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Alabamas Kammer für Hinrichtungen

© dpa/Dave Martin

Update

„Minutenlanger Todeskampf“: So lief die Stickstoff-Hinrichtung von Kenneth Eugene Smith ab

29 Minuten dauerte es, bis Kenneth Eugene Smith schließlich tot war – der erste Mensch überhaupt, der mit Stickstoff hingerichtet wurde. Der anwesende Pfarrer spricht von einer Tortur.

Vor 35 Jahren verübte er für 1000 Dollar einen Auftragsmord, vor 28 Jahren wurde er dafür zum Tode verurteilt: Am Donnerstag ist der 58-jährige Kenneth Eugene Smith mit einer neuen Stickstoff-Methode im US-Bundesstaat Alabama hingerichtet worden. Die Stickstoffhypoxie genannte Methode ist nicht nur in den USA, sondern weltweit erstmals angewendet worden. Menschenrechtsexperten hatten vorab gravierende Bedenken angemeldet.

Bei der Prozedur bekommt der Betroffene über eine Gesichtsmaske Stickstoff zugeführt – die Folge ist der Tod durch Sauerstoffmangel. Smith wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft um 20.25 Uhr Ortszeit für tot erklärt, 29 Minuten nach Beginn der Hinrichtung. Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde sagte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden. 

Pfarrer beschreibt minutenlange Tortur

Der bei der Hinrichtung anwesende Pfarrer, Jeff Hood, beschrieb hingegen, dass Strafvollzugsbeamte im Raum sichtlich überrascht darüber gewesen seien, „wie schlecht die Sache läuft“. Smith sei nicht innerhalb von Sekunden bewusstlos gewesen.

Kenneth Eugene Smith wurde 1996 zum Tode verurteilt und 28 Jahre später hingerichtet.
Kenneth Eugene Smith wurde 1996 zum Tode verurteilt und 28 Jahre später hingerichtet.

© Reuters/Alabama Doc

„Was wir sahen, waren Minuten, in denen jemand um sein Leben kämpfte“, sagte Hood. Smith habe sich gewunden, gespuckt und seinen Kopf immer wieder nach vorne gerissen – die Maske sei am Exekutionstisch befestigt gewesen. 

Menschenrechtler, UNO und EU entsetzt

Dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, halten Experten der Vereinten Nationen für nicht wissenschaftlich bewiesen. Menschenrechtsexperten hatten vorab beklagt, die Methode sei ungetestet und Smith könnte einen grausamen Tod sterben. Smiths Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Exekution zu stoppen – vergeblich.

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Auch UNO und EU verurteilten die Hinrichtung. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte am Freitag, die neuartige und unerprobte Methode des Erstickens durch Stickstoffgas könne womöglich „Folter oder einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkommen“. Ein EU-Sprecher sagte, nach Einschätzung von Experten handele es sich um eine „besonders grausame“ Methode.

Smith war vor 28 Jahren zum Tode verurteilt worden

Smith war 1996 zum Tode verurteilt worden – wegen der Beteiligung an einem Auftragsmord acht Jahre zuvor. Bereits 2022 sollte Smith eigentlich mit der Giftspritze hingerichtet werden. Dem Gefängnispersonal gelang es damals aber nicht, die dafür nötige Kanüle in seinen Arm zu legen: Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf dem Exekutionstisch lag, wurde er wieder in seine Zelle gebracht.

Weder den gescheiterten Versuch von 2022 noch die Bedenken mit Blick auf die neue Methode werteten Gerichte jedoch als ausreichend, um nun die Stickstoff-Hinrichtung zu stoppen. Smiths Anwälte hatten argumentiert, dass er zu einer Art Testkandidat würde und noch viel zu viele Fragen offen seien.

Berufungsgericht weist Vorbehalte zurück

In ihrem Gesuch bemängelten sie unter anderem, dass an dem Protokoll für den Ablauf der Hinrichtung noch wenige Tage vor dem Termin Änderungen vorgenommen worden seien. Die Anwälte werteten dies als weiteren Beweis für die vielen Unklarheiten bei einer Hinrichtung mit Stickstoff.

Mike Sennett, Sohn von Elizabeth Sennett, und andere Familienmitglieder sprechen nach der Hinrichtung von Kenneth Eugene Smith. In den USA ist erstmals ein zum Tode verurteilter Mensch mittels einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith starb am Donnerstagabend (Ortszeit) in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama unter Anwendung sogenannter Stickstoffhypoxie.
Mike Sennett, Sohn von Elizabeth Sennett, und andere Familienmitglieder sprechen nach der Hinrichtung von Kenneth Eugene Smith. In den USA ist erstmals ein zum Tode verurteilter Mensch mittels einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith starb am Donnerstagabend (Ortszeit) in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama unter Anwendung sogenannter Stickstoffhypoxie.

© picture alliance/dpa/AP/Kim Chandler

Das Berufungsgericht in Alabama wies die Vorbehalte am Mittwoch jedoch zurück. Smith könne nicht belegen, dass die Hinrichtung eine „grausame und ungewöhnliche“ Bestrafung darstelle, hieß es in der Entscheidung. Auch der Supreme Court lehnte einen ähnlichen Antrag ab, nannte allerdings keine Begründung dafür. Erfolglos blieb auch ein weiterer letzter Eilantrag vor dem Obersten Gerichtshof, über den erst am Donnerstagabend (Ortszeit) unmittelbar vor der Exekution entschieden wurde.

1000 US-Dollar für einen Auftragsmord

1988 hatte Smith sich als damals 22-Jähriger auf einen Auftragsmord eingelassen, für den er 1000 US-Dollar bekam. Opfer war die Ehefrau des Auftraggebers, der sich eine Woche nach der Tat selbst das Leben nahm. Smith und zwei Mittäter wurden gefasst – einer bekam eine lebenslange Haftstrafe und starb 2020 im Gefängnis, der andere wurde 2010 mittels Giftspritze hingerichtet.

Smith hatte im Prozess gegen ihn zwar zugegeben, er sei bei der Tat anwesend gewesen, beteuerte aber, sich an der tödlichen Attacke selbst nicht beteiligt zu haben. Smiths Hinrichtung ist in den USA die erste überhaupt in diesem Jahr. 2023 waren landesweit 24 Todesurteile vollstreckt worden. 2330 zum Tode verurteilte Menschen sitzen derzeit im Todestrakt, teils schon seit Jahrzehnten, wie im Fall von Smith. (dpa)

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