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Panorama: Spandau grüßt den Grand Canyon

Eine Berliner Spezialfirma hat für die Hualapai-Indianer die Glasbrüstung gebaut

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In 1200 Metern Höhe ragt jetzt eine große Glasplattform über den Grand Canyon. Besucher können dort künftig direkt unter sich in die Tiefe der Schlucht schauen. Gestern veranstaltete der Indianerstamm der Hualapai eine von mehreren Eröffnungsfeierlichkeiten. Die Glasbrüstung dieser neuen Attraktion stammt aus Berlin. Hier, in der nüchternen Fabrikhalle der Spandauer Glasbiegerei Döring, wurde gestern nicht gefeiert. „Für uns ist das ein ganz normaler Arbeitstag“, sagte Geschäftsführer Detlef Buchwald. Immerhin hatten sich die Berliner – wie die anderen Zulieferer – an den Kosten des Buffets beteiligt, das im fernen Westen der USA den VIPs geboten wurde, die den atemberaubenden Ausblick genießen durften. Der 55 Millimeter dicke Glasboden, von einem Kölner Schwesterbetrieb gefertigt, erlaubt einen senkrechten Blick auf den 1,2 Kilometer tiefer fließenden Colorado River. Das Spandauer Spezialunternehmen lieferte die 49 Einzelteile der 1,60 Meter hohen Brüstung aus besonders transparentem und farbneutralem Glas. Die Produktion der 28 gebogenen und 21 planen Elemente dauerte rund einen Monat. Der Transport erfolgte im Container per Schiff und Lkw.

„Wir stoßen normalerweise an, wenn wir den Zuschlag für einen großen Auftrag erhalten und wenn wir das Produkt erfolgreich geliefert haben“, sagte Geschäftsführer Buchwald am Montag. Aber die Kosten für eine Dienstreise zur Eröffnung seien nicht zu rechtfertigen. Er selbst will die höchstgelegene Stahl- und Glaskonstruktion der Welt – allein die Glasteile bringen 28 Tonnen auf die Waage – ganz privat beim Urlaub im nächsten Jahr betreten. Touristen haben dazu ab dem 28. März Gelegenheit. Der Eintritt kostet 25 Dollar. Der hufeisenförmige „Skywalk“, der 482 Tonnen wiegt, ist die Attraktion des neuen Besucherzentrums „Grand Canyon West“, zu dem ferner Restaurants, ein Museum, ein Kino und ein auch für Trauungen geeigneter Saal gehören. Das Multimillionendollarprojekt wurde vom Stamm der Hualapai-Indianer gemeinsam mit dem Unternehmer David Jin aus Las Vegas realisiert.

Unmögliches möglich zu machen, ist für die Spandauer Firma mit ihren rund 50 Mitarbeitern eine Herausforderung. Das 1933 von dem Glasermeister Franz Döring gegründete Traditionsunternehmen stellte in den 50er Jahren unter anderem auch die speziellen, gebogenen Glasscheiben der Musikboxen her, die sich in fast jeder Kneipe fanden. 1995 verkaufte die Familie des Firmengründers den Betrieb an die französische Saint-Gobain-Gruppe. Acht Jahre später entstand die neue Produktionsstätte im Staakener Zeppelin-Gewerbepark. Die Produkte aus der Berliner Fabrik finden sich in spektakulären Bauten rund um den Globus wieder. Das Leipziger Porsche-Zentrums gehört dazu wie auch der Londoner Cardinal Place und ein Prunkbau in Georgien mit einer Glaskuppel, die an den Reichstag erinnert.

So ist man in Spandau längst mit neuen Projekten befasst. Die Glasexperten arbeiten gerade an der neuen Fassade des Lesesaals der Berliner Staatsbibliothek. 2000 Quadratmeter gilt es hier zu verglasen. Die Aufgabe diesmal: Drei mal ein Meter große Scheiben herzustellen, mit blasenartigen, nach innen und außen gewölbten Linsen, die – ganz im Gegensatz zum „Skywalk“ – nur einen getrübten Durchblick erlauben sollen.

Rainer W. During

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