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Vermehrt sich fleißig. Der Zünsler bringt drei bis fünf Generationen pro Jahr hervor.

© Reinhart Bünger

Schädlinge in Berlin: Was tun gegen den Buchsbaumzünsler?

Der Feind lauert im Garten, ein ostasiatischer Kleinschmetterling. Experte René Wadas setzt auf natürliche Mittel. Mehr dazu lesen Sie im Interview.

René Wadas (49) ist Gärtnermeister. Der Bestsellerautor stammt aus Berlin. Ende März legte er bei Rowohlt „Der Pflanzenarzt – mein großes Praxisbuch für Garten und Balkon“ vor.

Herr Wadas, im Norden Berlins sind jetzt die Raupen des Buchsbaumzünslers in den Garten eingerückt. Was haben die hier zu suchen?

In meiner Ecke – im Harz – ist er Gott sei Dank noch nicht so verbreitet, aber in Berlin ist er schon sehr stark. Dann natürlich in Nordrhein-Westfalen und im Süden Deutschlands. Der kommt ursprünglich über die Schweiz zu uns. Dort wurde er eingeschleppt aus Asien. Da er hier in Europa noch keinen natürlichen Feind hat, ist es schwierig. Es gibt zwar vereinzelt Spatzen, die sich die Zünsler holen und sie fressen. Aber der Zünsler frisst die ganze Zeit Buchsbaumblätter. Diese sind giftig. Und wenn die Spatzen damit ihre Jungen füttern, kann die Brut kaputtgehen.

Dann ist der Zünsler ja ein ganz gefährlicher „Vogel“!
Der macht schon ganz schön Ärger, ja. Er tritt nur da auf, wo auch vermehrt Buchsbäume auftreten. Buchsbäume gibt es zwar seit 1000 Jahren in unseren Gärten. Durch den Handel aber wurden die Eier des Zünslers auch relativ schnell verteilt.

Wie ist der überhaupt hergekommen? Hat er sich über die Alpen zu uns gerobbt?
Das sind Schmetterlingsfalter, die weiß und schwarz sind. Sie fliegen durch die Gegend. Und wenn die Pflanzen der Gärtner dann noch auf große Reise gehen… So werden viele Schädlinge verteilt.

Also über Baumärkte und Gärtnereien!
Ja, über den Großhandel fängt es an. Und irgendwann robben die sich natürlich von einer Buchsbaumhecke zur nächsten. Beim Nachbarn fängt’s an und dann geht es immer weiter. So vermehren sie sich dann. Wenn der Zünsler da ist, kann er drei bis fünf Generationen in einem Jahr hervorbringen. Es bringt wenig, wenn ich eine Chemiekeule kaufe und dann hoffe, dass ich alles geregelt habe. Nein, ich muss immer sehen, dass ich verschiedene Maßnahmen ergreife.

Zum Beispiel?
Die erste Maßnahme ist die, mit Neem zu arbeiten. Das ist ein Wirkstoff des indischen Neem-Baumes. Durch diesen Wirkstoff entstehen keine Resistenzen. Ich kann das fünf oder zehn Mal anwenden und brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, dass die Raupen resistent werden. Wenn ich Neem anwende, treffe ich nur die Schädlinge, die meiner Pflanzen Schaden zuführen. Jenen, die nichts fressen, passiert nichts.

So nicht. Buchsbäume sollten von innen nach außen ausgesprüht werden.
So nicht. Buchsbäume sollten von innen nach außen ausgesprüht werden.

© picture alliance / dpa

Wie wird Neem angewendet? Kommt das ins Gießwasser?
Das ist ein Wirkstoff, der aus den Neem-Kernen gewonnen wird. Man kann Neem in fast jedem Gartencenter oder Baumarkt kaufen. Ganz wichtig: Man muss es abends oder morgens richtig anwenden. Die Spritzflüssigkeit muss wirklich von innen nach außen in den Buchsbaum eingebracht werden, denn die Raupen fangen innen versteckt an. Wenn man die von außen sieht, haben sie schon ganze Arbeit geleistet. Neem muss zwei bei drei Stunden auf dem Buchsbaumblatt liegen bleiben. Und es darf nicht wegtrocknen. So lange dauert es nämlich, bis das Buchsbaumblatt das Neem aufgenommen hat.

Da muss ich Ihnen gleich in Ihre Neem-Parade fahren. Das geht doch nur bei kleineren Exemplaren. Ich kann doch nicht meinen 1,7-Meter-Baum tagelang einsprühen. Das dauert doch Stunden. Wenn ein Ast vergessen wird, ist alles verloren.
Nein, so dramatisch ist es nicht. Sie nehmen eine Fünf-Liter-Spritze, das ist auch gar nicht so teuer. Sie brauchen eine Spritze mit einer Lanze. Und damit gehen Sie in den Baum rein und spritzen von innen nach außen.

Gar nicht so teuer?
Der Preis liegt bei 12 Euro und reicht für 25 Liter Wasser. Auf alle Fälle ist das billiger als ein Buchsbaum, der einen Meter siebzig hoch ist und den man gar nicht bezahlen kann.

Bei Youtube gibt es auch Tipps gegen den Zünslerbefall. Einer hat seinen befallenen Buchsbaum mit einer Malerfolie im Sommer eingepackt und das Ganze unten zugebunden. Dem Zünsler wird dann ziemlich warm ums Herz. Er hält das nach vier Stunden nicht mehr aus. Man soll die Folie dann abnehmen und alle Zünsler mit kaltem Wasser ausspritzen. Was halten Sie davon?
Das Verfahren funktioniert: Der Zünsler wird unter der Folie gekocht. Aber man muss aufpassen, weil auch der Buchsbaum gekocht werden kann. Er wird Schaden nehmen. Da muss man aufpassen. Man könnte natürlich auch ein Insektenflies nehmen, das man auch über das Gemüse tut. Wenn man damit seine Buchsbäume einpackt, dann kommt der Zünsler nicht ran und kann keine Eier reinlegen.

Dann sehe ich aber auch den Buchsbaum nicht mehr.
Das ist natürlich der Nachteil. Aber mit der Folie kann es auch nach hinten losgehen.

Der Buchsbaumzünsler raubt Blättern die Kraft und Gartenbesitzern die Nerven.
Der Buchsbaumzünsler raubt Blättern die Kraft und Gartenbesitzern die Nerven.

© Reinhart Bünger, Uli Deck/dpa, Peter Kneffel/dpa

Aber den Buchsbaum so zu verhüllen, dass man ihn nicht mehr sieht: Das kann nicht Ihr Ernst sein.
Das machen Produzenten so. Die bessere Variante ist es, mit dem Neem zu arbeiten. Sie bekommen Ihre Zünsler auch nicht alle tot. Sie müssen dafür sorgen, dass die Zünsler weniger fressen. Dass der Baum mit den Fraßstellen, die wenige Zünsler vollziehen, zurechtkommt und die Blätter nachschiebt. Dann ist alles in Ordnung. Wir reden über das Insektensterben und wollen das verhindern. Und auf der anderen Seite wollen wir unseren Garten steril haben und die beste Chemiekeule einsetzen, um alles zu töten. Ich verstehe die Leute natürlich. Sie sind böse und sagen: Der Zünsler muss sterben. Er muss nicht sterben. Es muss reduziert werden.

Aber der vermehrt sich ja explosionsartig! Fünf Generationen …
Deshalb sollen Sie ja mit dem Neem arbeiten, das ein rein pflanzliches Produkt ist. Völlig ungefährlich. Der Zünsler beißt ins Blatt, nimmt den Wirkstoff auf und kann sich nicht mehr weiterentwickeln. Er hört sofort auf zu fressen und entwickelt sich nicht mehr weiter.

Und stirbt dann den Hungertod, oder wie muss man sich das vorstellen?
Ja, genau. Er stirbt den Hungertod, und meistens kann er sich auch nicht mehr häuten. Er trocknet aus, verhungert …

Das ist aber ja auch grausam.
Ja. Es ist aber auch grausam, wie der Buchsbaum stirbt, wenn er aufgefressen wird. Man muss immer beide Seiten sehen. Die nächste Möglichkeit, die ich mit vielen ausprobiert habe, ist, mit Algenkalk zu arbeiten. Damit pudert man leicht den Buchsbaum ein. Und das verdirbt auch den Geschmack. Die Zünsler mögen den Kalk nicht. Sie hören auf zu fressen.

Ihr Tipp mit dem Algenkalk beunruhigt mich. Sieht vielleicht gut aus. Aber ich möchte keine Buchsbäume, die nach Fisch stinken.

Nein, das ist Kalzium. Man muss sehen, wo das herkommt. Der Algenkalk wird ja bergmännisch gewonnen…

… sollte vielleicht besser Alpenkalk heißen…
Vielleicht. Es wird wie aus einer Sandgrube gewonnen. Es gibt auch Algenkalk, der aus dem Meer gefischt wird.

Und das Preis-Leistungs-Verhältnis?
Der Algenkalk ist preiswerter als Neem. Anderthalb Kilo bekommt man schon für sieben, acht Euro, das ist unterschiedlich. Mehr sollte man dafür nicht ausgeben.

Das würde für einen 1,70 Meter hohen Baum ausreichen?
Ja, das ist viel zu viel. Es reicht aus, den zwei oder drei Mal einzupudern. Mehr sollte das auch nicht sein. Die dritte Möglichkeit ist Xentari. Das ist so ein Bakterium, das übertragen wird. Das nimmt die Raupe auf. Und das Bakterium zerstört Magen und Darmwände der Raupe. Das darf man nicht so oft anwenden. Aber wenn ich einen hohen Befall mit Millionen von Viechern habe, dann wende ich den BT (Bacillus thuringiensis) einmal an. Mache ich das aber immer, züchte ich mir Resistenzen. Mutter Natur hat immer eine Tür offen. In der Natur gibt es kein „Ausrotten“. Das will immer nur der Mensch.

Was ist, wenn ich den Zünsler absammele?
Ausspülen mit einem harten Wasserstrahl, mit einem Hochdruckreiniger, das geht auch.

Der ist wasserscheu, ja?
Ja, wenn Sie ihn rausspülen, das mag er nicht.

Die lange Trockenperiode im vergangenen Sommer fand er gut?
Fand er toll, ja: trocken und warm, das ist gut für Zünsler.

Der letzte Sommer hat die Buchsbäume also gekillt.
Das Problem ist, dass der Zünsler bei Ihnen angekommen ist. Bei uns im Vorharz haben wir keine Zünsler, aber ein Triebsterben. Durch eine Pilzkrankheit, die an dem Buchsbaum auftritt. Das liegt daran, weil es bei uns im Harz zu feucht ist. Wir haben im vergangenen Jahr kein Problem gehabt, weil es zu trocken und zu warm war.

Könnte man den Buchsbaum nicht einfach in die Sauna stellen? Mancher hält ihn ja ohnehin im Topf.
Das ist zu heiß. Da platzen die Zellen. Das bringt nichts, wenn Sie Ihren großen Buchsbaum ausbuddeln und in die Sauna stellen. Sie können es ausprobieren und dann rufen Sie mich an, was passiert ist. Ich glaube, das wird nichts.

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