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Warmes, schönes Licht. Die Glühlampe ist nicht zu ersetzen. Foto: dpa

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Panorama: Trauer um die gute alte Glühlampe

Museen und Künstler boykottieren Energiesparlampen, weil sie Kälte ausstrahlen – Hamsterkäufe

Mehr als 130 Jahre lang hat sie die Häuser, Wohnungen und Büros von Millionen Menschen erhellt: die gute alte Glühlampe. 1880 brachte Erfinder Thomas Edison sie auf die Welt, 2011 gibt ihr die Europäische Union den Todesstoß – ab September dürfen die 60-Watt-Lampen mit dem Glimmfaden nicht mehr hergestellt und vertrieben werden. Ein Jahr später folgen alle weiteren Birnen, auch ein Großteil der Halogenleuchten soll verboten werden. Künstler und Museen schlagen Alarm: Der Nachfolger der Glühlampe, die sogenannte Energiesparlampe, leuchte unnatürlich – und verzerre Exponate, Skulpturen und Bilder. Die alten Lampen sind gefragter denn je, einige Museen gehen schon auf Hamsterkauf. „Die Energiesparlampen geben qualitativ ein ganz anderes Licht ab. Das Ganze ist ein gewaltiger Etikettenschwindel“, sagt Peter Andres, Lichtplaner aus Hamburg. Die Lichtspektren würden sich gewaltig voneinander unterscheiden. „Einige Farben kann die Energiesparlampe gar nicht abbilden“, sagt Andres. Glüh- und Halogenlampen haben ihre Lichtgebung im warmen rot-gelben Bereich. Die Energiesparlampen hingegen scheinen mit einem kalten leicht bläulichen Licht.

Für Bianca Ratajczak, Restauratorin in den Münchener Pinakotheken und dem Museum Brandhorst, wird das EU-Verbot zum praktischen Problem: „In vielen Kunstwerken oder Installationen sind Glühlampen verbaut.“ Auch wenn die Lampe nur einen kleinen Teil eines Kunstwerks ausmache, verschwinde damit langsam das Original. In einigen Exponaten ist die Lampe essenziell: zum Beispiel bei „Exit“, einem Werk des Berliner Künstlers Julian Göthe. Sieben Glühbirnen, 100 Watt matt, sind darin verbaut. Diese Sorte wurde von der EU bereits 2009 verboten. 60 der Birnen wurden in letzter Minute noch gekauft und zwischengelagert. Göthe hofft, dass der Vorrat noch lange hält, denn Energiesparlampen kann er sich nicht vorstellen. Wie viele andere Künstler ist er gegen die neuen Lichtquellen. Teile des Szene forderten sogar schon eine Rücknahme des Glühbirnen-Verbots per Petition. „Energiesparlampen sind kein Ersatz“, sagt auch Restauratorin Ratajczak. „Außerdem sind Glühlampen nicht nur Leuchtmittel, sondern auch Heizkörper.“ Dieser Effekt spiele bei vielen Ausstellungsstücken ebenfalls eine große Rolle.

Aber genau diese Wärme hat zum Verbot der Lampen in der EU geführt: Eine Glühbirne wandelt nur fünf Prozent des Stroms in Licht um, 95 Prozent werden zu Wärme. Die Energiesparlampe verbraucht nur ein Fünftel der Energie einer klassischen Birne. Auf den ersten oberflächlichen Blick scheinen die neuen Lampen also umweltfreundlicher.

Aber auf den zweiten tun sich viele Risiken auf. Die Lampen bestehen aus Kondensatoren, Transistoren, Platinen – und enthalten hochgiftiges Quecksilber. Quecksilber ist eigentlich in der EU verboten. Paradoxerweise wurde für die angeblich umweltfreundliche Energiesparlampe eine Ausnahme genehmigt. Konnte man die einfachen Glühbirnen noch im Hausmüll entsorgen, müssen Energiesparlampen in den Sondermüll. „Es ist skandalös“, sagt Lichtplaner Andres. „Seit vielen Jahren sind Quecksilber-Thermometer verboten, aber im Baumarkt kann jedes sechsjährige Kind eine Energiesparlampe kaufen.“ Quecksilber sei einer der toxischsten Stoffe. Schon ein Milligramm reiche, um 5300 Liter Wasser zu verseuchen. Eine Energiesparlampe enthält zwischen zwei und fünf Milligramm.

Studien haben ergeben, dass viele Menschen Einschlafschwierigkeiten haben, wenn sie vor dem Zubettgehen Licht mit hohen Blauwerten ausgesetzt sind, wie das bei Energiesparlampen der Fall ist. Noch etwas kommt hinzu. Viele Mediziner gehen mittlerweile davon aus, dass die Energiesparlampen einen negativen Einfluss auf das menschliche Nerven- und Hormonsystem haben. Zudem gibt es bei Energiesparlampen keinen Strahlungsgrenzwert. „Sie strahlen bis zu zwölf Mal stärker als ein geprüfter Computerflachbildschirm“, sagt Andres. Daher sollte man die Lampen nicht in Körpernähe anbringen, rät auch Stiftung Warentest. Vor allem als Schreibtisch- oder Nachttischlampen seien sie tabu.

Der Abstand zum Körper ist in den Hamburger Deichtorhallen kein Problem. In 16 Metern Höhe hängt die Beleuchtung des Kunsthauses. Energiesparlampen sucht man trotzdem vergeblich: „Diese Lampen haben extreme Ausfälle in ganzen Farbbereichen. Sie sind nicht für die Bilderbeleuchtung geeignet“, sagt Techniker Nils Handschuh. Dafür hängen mehr als 200 starke Halogenleuchten an der Decke. Die sollen teilweise demnächst auch verboten werden.

Vielleicht muss man dann auf die gute alte Kerze zurückgreifen. Wenn die nicht auch verboten wird.

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