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Berichterstattung über kontroverse Videoaktion: Tagesspiegel Live zu #allesdichtmachen – so verlief die Debatte

Bei Tagesspiegel Live wurde über die Berichterstattung zu #allesdichtmachen diskutiert. Mit dabei: Paul Brandenburg, der Corona für nicht so gefährlich hält.

Der Mediziner, Unternehmer und Publizist Paul Brandenburg hat erklärt, dass er nichts mit der satirisch gemeinten Aktion #allesdichtmachen von Schauspielern und Regisseuren zu tun hatte. Zugleich distanzierte er sich von der Querdenken-Bewegung. Diese verkörpere nicht die gesamte Reihe der Kritiker der staatlichen Anti-Pandemie-Maßnahmen. „Ich arbeite nicht mit Antisemiten und Neonazis zusammen“, sagte Brandenburg am Dienstagabend bei einer Diskussionsrunde bei Tagesspiegel Live, moderiert von Vize-Chefredakteurin Anna Sauerbrey.

Dabei ging es um die Recherchen des Tagesspiegel zu #allesdichtmachen, an denen es deutliche Kritik gab. Zugleich sagte Brandenburg aber auch, dass er mit dem Regisseur Dietrich Brüggemann, einem der Initiatoren von #allesdichtmachen, inzwischen befreundet sei.

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Bei der Aktion Ende April hatten mehr als 50 Schauspieler und Regisseure die Corona-Politik und die Berichterstattung der Medien darüber in Videos kritisiert. Das hatte heftige Debatten ausgelöst, zumal parallel die Infektionsraten und die Belastung der Intensivstationen hoch waren.

Brandenburg beklagte, dass er als dubiose Figur und die Kritiker als dunkles Netzwerk dargestellt worden seien. „Wenn 53 Menschen so zusammenarbeiten, dann muss man erstmal zur Kenntnis nehmen, dass sie eine Meinung haben und nicht gleich Gesinnungsunrecht unterstellen“, sagte Brandenburg.

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Er habe auch wenig Kontakt zur Kleinstpartei „Die Basis“, bei der auch Querdenker mitmachen und der Schauspieler Volker Bruch, Hauptdarsteller der TV-Reihe „Babylon Berlin“, einen Mitgliedsantrag gestellt hat. „Mein Weg ist nicht in der Partei“, sagte Brandenburg. Diejenigen, die er von der „Basis“ kenne, ordne er eher als politisch links ein, sagte Brandenburg.

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Zudem bezeichnete er es als Gewinn, dass die Menschen in der Pandemie politisiert worden seien. Er hoffe, dass es der Partei gelingt, „die radikalen Kräfte zu bändigen“. Einige Demonstrationen der Querdenken-Bewegung, die er aus Interesse beobachtet habe, habe er als durchmischt empfunden. Er habe dort auch wirre Menschen gesehen, Leute mit Reichsfahnen, radikale Christen und Esoteriker. „Wir wollen damit nicht gleichgesetzt werden“, sagte Brandenburg. Er selbst ist einer der Gründer der Initiative „1bis19“, benannt nach den Grundrechten in der Verfassung,

Tagesspiegel-Kolumnist Harald Martenstein verteidigte im Tagesspiegel-Live-Talk Kritik an der Corona-Politik und auch #allesdichtmachen. Es dürfe keine Tabuzonen geben, über die nicht gestritten werden dürfte. Wer wie die Schauspieler in Opposition zu den Corona-Maßnahmen der Regierung trete, dürfte auch nicht gleich in die rechte Ecke gestellt und stigmatisiert werden. Es sei legitim, gegen die Corona-Maßnahmen zu sein.

[Tagesspiegel Live – hier zum Nachschauen: Alles richtig gemacht bei #allesdichtmachen?]

Wenn bei Bewegungen – auch linken - dubiose Randfiguren ebenfalls mitliefen, dürfe nicht gleich die Legitimation abgesprochen werden. Es handle sich um die härtesten Eingriffe in die Bürgerrechte seit Bestehen der Bundesrepublik. „Wenn es keine Opposition gibt, dann wären alle Umerziehungsmaßnahmen der Alliierten vergeblich gewesen“, sagte Martenstein. Und: „Wir sind Dienstleister, keine Volkserzieher und Richter.“

Joachim Huber, verantwortlich für die Medienseiten des Tagesspiegel, der selbst schwer an Covid-19 erkrankt war, verteidigte hingegen grundsätzlich, dass Medien zu #allesdichtmachen recherchieren. Bei der Aktion hätten mehrere sehr bekannte Schauspieler mitgemacht – das sei viel Prominenz, auch politisch, „man hört ihnen zu“.

Es habe wie eine konzertierte Aktion gewirkt, daher sei es Aufgabe der Medien Transparenz herzustellen. Viele Menschen hätten die Videos als Ohrfeige empfunden in der Pandemielage. Deutliche Differenzen traten in der Debatte zu Tage, als es um die Gefahr durch das Coronavirus und die staatlichen Eindämmungsmaßnahmen ging.

Brandenburg: Corona kein außergewöhnliches Ereignis

Sascha Karberg, Ressortleiter für Wissen/Forschen beim Tagesspiegel, sagte, er haben die Videoaktion als geschmacklos empfunden – in einer Zeit mit vielen Todesopfern. Sicherlich müsse über das Vorgehen in der Pandemie diskutiert werden, dennoch gebe es eine klare Übersterblichkeit, mit einer Ausgangssperre sei es etwa in Irland gelungen, die explodierenden Infektionszahlen zu brechen. Erst im Rückblick werde sich zeigen, wie sich die einzelnen Maßnahmen ausgewirkt haben

Brandenburg widersprach: Er wolle niemandem die Maske wegnehmen oder davon abhalten, sich testen zu lassen. „Ich habe nur eine andere Meinung von der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen.“ Die Pandemie und das Virus seien nicht so gefährlich, wie sie dargestellt würden. Er wolle nicht schwere Krankheitsverläufe bei Infizierten in Abrede stellen, aber die Corona-Pandemie sei nicht vergleichbar mit einer Influenza, sie übersteige andere Lebensrisiken nicht. Corona sei kein außergewöhnliches Ereignis.

[Lesen Sie auch: Wie viel Querdenken steckt in „Die Basis“?]

Brandenburg kritisierte daher die mit der Bundesnotbremse angeordnete nächtliche Ausgangssperre ebenso wie ein „überbordendes“ Demonstrationsverbot. „Ich erkenne totalitäre Tendenzen darin.“ Man werde mit einer Regelungsflut und Verbotskultur überzogen. Er wolle nicht dem gewaltsamen Kampf dagegen Vorschub leisten, dagegen vorzugehen werde aber nicht gehen, ohne die nächtliche Ausgangssperre zu brechen.

Gründungsversammlungen der Partei „Die Basis“ - zu der er nach eigener Aussage wenig Kontakt habe - würden durch die Verbote torpediert, erklärte Brandenburg. Viele Menschen wollten nicht digital, sondern persönlich zusammenkommen. Politische Versammlungen via Video und digital erlebe er als „Einschränkung der Diskussionsmöglichkeiten“ und „Verlust an demokratischer Kultur“.

Und Kritiker von #allesdichtmachen müssten sich fragen, warum die Aktion und auch alternative Medien auch auf große Begeisterung stoßen. Brandenburg sprach auch von einem Meinungsblock der etablierten Medien.

Anna Sauerbrey und Joachim Huber widersprachen: Es gebe weder in den Medien noch speziell im Tagesspiegel nur eine Meinung. Die staatlichen, aber demokratisch zustande gekommenen Corona-Maßnahmen seien intern und auch publizistisch kontrovers, zum Teil sehr kritisch diskutiert worden. Die Frage sei, sagte Huber, ob man Mehrheitsentscheidungen in einer Demokratie akzeptiere.

Ergänzung der Redaktion: Gegen Ende der Veranstaltung erklärte Anna Sauerbrey die Zusammenarbeit mit dem „Recherchenetzwerk Antischwurbler“. Gemeinsam mit dieser Gruppe ist die zweite Recherche zu den Hintergründen der Aktion #allesdichtmachen entstanden, Mitglieder des Netzwerks waren Mitautoren und standen deshalb auch in der Autorenzeile. Anna Sauerbrey bezeichnete Mitglieder der Gruppe dabei als „Szeneaussteiger“. Diesen Begriff empfinden diese Personen selbst als nicht zutreffend. Es handelt sich um mehrere Personen, die im vergangenen Jahr zunächst selbst Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen besucht haben, dort nach eigener Aussage über die Zusammensetzung der Teilnehmer erschraken. Gemeinsam mit einer befreundeten Journalistin entschlossen sie sich, ihre Vernetzung in der Szene, etwa in einschlägigen Telegram-Kanälen, zu nutzen, um Organisationsstrukturen und extremistische Tendenzen in der Szene zu recherchieren und zu dokumentieren.

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