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Auch verdächtigt im Fall Maddie: Christian B. in Vergewaltigungsprozess freigesprochen
Christian B. wird in Zusammenhang mit der verschwundenen Maddie verdächtigt. Nun hat ein Gericht den Sexualstraftäter in einem anderen Fall freigesprochen.
Stand:
Der auch im Fall Maddie mordverdächtige Christian B. ist vom Landgericht Braunschweig vom Vorwurf mehrerer schwerer Sexualstraftaten freigesprochen worden. Der 47-jährige Deutsche bleibt aber im Gefängnis, weil er noch bis September 2025 eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung absitzt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, eine Revision ist möglich.
Nach 38 Verhandlungstagen vor der Strafkammer im niedersächsischen Braunschweig sprachen die drei Berufsrichter und zwei Schöffen den Angeklagten frei. Viele Prozessbeobachter hatten mit diesem Ausgang gerechnet, nachdem die Kammer im Juli auf Antrag der Verteidigung den Haftbefehl gegen den mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter aufgehoben hatte.
Mordverdächtiger im Fall Maddie
Das Braunschweiger Verfahren stand im Fokus internationaler Medien, weil der Angeklagte im Fall der verschwundenen dreijährigen Madeleine „Maddie“ McCann unter Mordverdacht steht. Der Maddie-Komplex ist aber offiziell nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens. Die Ermittlungen dazu gehen weiter, eine Anklage ist bisher aber nicht absehbar.
Die Dreijährige verschwand, während ihre Eltern in einem Restaurant zu Abend aßen. Trotz großangelegter Fahndungen und zahlreicher Aufrufe ihrer Eltern wurde der Fall nie geklärt. Maddie blieb verschwunden.
Die Vorsitzende Richterin Uta Engemann betonte, dass auch B. trotz massiver „Vorverurteilung“ durch Staatsanwaltschaft und Medien Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren und eine unvoreingenommene Beweiswürdigung habe. Das Gericht müsse „die notwendige Objektivität“ wahren. Was dem Gericht an Beweisen vorgelegen habe, habe für eine Verurteilung schlicht nicht ausgereicht. Richter hätten einen Eid geschworen. „Diesen Eid nehmen wir sehr ernst“, sagte Engemann.
Die Verteidigung bezeichnete das Urteil als vorhersehbar. Es sei „keine Überraschung“ und entspreche dem von ihm erwarteten Ausgang des Verfahrens, sagte B.s Anwalt Friedrich Fülscher. „Die Beweislage war von Anfang an dürftig.“ Die Staatsanwaltschaft habe dies wegen eines ausgeprägten „Verfolgungswillens“ gegenüber B. aber nicht wahrhaben wollen. Vor diesem Hintergrund sehe er für gegebenenfalls später gegen B. erhobene Vorwürfe wegen des Verschwinden von Maddie ebenfalls „schwarz“.
B. hielt sich regelmäßig an der Algarve auf
Den gegen B. verhängten Untersuchungshaftbefehl hob das Gericht auf. Dies hat zunächst aber keine praktischen Auswirkungen, weil B. aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Vergewaltigung in einem anderen Fall noch bis September 2025 in Strafhaft sitzt. Diese Tat ereignete sich 2005 ebenfalls in Portugal.
Deutschen Ermittlern zufolge hielt sich der unter anderem wegen Sexualdelikten mehrfach vorbestrafte B. früher regelmäßig in den Feriengebieten an der Algarve auf, um Gelegenheitsarbeiten zu übernehmen sowie in Ferienanlagen und Hotels einzubrechen. B. lebte früher unter anderem in Braunschweig, daher ist das Landgericht dort nun für ihn zuständig.
Zweifel an einer früheren Verurteilung
Fülscher bekräftigte nach dem Freispruch, nun auch die frühere Verurteilung von B. wegen einer Vergewaltigung durch das Landgericht Braunschweig wieder aufrollen zu lassen. Im damaligen Strafverfahren seien Zeugen gehört worden, die nach heutigen Kenntnisstand gelogen hätten. Ein sogenanntes Wiederaufnahmeverfahren sei deshalb „zwingend“, sagte der Verteidiger.
Engemann sprach von einer „massiven Auto- und Fremdsuggestion“, der die im Prozess befragten Zeugen durch die Medienberichterstattung über den Angeklagten B. und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe unterlegen seien. Scharf kritisierte sie unter anderem zwei Hauptbelastungszeugen, die aussagten, sie hätten Videoaufnahmen von B. bei zwei mutmaßlichen Vergewaltigungen gesehen. Die Videokassetten selbst wurden nicht gefunden.
Die Zeugen seien „nicht glaubwürdig“, einer von ihnen habe den Prozess gar als „Bühne“ genutzt und gegenüber B. „klare Belastungstendenzen“ gezeigt. Teils hätten sie Medien gegen Geld Interviews gegeben, fügte die Richterin an.
Im Fall einer weiteren Vergewaltigung hatte das Opfer selbst ausgesagt, B. etliche Jahre nach der Tat auf von Medien veröffentlichten Fotos anhand seiner Augen als Täter wiedererkannt zu haben. Darauf lassen sich eine Verurteilung nicht stützen, sagte Engemann. Direkte Beweise fehlten. Es gebe zwar keinen Zweifel daran, dass die Frau „Furchtbares“ erlebt habe, fügte sie an. Einen Freispruch könne und müsse der Rechtsstaat in solchen Fällen aber „aushalten“.
Staatsanwaltschaft forderte 15 Jahre Haft
Christian B. waren zum Prozessauftakt im Februar drei Vergewaltigungen und zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern in Portugal vorgeworfen worden. Objektive Beweise wie Fingerabdrücke oder DNA gab es nicht. Die Anklage stützte sich vor allem auf Zeugenaussagen. Diese stufte die Kammer aber insgesamt als nicht glaubwürdig oder nicht ausreichend für eine Verurteilung ein.
Nach dem Ende der Beweisaufnahme blieb die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen bei ihrer Überzeugung und forderte insgesamt 15 Jahre Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. In diesem Fall hätte B. nicht nach Verbüßung der Haft entlassen werden können.
Die Verteidigung hatte am Montag einen Freispruch gefordert. B.s Rechtsanwälte argumentierten damit, dass Beweise fehlten und Zeugen nicht glaubwürdig seien. Der Angeklagte hatte am vorletzten Prozesstag die Möglichkeit zu einem letzten Wort, äußerte sich aber nicht. (AFP)
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