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Fluchtpunkt. Das Büro der Welthungerhilfe in Banguí ist derzeit auch das Zuhause von Wylmyne Dumorne. Die Sicherheitslage lässt nichts anderes zu.

© Dagmar Dehmer

Welthungerhilfe: Vom Hilfsjob ins Management

Wie eine Haitianerin bei der Deutschen Welthungerhilfe in Zentralafrika Karriere macht. Einblick in eine ungewöhnliche Zwangs-WG in der Hauptstadt Bangui.

Dass Wylmyne Dumorne ihre erste Auslandsstation als Finanzmanagerin in Banguí, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), angetreten hat, war Zufall. Aber dass die junge Haitianerin für die Deutsche Welthungerhilfe eine Führungsposition übernommen hat, das ist kein Zufall, sagt die Sprecherin der Welthungerhilfe, Simone Pott. Dumorne hat anspruchsvolle Fortbildungsprogramme in Bonn absolviert und gehört nun zu den ersten, die es geschafft haben, vom Hilfsjob in eine Führungsposition aufzusteigen. „Es gehört seit einiger Zeit zur Personalpolitik, lokale Mitarbeiter stärker zu fördern“, sagt Pott.

Wylmyne Dumorne hat sich mit bemerkenswerter Entschlossenheit hochgekämpft. Die heute 31-Jährige hat ihre Eltern 1999 verloren. Da war sie gerade mal 14 Jahre alt. Sie und ihr Bruder wurden von mehreren Verwandten hin und hergereicht. Da es Konflikte zwischen den Familien des Vaters und der Mutter gab, war es mühsam, eine dauerhafte Bleibe für die Geschwister Dumorne zu finden. Zwar wollte eine Tante für die Kinder sorgen und sie in ein Internat schicken. Doch die Familie war nicht einverstanden. So landeten Wylmyne und ihr Bruder in zwei verschiedenen Waisenhäusern in Haiti. Wylmyne Dumorne fand ihre Zeit im Kinderheim schrecklich: Sie hasste die strengen Regeln, der riesige Schlafsaal mit 18 Mädchen bot keinerlei Privatsphäre. „Ich hatte Probleme mich anzupassen“, erzählt sie.

Schließlich holte ihre Tante sie doch aus dem Waisenhaus heraus und mietete eine kleine Wohnung für Wylmyne und ihren Bruder. Ihre Bedingung: „Werde nicht schwanger, keine Gäste, keine männlichen Freunde.“ Das schien ihr damals sehr akzeptabel. Heute klage ihre Tante manchmal, dass sie nicht verheiratet sei und keine Kinder habe, erzählt sie kichernd – dann erinnere sie sie an den Schwur von damals.

Nach der Sekundarschule wollte Wylmyne Dumorne studieren, doch ihre Tante wollte, dass sie Krankenschwester wird. Nach einem Jahr sagte sie ihrer Tante, dass sie wirklich nicht Krankenschwester werden wollte; daraufhin stelle die ihre Zahlungen ein. Trotzdem kämpfte sich Dumorne selbst in ein Studium und bekam wegen ihrer guten Leistungen zumindest ein Teil-Stipendium.

"Sonst war niemand da"

Jahrelang pendelte sie zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik, wo sie unter der Woche arbeitete, um ihr Studium am Wochenende in Haiti finanzieren zu können. Sie arbeitete als Sekretärin in einer Stahlfirma. Kurz vor dem Ende des Studiums entschloss sich ihre Tante, doch noch einmal mit ihrem Betriebswirtschaftsstudium zu helfen. Im Oktober 2007 begann sie dann als Sekretärin im Welthungerhilfe-Büro in der Hauptstadt Port-au- Prince. Als die Welthungerhilfe in in Ouanaminthe im Nordosten ein Büro eröffnete, zog sie mit. 2009 ermunterten sie ihre Kollegen, sich um den Job der lokalen Verwaltungschefin zu bewerben – nach einem Eignungstest durfte sie anfangen. Bis 2012 blieb sie dabei. Und als der Büroleiter ausfiel, übernahm sie automatisch die meisten Aufgaben selbst. „Sonst war da niemand“, erinnert sie sich.

Von 2013 an sollte sich Wylmyne Dumorne nicht mehr nur in der Praxis bewähren, sondern auch ihre formale Qualifikation verbessern. Sie absolvierte jedes noch so harte Training mit Erfolg, berichtet der ehemalige Büroleiter der Welthungerhilfe in der Zentralafrikanischen Republik, Georg Dörken. Sie selbst erinnert sich an einen Kurs, bei dem die Hälfte der Teilnehmer durchgefallen war. Im Sommer 2015 bewarb sich Dumorne um den Posten der Finanzmanagerin in der Banguí. Zunächst war Georg Dörken nicht begeistert. Aber da kannte er sie auch noch nicht persönlich.

Die Sicherheitslage ist prekär

Wegen der unkalkulierbaren Sicherheitslage müssen die Ex-Pats, die sich in Banguí zusammengefunden haben, mit einer Vielzahl von Einschränkungen leben. Neben Dörken, der 20 Jahre lang in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo gearbeitet hatte, hat sich eine ziemlich bunte Truppe in Banguí gefunden: Aus dem Kongo kam ein Agrarökonom. Ein Niederländer mit Wohnsitz Togo ist für Bauprojekte zuständig. Ein Belgier mit Wohnsitz Kongo/Brazzaville ist der Logistiker. Ein Franzose mit Wohnsitz Simbabwe betreut ein Gärtnerprojekt in Banguí. Und Wylmyne Dumorne hält die Finanzen zusammen.

Alle leben oberhalb des Welthungerhilfe-Büros in einer Zwangs-Wohngemeinschaft in winzigen Zimmern. „Hier kann jederzeit alles passieren“, sagt Dörken über die Sicherheitslage. Seine Skepsis löste sich schnell auf. Denn: „Auf Wylmyne kann ich mich jederzeit verlassen,“ erzählt er. Sie lege fehlerfreie Finanzberichte vor. Unterstützt wird sie von einer zentralafrikanischen Buchhalterin, die Dörken ebenfalls für eine besondere Förderung vorschlagen will.

Im Februar 2017 wird Wylmyne Dumorne ihre perfekten Finanzberichte im Welthungerhilfe-Büro in Goma im benachbarten Kongo vorlegen. Banguí stresst nicht nur sie, sondern geht allen Ex-Pats ziemlich auf die Nerven. „Ich bin jung. Ich will endlich mal wieder ausgehen“, sagt sie. In Goma kann die Sicherheitslage zwar auch schwierig werden. Aber der Ostkongo ist auf Dumornes Karriereleiter erst einmal der nächste Aufstieg. Simone Pott sagt über sie: „Wir erwarten noch einiges von ihr.“

Die Autorin hielt sich auf Einladung der Welthungerhilfe in Banguí auf.

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