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Wütende Bewohner von Paiporta schreien während eines Besuchs des spanischen Königs Felipe VI. am 3. November.

© AFP/MANAURE QUINTERO

Update

Sie riefen „Mörder“ und warfen Schlamm: Aufgebrachte Menge empfing spanisches Königspaar und Premier in Valencia

Das gesamte Ausmaß der Unwetterkatastrophe ist noch nicht abzusehen. Es werden immer mehr Opfer gefunden. Das spanische Königspaar bekam bei einem Besuch vor Ort die Wut Betroffener zu spüren.

Stand:

Nach den zerstörerischen Überschwemmungen in der Region Valencia hat das spanische Königspaar mit Regierungschef Pedro Sánchez das Katastrophengebiet besucht. Dabei bekamen sie die Wut und Verzweiflung der Menschen zu spüren. „Mörder“, brüllten Menschen am Sonntag in der besonders stark betroffenen 27.000-Einwohner-Gemeinde Paiporta König Felipe VI. und seiner Frau Letizia entgegen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Aufgebrachte Menschen warfen außerdem Schlamm und Gegenstände in Richtung der offiziellen Delegation. Das Königspaar wurde im Gesicht getroffen. Felipe, Letizia, Sánchez und der ebenfalls anwesende Regionalpräsident Mazón verließen daraufhin das Gelände, später wurde der Besuch im Katastrophengebiet vorzeitig abgebrochen. Zuvor hatte das Königspaar noch versucht, mit den aufgebrachten Betroffenen in der Menge zu sprechen.

Nach Darstellung der Nachrichtenagentur KNA galten die Aggressionen Premier Sánchez. Grund für die Aufregung sind aus der Sicht der wütenden Menschen die nur schleppend angelaufene Hilfe sowie Pannen des Unwetter-Warnsystems. Dieses soll erst Stunden nach der Tragödie Alarm geschlagen haben.

Felipe erklärte am Abend in einer Videobotschaft, er verstehe „den Ärger und die Frustration“ der Flutopfer. Auch Sánchez betonte, er habe Verständnis für die „Angst und das Leiden“ der Betroffenen. Gleichzeitig verurteilte er „alle Formen von Gewalt“ als inakzeptabel. 

Das Königspaar war gemeinsam mit Sánchez und Regionalpräsident Carlos Mazón nach Paiporta westlich der Küstenmetropole Valencia gereist. Im dortigen Krisenzentrum machte sich Felipe ein Bild von der Lage, wie das Königshaus im Online-Dienst X mittelte.

Der spanische König umringt von teils wütenden Bürgern.

© AFP/MANAURE QUINTERO

Nach Angaben vom Sonntag wurden bereits 217 Todesopfer gefunden, davon 213 in der Region Valencia. Die Behörden rechnen mit weiteren Todesopfern, etwa in von den Flutwellen mitgerissenen Autos. Eine offizielle Vermisstenzahl gibt es nach wie vor nicht, aber einige spanische Medien schreiben sogar von bis zu 2000. In den Katastrophengebieten fehlt es außerdem an Trinkwasser und Lebensmitteln.

Feuerwehrleute suchen in einer überfluteten Unterführung in Alfafar in der Region Valencia nach Opfern.

© AFP/Manaure Quintero

Der Besuch des Königspaars wurde auch von der Gefahr weiterer schwerer Regenfälle überschattet. Der spanische Wetterdienst hat für Sonntagabend vor erneuten starken Regenfällen im Hochwassergebiet in der Region Valencia gewarnt. Laut der Nationalen Wetterbehörde Aemet gilt für die südliche Küste der Region Valencia zwischen 18.00 und 23.00 Uhr Alarmstufe rot. Demnach drohten Niederschläge von 90 Litern pro Quadratmeter je Stunde, möglich seien auch Stürme von „großer Intensität“.

Polizisten mit Megafonen riefen die Bevölkerung auf, sich in ihre Häuser zu begeben, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

In den Ortschaften westlich und südlich von Valencia, die am stärksten von den Überschwemmungen vom Dienstag getroffen wurden, hatte sich Unmut über die Politik breitgemacht. Denn viele der verwüsteten Orte fühlten sich in den ersten Stunden und Tagen nach der Katastrophe völlig alleingelassen – mit aufeinander getürmten Autos und Möbeln auf den verschlammten Straßen und ohne Trinkwasser, Lebensmittel, Strom und Telekommunikation.

31.10.2024

Fast 4.000 Soldaten in Spanien im Einsatz

Die Bergungsarbeiten liefen am mittlerweile fünften Tag nach der Katastrophe weiter. Vor allem in Tunneln und überfluteten Tiefgaragen oder Parkhäusern stellt sich die Suche besonders schwierig dar, da dort das Wasser den Einsatzkräften zum Teil bis zur Brust reicht, wie auf Videos von den Einsätzen zu sehen ist.

Feuerwehrleute entfernen ein Auto aus dem Schlamm in einem vom Hochwasser betroffenen Gebiet in Algemesi in Spanien.

© dpa/Manu Fernandez

Sánchez hatte am Samstag angekündigt, das Militär vor Ort um weitere 5.000 Soldaten aufzustocken und auch 5.000 Polizisten zu entsenden. Bis Samstagabend waren mehr als 3.600 Militärangehörige in den Ortschaften nahe der Großstadt Valencia im Einsatz, wie die spanische Zentralregierung in Madrid verkündete.

Auch dank vieler Freiwilliger ist dort mittlerweile Hilfe angelaufen, und auch die Stromversorgung funktioniert zum großen Teil wieder. Am Samstag waren Tausende von der Stadt Valencia aus organisiert in Bussen in einige der Dörfer gebracht worden, doch manche dortige Bürgermeister wie etwas in Chiva hätten sie gar nicht mehr benötigt, schrieb etwa die Zeitung „ABC“.

In dem Gebiet westlich und südlich der Stadt Valencia sorgte vor allem ein Fluss für einen Großteil der Zerstörung: Ein sonst eher trockenes Bachbett hatte sich mit den heftigen Regenfällen vom Dienstag in einen reißenden Strom verwandelte und war Richtung Meer durch mehrere Ortschaften gerast.

Zu Spaniens schlimmsten Naturkatastrophen der vergangenen 75 Jahre gehört – gemessen an der Zahl der Toten – die Überschwemmung von Biescas in der nördlichen Region Aragonien im Jahr 1996. Damals starben 87 Menschen, als nach heftigem Regen ein Campingplatz in dem in den Pyrenäen gelegenen Ort überschwemmt wurde.

Auch die Überschwemmung des Flusses Turia nahe Valencia im Jahr 1957 gilt als eine der schwersten, damals kamen zwischen 80 und 100 Menschen ums Leben. (dpa/AFP/KNA)

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