeklärten "Todesfällen"?

Als 1994 Haftbefehl gegen sie erging, gelang ihr über Montecarlo und London eine abenteuerliche Flucht nach Mexiko, doch 1997 wurde sie verhaftet und nach Italien ausgeliefert. Sie schaffte es aber, die Gerichte von ihrer "seinerzeitigen Naivität" zu überzeugen und erhielt lediglich ein Jahr und zwei Monate, die sie als Hausarrest absitzen durfte. Vor dieser Affäre war die "Contessa" eigentlich nur Eingeweihten, sprich: dem Nobel-Set der Mailänder Polit- und Finanzschickeria, bekannt gewesen. Ihre tagelangen Feste in diversen Nobelvillen gehörten zu den Geheimtipps der High Society, ihr Männerverschleiß war legendär. Bewundert wurde aber auch ihr zäh betriebener Aufstieg von der einfachen Verkäuferin aus Genua zum umworbenen Mittelpunkt der Geldelite.

Provokant hatte sie sich 1974 eines abends auf der Piazza von Portofino gezeigt, wo die Reichen und die Superreichen - von den Fiat-Agnellis bis zum Mailänder Medienmogul und derzeitigen Oppositionsführer Slivio Berlusconi - Exklusivität genießen und schon aus Statusgründen feudale Sommersitze pflegen, allesamt versteckt auf den Hügeln ringsum hinter riesigen Palmen und Zypressen. Graf Corradino Agusta, Eigner der gleichnamigen Hubschrauberfabrik, schon in fortgeschrittenem Alter aber noch "sehr agil", wie sich einer seiner Freunde erinnert, verliebte sich unsterblich in die junge Schönheit, verließ Frau und Kind und heiratete sie.

Doch schon bald gab es Knatsch, weil sich die nun zur Gräfin Aufgestiegene einen anderen Lebensstil vorstellte als die auf Abschottung fixierten Granden der Republik. 1984 trennten sie die beiden, der Graf starb 1989, und damit begann ein Erbschaftsstreit mit dem Agusta-Sohn Ricky. Immerhin bekam Francesca Vacca die Villa von Portofino (Verkehrswert an die 35 Millionen Mark) zugesprochen und weitere Liegenschaften, und daraus machte die Comtessa einen Mittelpunkt des damaligen Jet Sets und einen Salon der Polit-und Wirtschaftsprominenz in den letzten Jahren der Schmiergeldrepublik.

Freunde beschreiben sie als zunächst lebensfrohe, aber auch zerbrechliche "Ragazza", großzügig und spendabel, doch je mehr sie zur angesehenen Frau reifte, auch immer depressiver, anfälliger für Krisen, unglücklich in ihrer feudalen Umgebung. Die früher dichten, lockigen roten Haare, die ihr den Spitznamen "Rita Hayworth von Portofino" eingebracht hatten , wichen einem langweiligen, erblondeten Jacky-Kennedy-Look, über die zahlreichen Liftung-Narben zerriss sich halb Portofino das Maul. Sie zog sich immer mehr zurück, versuchte ihr Glück mit jüngeren Männern, zuletzt mit einem Modefriseur, der laut Testament zusammen mit einer Freundin von Vacca Agusta Haupterbe sein würde. Aber die geistige Verwirrung, so jedenfalls ihre letzten Besucher, nahm ständig zu. "Sie hat es nicht ertragen, ihre Berühmtheit nach und nach zu verlieren", vermutet "la Repubblica" - doch mehr Sinn macht wohl die umgekehrte Version: sie hatte das Leben nicht mehr ertragen in einer Welt der Geschäftemacher und Magnaten, schon zur Zeit ihrer Ehe mit dem Grafen Agusta. Der Rest hat sich dann wohl zwangsläufig entwickelt.

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